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50 Jahre VW Passat:
der Weg zum Weltstar

B1 LS von 1973
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Sonntagsfahrverbote, Tempo 80 auf der Autobahn und ein Benzinpreis, der auf 35 Cent pro Liter schoss - die weltweite Ölkrise war das beherrschende Thema vor 50 Jahren.

Mit starken Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und natürlich die Autobauer. Positive Meldungen waren rar – wie diese: „Aufwind in Wolfsburg“ titelte die Fachzeitschrift „auto motor und sport“ (ams) zum Start des brandneuen VW Passat im Jahr 1973. Der Volkswagen-Konzern hatte damals mit hohen Produktionskosten zu kämpfen, niedrige Gewinnmargen machten den niedersächsischen Autobauern zu schaffen. Es fehlte ein „Modellbaukasten“, aus dem man ohne viel Entwicklungsaufwand viele Versionen eines Basisfahrzeugs produzieren konnte.

Da kam der Passat, Zwilling des hochgelobten Audi 80, gerade recht. Und er verkaufte sich prima. Am Tag des Produktionsbeginns lagen 19.000 Bestellungen allein bei deutschen Händlern vor, dazu „über 20.000 feste Buchungen aus dem Ausland“, wie die ams notierte.

Besonders das praktische Heckklappen-Modell, das ab März 1975 in den Autohäusern stand, sorgte bei deutschen Familien für Begeisterung. Der Passat hat die Automobilwelt geprägt - werfen wir zum Jubiläum einen Blick auf einige faszinierende und kuriose Fakten aus 50 Jahren Passat-Geschichte.


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Heute nicht mehr vorstellbar: Werbung mit leichtbekleideter Dame vor dem neuen Passat B1

Die Geburtsstunde: Entwicklungsauftrag 400

Am Anfang stand die technisch-nüchterne Abkürzung EA 400. EA bedeutete „Entwicklungsauftrag“. „Typ 511 wollten wir es nennen, aber der Gedanke an Namen statt Nummer sprang ins Gespräch, und keine Zahl gefiel uns mehr. Beim Wettstreit der Vorschläge standen die Juristen mit im Ring. Schon bei Zifferkombinationen ist die Wahl nicht frei, bei Namen noch weniger, und guter Klang war nicht genug: es sollte ein Wort sein, zu dem man etwas sagen kann, ein Name mit Sinn. Passat, der sichere Segelwind auf dem Kurs um die Welt, hat gewonnen“, teilte die VW-Presseabteilung am 23. Mai 1973 mit.


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Schrägheck als Drei- und Fünftürer, dazu der Variant: die Passat-Modelle der ersten Generation

Der Trick: Audi 80 bekommt Fließheck

Mit einem Trick kam VW so wieder auf die Überholspur. Der neue VW-Vorstandschef Rudolf Leidig galt als Macher und Improvisationstalent. Die Lösung: der topmoderne Audi 80 wurde für VW adaptiert. Mit Fließheck, um an den VW Typ 3 (1600 TL) zu erinnern und mit Wasserkühlung. Vom ursprünglich angedachten Namen VW 511 war man schnell weg, der er an die wenig erfolgreichen VW 411 und 412 (Nasenbär) erinnerte. Größtes Plus des neuen VW Passat (intern B1 oder Typ 32 genannt): das unglaubliche Ladevolumen, das eines kleinen Transporters ebenbürtig war.

Für das Design des VW Passat zeichnete der italienische Automobildesigner Giorgetto Giugiaro verantwortlich, der auch den Golf I und den Scirocco 1 zeichnete. So debütierte der Passat debütierte 1973 auf internationalem Parkett in Zürich als zwei- und viertürige Fließheck-Limousine. Erst im Januar 1974 folgte dann die erste Kombiversion – der Passat Variant.

Variant 1976

Bis zu 1500 Liter Ladevolumen: der Passat Variant im Jahr 1976

Der Antrieb: Mit 55 PS ging's los

Zu Beginn war der Passat (Typ 32) mit drei Vierzylinder-Reihenmotoren lieferbar. Der 1,3 L leistete 55 PS (94 Nm Drehmoment, Höchstgeschwindigkeit 145 km/h, Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 16,5 Sekunden), der 1,5 L hatte 75 PS (116 Nm Drehmoment, 160 km/h Spitze, 13 Sekunden von 0 auf 100) oder 85 PS (123 Nm Drehmoment, 170 km/h Spitze, 11,8 Sekunden von 0 auf 100).

