Retten E-Fuels den
Verbrennungsmotor?
CO2-Emissionen, Klimaziele und ein drohendes Verbot für Verbrennungsmotoren – Alarmstimmung in der Automobilindustrie. Dürfen wir irgendwann nicht mehr mit Benzin und Diesel fahren? Fieberhaft wird nach Alternativen gesucht. Derzeit ist ein Hoffnungsträger in aller Munde. E-Fuels – synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Sie sollen klimaneutral sein, das bedeutet, weder ihre Herstellung noch ihre Benutzung belasten nennenswert die Umwelt. Dr. Lorenz Kiene, geschäftsführender Gesellschafter der Lühmann-Gruppe Hoya (Tankstellen & Schmierstoffe), erklärt im Interview, warum E-Fuels in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten.
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Die gute Nachricht vorweg: Das Umweltbundesamt (UBA) hat die „Klimabilanz 2020“ vorgelegt. Die CO2-Emissionen des Verkehrs in Deutschland sind demnach – vor allem coronabedingt – im vergangenen Jahr um 11,4 % auf 146 Mio. Tonnen gesunken. Damit liegt die Bundesrepublik unter der im Bundesklimaschutzgesetz festgelegten maximalen Jahresmenge. Trotzdem: Um aber die sehr ambitionierten Einsparziele in den kommenden Jahren zu erreichen, führt kein Weg am Einsatz strombasierter Kraftstoffe vorbei, sagt Energie-Experte Dr. Lorenz Kiene (Foto).
Herr Dr. Kiene, warum sehen Sie Probleme bei den Einsparzielen von CO2-Emissionen im Verkehr?
Kiene: „Im vergangenen Jahr brachte der coronabedingte Lockdown eine deutliche Reduzierung des Verkehrs auf Deutschlands Straßen. Das führte zu einem Rückgang der CO2-Emissionen im Verkehrssektor um 19 Mio. Tonnen. Allerdings bräuchten wir mindestens die dreifache Einsparmenge, wenn wir unsere Ziele für das Jahr 2030 erreichen wollen.“
Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg?
Kiene: „Nahezu der gesamte Bestand an Kraftfahrzeugen in Deutschland wird von Verbrennungsmotoren angetrieben. Diese könnten ohne technische Hürden klimaneutral mit E-Fuels betrieben werden. E-Fuels werden nicht aus Öl, sondern aus Wasser hergestellt. Die ökologische Hebelwirkung wäre enorm: Schon eine 10%ige Beimischung von E-Fuels in herkömmlichen fossilen Diesel oder in fossiles Benzin hätte in Deutschland dieselbe Auswirkung auf die CO2-Bilanz, als würden zwei Jahrgänge Kfz-Neuzulassungen als reine Elektromobile, die ausschließlich mit grünem Ladestrom betrieben würden, auf den Markt kommen.“
Aber es wird behauptet, dass Verbrenner mit E-Fuels eine schlechtere CO2-Bilanz haben als Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb, sogenannte BEVs.
Kiene: „Nein. Es wurde in einer Studie von frontier economics nachgewiesen, dass schon heute (ohne E-Fuels) die über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs kumulierten CO2-Emissionen bei batterieelektrischem Antrieb (BEV) und verbrennungsmotorischem Antrieb (ICEV) relativ nahe beieinander liegen. Die CO2-Emissionen sind in den einzelnen Lebenszyklusphasen unterschiedlich hoch: Für BEV primär bei Herstellung und Erzeugung der Antriebsenergie; für ICEV in der Nutzungsphase. Der Fehler in der Vergangenheit war der, dass man Äpfel mit Birnen verglichen hat und sich keinen Lebenszyklus, sondern nur einen gewissen Teilbereich angeschaut hat.“
Wie wird die Entwicklung weitergehen?
Kiene: „Die CO2-Gesamtbilanz der Fahrzeuge wird sich zukünftig weiter verbessern: Bei BEV durch die Steigerung des Anteils des erneuerbaren Stroms und für ICEV durch den steigenden Beimischungsanteil von E-Fuels. Beide Antriebsarten sollten technologieoffen gefördert werden.“
Ist es weniger effizient, Strom für E-Fuels zu nutzen als für BEV?
