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Transparenz unter der Hebebühne: Warum eine Werkstattstunde wirklich 250 Euro kostet

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Von Dorian Rätzke
Steigende Werkstattkosten belasten die Oldtimer-Besitzer. Einige Fachwerkstätten stellen derzeit Stundensätze von 250 Euro und mehr in Rechnung, der Preistrend bei Ersatzteilen zeigte in den letzten Monaten steil nach oben. Laut einer aktuellen Auswertung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind Kfz-Ersatzteilpreise von August 2024 bis August 2025 um durchschnittlich sechs Prozent gestiegen – bei sichtbaren Teilen wie Stoßfängern oder Scheiben sogar um acht Prozent. Woher kommt dieser Anstieg? Und warum verlangen Werkstätten so hohe Stundensätze von ihren Kunden? Ein heikles Thema. Benjamin David, Geschäftsführer von David Finest Sports Cars in Hamburg erklärt im OCC-Magazin erstmals öffentlich und detailliert, wie sich der sogenannte Stundenverrechnungssatz (SVS) in seinem Unternehmen zusammensetzt und wie er kalkuliert wird. Es sind überraschende Zahlen! 

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Stundensatz: 250 Euro – das steckt dahinter

Seit 2015 sind die Werkstattpreise um mehr als 80 Prozent gestiegen – während die allgemeine Inflation nur rund 30 Prozent beträgt. Die Ursachen liegen tiefer als vermutet: Energie, Löhne, fehlender Nachwuchs und Monopole bei Ersatzteilen treffen die Branche teilweise mit voller Wucht. „Die Preise sind explodiert, weil die Energiekosten in den letzten Jahren massiv gestiegen sind. Auch die Löhne haben stark angezogen, vor allem durch die zunehmende Spezialisierung“, erklärt Benjamin David, Geschäftsführer von David Finest Sports Cars in Hamburg. „Vor einigen Jahren lag der Stundensatz bei uns noch bei rund 120 Euro brutto, heute sind es fast 250 Euro – Tendenz steigend.“ Das Hamburger Autohaus betreibt auch eine Spezialwerkstatt, die auf Porsche-Modelle und Luxusfahrzeuge anderer Hersteller spezialisiert ist.

Benjamin David im Showroom seines Autohauses in Hamburg. Ständig sind hier über 100 Supersportwagen und Klassiker (u. a. Porsche, Ferrari, Lamborghini, Aston Martin, Bentley, Rolls-Royce) im Angebot. Die hauseigene Werkstatt mit hoch qualifizierten Mitarbeitern kümmert sich um die wertvollen Fahrzeuge.

Benjamin David im Showroom seines Autohauses in Hamburg. Ständig sind hier über 100 Supersportwagen und Klassiker (u. a. Porsche, Ferrari, Lamborghini, Aston Martin, Bentley, Rolls-Royce) im Angebot. Die hauseigene Werkstatt mit hoch qualifizierten Mitarbeitern kümmert sich um die wertvollen Fahrzeuge. 

Steuern und Abgaben: Das sind die Kostentreiber

Eine Werkstattstunde in der Spezialwerkstatt bei David Findest Sportscars kostet für Kunden derzeit 245 Euro brutto. Wie setzt sich dieser Betrag zusammen? Benjamin David rechnet vor: „Von diesen 245 Euro bleiben netto etwa 206 Euro in der Werkstatt. Davon entfallen 30 Euro auf den Lohn unserer hoch qualifizierten Mitarbeiter und weitere 30 Euro auf Sozialabgaben und Lohnnebenkosten wie Urlaub, Krankheit oder Arbeitgeberanteile. Für Miete und Gebäudeunterhalt kalkulieren wir 40 Euro, denn eine gepflegte Werkstattfläche und der Showroom für unsere Klassiker kosten ihren Anteil. Werkzeuge und Maschinen schlagen mit 25 Euro zu Buche – Spezialgeräte und Prüfstände sind teuer, aber unerlässlich. Hinzu kommen 11 Euro für Schulung und Spezialisierung, damit unser Team immer auf dem neuesten Stand bleibt, sowie 20 Euro für Energie und Betriebskosten. Versicherungen und Verwaltung verursachen weitere 15 Euro, Steuern rund 10 Euro. Schließlich bleiben 25 Euro für Gewinn, Rücklagen und Investitionen – also das, was wir reinvestieren, um modern zu bleiben und Risiken abzufedern.
Auch das Berufsbild sei spezieller geworden und verlangt großes Fachwissen. 
„Der Beruf des Mechatronikers hat sich stark verändert. Heute sind das Spezialisten, die regelmäßig geschult werden müssen – das macht den Beruf anspruchsvoller, aber auch teurer“, betont David.