Die Basisausstattung hatte eine manuelles Vierganggetriebe, auf Wunsch und gegen Aufpreis gab es eine Dreistufen-Automatik. Den Verbrauch gab VW mit 8,3 - 8,6 Litern Super auf 100 km an (Automatik (9,1 – 9,4 l/100 km). Allerdings gab es bis 1978 noch keine Drittelmix-Messung beim Verbrauch, sondern die Norm ergab sich aus folgenden Parametern: Verbrauch bei 3/4 der Höchstgeschwindigkeit, jedoch max. 110 km/h, angegebener Verbrauch = gemessener Verbrauch +10%, halbe Nutzlast, Windstille, ebene Strecke. Erst ab Juli 1978 errechnete sich der durchschnittliche Verbrauch aus einem Drittel 90 km/h, einem Drittel 120 km/h, der Rest bei Stadtverkehr.


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Holzfolie, sachliche Optik: Blick ins Passat-Cockpit

Die Ausstattung: von Ascher bis Sportlenkrad

Ob Mandarinorange, Marsrot, Baligrün, Rallyegelb oder Panamabraun – die 70er waren bunt beim Passat. 63 Farbtöne standen für den Lack zwischen 1973 und 1980 modelljahrabhängig zur Auswahl, innen ging es ebenso farbenfroh zu, die Sitzbezüge gab es in Bambus oder Cognac (Hahnentritt-Muster) oder z.B. in Mocca, Tabac oder Tannengrün, dann in strapazierfähigem Breitcord-Stoff.

Die Grundmodelle hatten als besonderes Ausstattungsmerkmal erst ab April 1975 eine elektrische Scheibenwaschpumpe.

Ab L-Ausstattung (bis Modelljahr 1976) gab u.a. es folgende Annehmlichkeiten für die Passatfahrer: Breitbandscheinwerfer, Zigarettenanzünder, Uhr, Chromzierrahmen um alle Fenster, Teppich, anderer Stoff auf Sitzen, Holzfolie auf Armaturenbrett, Handschuhfach abschließbar, Armlehnen an den Türen, Beleuchtung für Handschuhfach, Heizungsbetätigung und Ascher, Tageskilometerzähler.

Ab Modelljahr 1977 kamen u.a. noch folgende Extras dazu: Halogen-Scheinwerfer, verstellbare Kopfstützen, Chromrahmen für Instrumente, Ascher hinten.

Die teurere GL-Ausstattung bot zusätzlich zur L-Ausstattung ab Modelljahr 1977 u.a. folgende Extras: abschließbarer Tankverschluss, Intervallschaltung für Scheibenwischer, Türkontaktschalter auch auf Beifahrerseite, regelbare Instrumentenbeleuchtung, Ablage auf Fahrerseite, abblendbarer Innenspiegel, bronzegetönte Verglasung.

Sportliche Fahrer kamen mit der TS-Ausstattung auf ihr Kosten: Halogen-Doppelscheinwerfer, Drehzahlmesser, Instrumentenkonsole mit Voltmeter, Öldruckanzeige und Uhr, Sportlenkrad

Passat Werbung

In der Ölkrise den Nerv der Kunden getroffen: VW Passat-Werbung der 70er Jahre

Die Preise: Ab 8.495 DM war man Passat-Besitzer

Das Basismodell 1,3 L startete bei 8.495 D-Mark, die 1,5 L-Maschine mit 75 PS kostete als Grundmodell 8.895 D-Mark. Die L-Ausstattungen schlugen mit 8.995 DM (1,3 L), 9.395 DM (1,5 L mit 75 PS) oder 9.595 DM (1,5 L mit 85 PS) zu Buche.

Für die sportliche TS-Ausstattung beim 1,5 L mussten 10.090 DM berappt werden, die Kombiversion Variant stand ab 9.145 DM beim Händler. Zum Vergleich: das jährliche Brutto-Durchschnittseinkommen in Deutschland lag 1973 bei 18.295 DM.
B2 MITD1

Die Baureihe B2 mit 55 kW (75 PS) starkem 1,6-Liter-Motor wurde auch als besonders sparsame Formel E-Variante angeboten. Sie nahm Innovationen wie die späteren Start-Stopp-Systeme vorweg.

Die Sondermodelle: Feuerwehr und Leichenwagen

Der Passat vom Typ 32/33 und später vom Typ 32B (ab 1980) war auch als Einsatzfahrzeug bei Behörden beliebt. So fuhren Feuerwehr-Leitwagen und Funkstreifen die Modelle aus Wolfsburg. In Spanien sind Umbauten zum Leichenwagen dokumentiert. In den 1980ern baute VW-Händler Spreckelsen aus Stade den Typ 32/33 zu einem Pickup um. Die Stufenheck-Version des Typo 32B wurde von Volkswagen als VW Santana vermarktet und von privat z.B. als Wohnmobil umgebaut (der Santana erfreut sich übrigens in Brasilien und China immer noch größter Beliebtheit).

Bizarr ist der 5,18 m lange Passat-Umbau einer Karosseriebaufirma als 3-Achser, die 1987 allein für den Umbau 25.000 DM verlangte. 10 Exemplare sollen entstanden sein.