Kiene: „Eine weitere Studie von frontier economics hat nachgewiesen, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die mit klimaneutralen Kraftstoffen angetrieben werden, bei einem gesamtheitlichen Effizienzvergleich für Produktion und Nutzung ein ähnliches Ergebnis aufweisen wie batteriegetriebene Fahrzeuge. In bisherigen Effizienzanalysen blieben vor allem standortspezifische Faktoren der Erzeugung erneuerbarer Energien und die damit einhergehende Ertragseffizienz der erneuerbaren Stromgewinnung unberücksichtigt. E-Fuels profitieren davon, sie an internationalen Standorten mit hohen Stromerträgen aus erneuerbaren Energien hergestellt und von dort importiert werden können. Ladestrom für E-Fahrzeuge muss dagegen aufgrund von Speicher- und Transportrestriktionen nah am Ort der Verwendung erzeugt werden. Auch weitere wichtige Faktoren bleiben in den bisherigen Effizienzanalysen unberücksichtigt: Dazu zählen Energieverluste beim Transport und bei der Speicherung, sowie Ladeverluste bei batterieelektrischen Fahrzeugen.“
Das klingt alles einleuchtend, aber sind E-Fuels nicht viel zu teuer?
Kiene: „Durch den Ausbau der Produktionskapazitäten und damit einhergehender wirtschaftlicher Skaleneffekte werden die Herstellungskosten deutlich gesenkt werden. E-Fuels wären auch in den Jahren des Markhochlaufs für den Autofahrer bezahlbar, denn ihr Beimischungsanteil würde allmählich steigen, während auf der anderen Seite die Produktionskosten stetig sinken.“
Was wird ein Liter E-Fuel-Kraftstoff kosten, wenn sich in absehbarer Zeit das Verfahren etabliert hat?
„Es ist davon auszugehen, dass Kraftstoffe mit E-Fuels Beimischung von Beginn an für den Autofahrer nur einige Cent je Liter teurer als rein fossile Kraftstoffe wären. Experten gehen davon aus, dass die Produktionskosten zum Jahr 2050 auf unter einen Euro je Liter sinken.“
Müssen Oldtimer-Besitzer die Motoren ihrer Fahrzeuge umrüsten, um künftig E-Fuel zu tanken?
„Nein, es ist keine Umrüstung nötig.“ (dr)
Das ist die Lühmann Gruppe
Die Lühmann Gruppe ist ein familiengeführtes mittelständisches Unternehmen in 6. Generation mit Sitz in Hoya; gegründet 1882. Unter der Marke Classic betreibt das Unternehmen eine Tankstellenkette mit derzeit 160 Standorten in 12 Bundesländern. Neben einem nationalen und internationalen Schmierstoffvertrieb bietet das Unternehmen auch Strom, Erdgas, Propangas und Technische Gase an. Seit vier Jahren betreibt sie eine CarSharing Flotte, deren Mobilitätsangebot bewusst zugeschnitten ist auf die Bedürfnisse ländlicher Regionen.
Weitere Informationen zur Lühmann Gruppe finden Sie unter www.classic-oil.de
So wird synthetisches Flüssiggas hergestellt
Die Herstellung von synthetischem Flüssiggas, wie es für E-Fuels benötigt wird, erfolgt mithilfe von Kohlenstoff, Wasserstoff und
regenerativ erzeugtem Strom: Durch Elektrolyse wird zunächst herkömmliches Wasser in seine Bestandteile – Wasserstoff und Sauerstoff –
gespalten. Um Kohlenwasserstoffe wie Propan und Butan zu gewinnen, wird außerdem Kohlenstoff aus der Luft, aus Abgasen oder biogenen Ursprungs
benötigt. Die Weiterverarbeitung erfolgt mithilfe der Fischer-Tropsch-Synthese – einem bewährten Verfahren, durch das ein breites Spektrum an Kohlenwasserstoffen unterschiedlicher Kettenlänge erzeugt werden kann. Bislang ist die Fischer-Tropsch-Synthese vornehmlich auf die Erzeugung längerer Kohlenwasserstoffketten, als
Propan oder Butan ausgelegt. Die Optimierung von Verfahrensparametern wie Druck und Temperatur sowie die Entwicklung neuer Katalysatorzusammensetzungen können jedoch künftig für Erträge von bis zu 35 Prozent Flüssiggas sorgen. Die weiteren dabei entstehenden Kohlenwasserstoffe können ebenfalls als flüssige Kraft- oder Brennstoffe oder in der Industrie Anwendung finden, zum Beispiel als Prozessöle. (Quelle: Deutscher Verband Flüssiggas e.V.)
Fotos: Lühmann Gruppe | Deutscher Verband Flüssiggas e.V.
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