Fachleute sind rar und gesucht

„Der Beruf des Mechatronikers hat sich stark verändert. Heute sind das Spezialisten, die regelmäßig geschult werden müssen – das macht den Beruf anspruchsvoller, aber auch teurer. Wir haben immer weniger Nachwuchs. Das bedeutet, dass Kunden teilweise monatelang auf einen Werkstatttermin warten müssen.“

Werkstätten produzieren Ersatzteile selbst

Die Oldtimer-Szene spürt die Folgen dieser Entwicklung besonders stark. Ersatzteile für einige Modelle sind vielerorts oft schwer zu bekommen. Einige Werkstätten haben deswegen schon vor Jahren beschlossen, sich unabhängiger von Klassikabteilungen der großen Hersteller zu machen. Vorteil für die Kunden: fast alles ist wieder lieferbar. „Für den Citroën DS gibt es inzwischen schon 80 Prozent reproduzierbare Teile. Wir haben 2008/2009 angefangen, so erste Türteile für unsere Kunden zu produzieren“, erzählt Citroën-Spezialist Falk Lehmann aus Heidelberg. Ein Problem sei hier weniger die Ersatzteilversorgung, sondern eher, überhaupt eine geeignete Fachwerkstatt zu finden. Viele Werkstattbesitzer gingen in den Ruhestand, ohne einen geeigneten, qualifizierten Nachfolger gefunden zu haben. „Kunden müssen da etwas umdenken, dass der Spezialist nicht gleich um die Ecke ist und eventuell längere Anfahrtswege in Kauf nehmen, um ihren Oldtimer reparieren zu lassen“, so Falk Lehmann.  
Fachkräftemangel ist auch ein Thema im Norden der Republik. „Wir haben immer weniger Nachwuchs. Das bedeutet, dass Kunden teilweise monatelang auf einen Werkstatttermin warten müssen“, so Benjamin David weiter. Auch Thomas Aukamm, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF), bestätigt: „Die Anforderungen an Fachkräfte sind gestiegen, qualifiziertes Personal ist knapp.“

Auch in der Halle 49 in Lübeck arbeitet hoch qualifiziertes Personal: hier am Aggregat eines Porsche 911

Auch in der Halle 49 in Lübeck arbeitet hoch qualifiziertes Personal: hier am Aggregat eines Porsche 911  

Schadensregulierung und Versicherungsprämien

Ein weiteres Problem sei aus Sicht des ZKF das sogenannte Designschutzrecht der Autohersteller, das teils bis 2045 läuft. Es verhindert, dass Drittanbieter Ersatzteile günstiger nachfertigen dürfen. „Die GDV kritisiert zu Recht das Quasi-Monopol der Autohersteller bei Ersatzteilen, das die Preise in die Höhe treibt“, sagt Aukamm. So kostet eine einfache Stoßfängerreparatur heute gut 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Das hat Auswirkungen auf die Schadensregulierung und damit auch auf die Versicherungsprämie. Der durchschnittliche Kfz-Sachschaden liegt laut GDV inzwischen bei 4.250 Euro – rund sieben Prozent mehr als 2023. „Die Kosten für Pkw-Ersatzteile steigen rapide und sind weitgehend unabhängig von der allgemeinen Preisentwicklung“, warnt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Das hat auch Auswirkungen auf die Versicherungsprämien. Till Waitzinger, Mitglied der OCC-Geschäftsleitung: „Auch wenn Oldtimer-Versicherer wie OCC unabhängig von den Marktpreisen kalkulieren, lassen sich die steigenden Werkstattkosten nicht völlig abkoppeln. Damit der Versicherungsschutz auch künftig ausreicht, um die höheren Schäden zu regulieren, müssen die Prämien teilweise mit der sogenannten Beitragsanpassungsklausel angepasst werden. Dennoch bleiben die Versicherungsprämien gerade bei OCC im Vergleich zum Markumfeld günstig und punkten mit passgenauer Absicherung der automobilen Schätze."
 

Auswirkung auf Versicherungsprämien

„Damit der Versicherungsschutz auch künftig ausreicht, um die höheren Schäden zu regulieren, müssen die Prämien teilweise mit der sogenannten Beitragsanpassungsklausel angepasst werden. Dennoch bleiben die Versicherungsprämien gerade bei OCC im Vergleich zum Markumfeld günstig und punkten mit passgenauer Absicherung der automobilen Schätze."

Wie Oldtimer-Besitzer gegensteuern können

Und wie können Klassiker-Fans höhere Kosten etwas abfedern? Benjamin David rät Besitzern klassischer Fahrzeuge, gezielt nach Wartungspaketen zu fragen. „Viele Werkstätten bieten Pauschalen an, mit denen sich langfristig Kosten sparen lassen. An den Ersatzteilen hängt oft viel Marge – da lohnt sich Nachfragen.“ Zudem sei der Standort entscheidend: „In Ballungsräumen wie München oder Stuttgart liegen die Preise oft deutlich höher als auf dem Land.“ Langfristig könnten auch neue Technologien wie 3D-Druck helfen, Ersatzteile wieder bezahlbarer zu machen – vorausgesetzt, es gibt politische Unterstützung. Der ZKF fordert hier Entlastungen für kleine Werkstätten, etwa durch geringere Energiekosten oder vereinfachte Genehmigungsverfahren. 

Fazit: Klassiker verdienen Schutz und keine Sorgen

Die steigenden Werkstattkosten sind ein Weckruf für die gesamte Klassiker-Szene. Ohne gezielte Gegenmaßnahmen – von der Förderung von Fachkräftenachwuchs bis zur politischen Unterstützung – droht die Wartung historischer Fahrzeuge zum Luxusgut zu werden. Denn Leidenschaft für Klassiker verdient Schutz – und keine Sorgen. 

Fotos: OCC | David Finest Sport Cars 
 

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