Buntes: die US-Stars Dasher und Quantum

  • A star is born: In den USA wurden die ersten beiden Passat-Modellreihen als Dasher und Quantum verkauft, erst 1990 tauchte der Name Passat auf. Insgesamt fand der Passat in Amerika seit 1974 bisher 1,76 Millionen Käufer
  • Kopfstützen waren anfangs aufpreispflichtig.
  • Das neue Fahrwerk war für VW-Verhältnisse eine Revolution: vorn längs eingebauter wassergekühlter Reihenmotor und Frontantrieb statt luftgekühlter Boxermotor im Heck
  • Der Typ 32B/Santana gilt als Weltauto der 80er Jahre von VW. Er wurde in folgenden Ländern gebaut: Argentinien, Belgien, Brasilien, China, Deutschland, Japan, Mexiko, Nigeria, Spanien und Südafrika
  • In Brasilien wurde der Passat Typ 32B als Ford Versailles (Limousine) bzw. Ford Royale (Kombi) und in Argentinien als Ford Galaxy (Limousine) verkauft – möglich machte dies eine Kooperation zwischen VW und Ford bei Autolatina in Brasilien.
  • Vom Passat Typ 32/33 wurden insgesamt 2,6 Mio. Exemplare gebaut, davon eine halbe Million Kombis (Variant)
  • Der VW Passat B1 LS aus der Sammlung der Stiftung Automuseum Volkswagen mit der Fahrgestellnummer 2 ist der älteste Passat der Welt.
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Weltstar VW Santana - in China wird er immer noch produziert, natürlich in moderner Optik

Kaufberatung VW Passat 32B: Pluspunkte und Minuspunkte

  • Der VW Passat 32B ist gut gegen Korrosion geschützt, aber es gibt einige problematische Stellen.
  • Wasserkasten unter der Windschutzscheibe kann rostanfällig sein.
  • Schiebedächer können schwer laufen, Kulisse kann abbrechen, Kratzer möglich.
  • Türen ab Modellpflege 1/85 anfälliger für Rost: oben am Fensterschacht bei älteren Modellen, unten bei späteren Modellen.
  • Vordertüren sind anfälliger als hintere. Rost kommt von innen.
  • Türgriffe können schwer gehen, Ölen hilft.
  • Hinteren Radläufe sind generell anfällig für Rost, besonders rechte Seite mit Tankstutzen.
  • Beim Variant: Unterseite der Heckklappe oft durchgerostet, schwer festzustellen.
  • Ladekante des Kofferraums beim Variant kann rostanfällig sein.
  • Schweller und Unterboden meist unproblematisch, außer bei vernachlässigten Autos.
  • syncro-Modelle besonders Unterboden kontrollieren (Aufsetzen im Gelände).
  • Mögliche optische Probleme: verbeulte Motorhaube, oxidierte Zierleisten unter Kunststoffschicht, trübe Kunststoffschicht
  • Ersatzzierleisten wahrscheinlich nicht erhältlich
  • Turbodiesel-Motoren haben häufig Probleme mit dem Turbolader, Reparaturen sind aufwendig und teuer.
  • Fünfzylinder-Motoren, insbesondere der 2,2L mit Kat, neigen zum Abriss der Krümmerstehbolzen, erkennbar an einem "Knattergeräusch" aus dem Motorraum.
  • Kühlerpappen sind wichtig, da beschädigte oder fehlende Pappen zu Hitzeschäden am Motor führen können. Ersatz ist nicht mehr erhältlich.
  • Die Vergasermotoren 2EE und 2B5 haben spezifische Probleme wie eine fehlerhafte Startautomatik bzw. Leistungsverlust in der 2. Stufe des 2B5.
  • Defekte Synchronisation im 2. Gang tritt bei hoher Kilometerleistung auf, betrifft aber nicht nur den Passat.
  • Hydraulische Kupplungen können Probleme mit dem Geberzylinder haben, der aus der Karosserie rostet und sich verschiebt.
  • ATF-Stand bei Automatikgetrieben im Auge behalten, undichte Dichtringe können zum Trockenlaufen des Achsantriebs führen.
  • Gummilager der Radaufhängung, Querlenker und Domlager der Vorderachse neigen zum Verschleiß, Austausch ist teuer.
  • Antriebswellen sollten inspiziert werden, insbesondere bei leistungsstarken Fünfzylindern.
  • Hinterachslager sind häufig ausgeschlagen, insbesondere beim Variant aufgrund von Überladung. (dr)

Fotos: Volkswagen AG | Passat-Kartei-Deutschland

Das OCC-Magazin bedankt sich bei der Passat-Kartei-Deutschland (www.passat-kartei.de) für die fachliche Unterstützung.

Alle Modelle 40 Jahre

Das war 2013: alle Passat-Baureihen aus 40 Jahren Produktionszeit.

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