Stärken, Schwächen, Wertzuwachs:
Das macht den Ford Capri I so begehrt
Das Jahr 1969 war nicht gerade arm an Höhepunkten. Neil Amstrong betritt als erster Mensch den Mond, die Hippie-Bewegung feierte das legendäre Woodstock-Festival. Und die Autowelt staunte über den Ford Capri, der erstmals über Europas Straßen rollte.
Den Namen borgten sich die Autobauer von der berühmten gleichnamigen Insel im Golf von Neapel und bewarben das Vehikel bei Markteinführung mit dem Spruch: "Das Auto, das Sie sich immer
gewünscht haben“. Auch manche Oldtimer-Sammler würden sich jetzt einen Capri in der Garage wünschen.
Sorgte das Coupé doch für die größte Überraschung im aktuellen Deutschen Oldtimer Index (DOX), den der Verband der Automobilindustrie jährlich veröffentlicht.
Der Ford Capri I legte innerhalb von vier Jahren um 100 % im Wert zu.
Grund genug, das von 1969 bis 1973 produzierte Coupé der ersten Baureihe genauer unter die Lupe zu nehmen. Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren zum Stichtag 01.01.2023 noch genau 3071 Capri aller drei Generationen in Deutschland zugelassen.
Was macht den Charme dieses Klassikers aus, warum ist er auf einmal so begehrt? Das kann wohl niemand besser beurteilen als die Experten des Ford Capri Club Deutschland e.V. 1990. Gerhard Weinfurter, Beisitzer im Capri Club Deutschland, hat für das OCC-Magazin die Historie des Fahrzeugs analysiert und geht auf Plus- und Schwachpunkte des schönen Coupés ein.
Mit dem Capri an der Zapfanlage: Tanken war damals noch günstig. Ursprünglich wollte Ford das Coupé Colt nennen - doch der Name war schon von Mitsubishi besetzt
Ab 6.995 D-Mark ging es los
„Der weltweite Verkaufserfolg des Ford Mustang, dessen Produktion 1964 begann, führte in Europa und Fernost zu zahlreichen Varianten der sogenannten Pony-Cars. Eine davon war der Capri. Ford Europe wollte jedoch ein preisgünstiges Fahrzeug mit solider Großserientechnik, einer kleineren Karosserie und einem niedrigeren Verbrauch auf den Markt bringen. Mit der eleganten, langgestreckten Form des Capri und seinem knackig-kurzen Heckteil entstand ein mittelgroßes, sportlich auftretendes Coupé mit Platz für vier Personen samt Gepäck. Es sollte in Europa an den US-Erfolg des Mustang anknüpfen. Das Standard-Modell mit 1,3-Liter-Vierzylindermotor war mit serienmäßiger Ausstattung bereits für 6.995 DM zu haben.
Dem Kunden standen drei Ausstattungsvarianten L, X und R sowie eine Palette von sieben Motoren zur Auswahl: ab 1300 ccm mit 50 PS bis zu 150 PS bei dem im September 1970 vorgestellten Top-Modell Capri 2600 RS (V6-Kugelfischer-Einspritzer), das man als echtes "muscle car" bezeichnen kann. In den Jahren 1969 bis 1971 war der ab ca. 8.000 DM erhältliche 1700 GT mit 75 PS die Variante als V4-Motor mit der in Deutschland höchsten produzierten Stückzahl“, erklärt Gerhard Weinfurter vom Capri-Club.
Ford, die Clubszene und die Capri-Community feierten im Jahr 2019 das 50. Jubiläum des Sportcoupés bei Ausstellungen, Messen und Klassiker-Rallyes.
Capri-Kenner Gerhard Weinfurter: „Dieses Jubiläum hat wohl maßgeblich zu der signifikanten Wertsteigerung des Capri I im Zeitraum 2018-2022 beigetragen, wobei das in gutem Zustand bereits hochpreisige, oberhalb von 50.000 Euro gehandelte Topmodell Capri 2600 RS nur noch verhaltene Wertzuwächse verzeichnet. In fünf Jahrzehnten hat der Capri nichts von seiner Anziehungskraft verloren und ist zu einem begehrten Klassiker und Sammlerfahrzeug geworden. Auch die Tatsache, dass es keinen wirklichen Nachfolger des Ford Capri gab, trägt sicherlich zum Erfolg bei.“
Werbeaufnahmen am Strand: Ford Capri 1700 GT im Jahr 1969
Power-Buckel für den Sechszylinder
Die erste Modell-Generation, intern Capri ’69 bzw. Capri I (1969-1973), wurde am 21. Januar 1969 auf dem Brüsseler Automobilsalon offiziell präsentiert. Am 5. Februar erfolgte die zeitgleiche Markteinführung in 14 europäischen Ländern. Das Fahrwerk wurde vom englischen Ford Cortina übernommen, die Motoren zum Teil vom deutschen Ford Taunus. Insgesamt standen fünf Modellvarianten zur Markteinführung zur Wahl: Capri 1300 (50 PS ), Capri 1500 (60 PS), Capri 1700 GT (75 PS), Capri 2000 (85 bzw. 90 PS), Capri 2300 GT (108 PS) – bis 1,7 Liter Hubraum in V4-, darüber in V6-Formation. Kenner identifizierten die Sechszylindermodelle am „Power-Buckel“, einer verräterischen Ausbuchtung in der Motorhaube. Hergestellt wurde der Capri in den britischen Werken Dagenham und Halewood, im belgischen Genk und in den deutschen Ford-Fabriken Saarlouis und Köln. Der Fertigungslauf des Capri begann bereits im November 1968 in Köln und England (Halewood), dort mit Motoren aus dem britischen Ford-Programm.
Ab September 1972 wurde das Fahrzeug als Capri ’73 in überarbeiteter Form mit Rechteck- oder Doppelscheinwerfern, Blinkern in den Stoßstangen und vergrößerten Heckleuchten, geänderten Sitzen und einem komfortabler ausgelegten Fahrwerk angeboten. Die V4-Motoren wurden durch 1,3- und 1,6-Liter-Reihenvierzylinder aus dem Taunus ersetzt - und auch der britische 3,0-Liter-V6 war für die deutschen Capri-Modelle optional lieferbar. Der 2,0-Liter-Reihenvierzylinder wurde nur noch in Exportversionen verbaut.
Davon wurden allein 784.000 Einheiten in Deutschland gebaut, von denen 540.000 Exemplare exportiert wurden, unter anderem auch in die USA. 1973 war mit 233.000 verkauften Exemplaren das erfolgreichste Jahr für die Baureihe. Im August 1973 lief der einmillionste Capri im Werk Saarlouis vom Band, ein Capri 2600 RS, der anschließend unter den Hörern von Radio Luxemburg verlost wurde.
Arbeitsplatz eines Capri-Fahrers 1969: Lenkrad und übersichtliches Armaturenbrett
Weniger als 50 Cabrios
Nachdem die Verkaufszahlen des Capri ’73 trotz der ab September 1972 vorgenommenen Modellüberarbeitung stetig zurückgingen, war eine erneute Überarbeitung dringend erforderlich. Der Verkauf der zweiten Modell-Generation, des Capri II ’74 / ’76 (1974–1977) startete im Februar 1974 während der ersten Ölkrise. Die größte Modelländerung dieser Weiterentwicklung des Capri I bestand in der Einführung einer Heckklappe und vergrößerter Glasflächen.
Der Zweier hatte die geringste produzierte Stückzahl aufzuweisen. Im März 1978 debütierte auf dem Genfer Salon die dritte Modell-Generation als Capri II ´78/ Capri III (1978–1986), inoffiziell gern als Capri III bezeichnet. Es handelte sich um eine stark überarbeitete Variante des Capri II ’74 und stellte eine gründliche Modellpflege der zweiten Generation dar. Markant sind die neue Frontgestaltung, das überarbeitete Heck und ein Motorenprogramm, das erst beim 1,6-Liter-Benziner beginnt.
Im Februar 1981 ersetzte der Capri 2.8 injection mit 160 PS den 3,0-Liter-Capri. Im Juli wird der 2,0-Liter-V6 eingestellt. Im gleichen Monat wird der Capri Turbo mit 2,8-Liter-Vergaser-Sechszylinder und 188 PS Leistung neues Spitzenmodell. Noch im ersten Verkaufsjahr erreichte der Capri 2,8 i einen Anteil innerhalb der gesamten Modellreihe von mehr als 20 Prozent.
Die Produktion des 38.000 DM teuren Capri 2,8 Turbo ab Juli 1981 war allerdings auf 200 Exemplare limitiert, weshalb sie bereits Mitte 1982 beendet wurde. Im April 1985 wurde der Capri vom deutschen Markt genommen, nachdem die Produktion der Linkslenker schon im November 1984 endete. Die Fertigung in Köln beschränkte sich seitdem auf rechtsgelenkte Modelle für den britischen Markt, wo man auf den Capri noch nicht so schnell verzichten wollte. Denn auch in Dagenham wurde das Auto inzwischen nicht mehr produziert. Mit der endgültigen Einstellung der Fertigung am 19. Dezember 1986 rollte der 1.886.647. Capri in Köln vom Band. Davon entfielen 58 Prozent bzw. rund 1,1 Millionen Exemplare auf den Capri I.
Der Capri RS 2600 mit 2,6 Liter V6 und 150 PS
Von 2,3-Liter-Turbo bis Fünfliter V8: die Capri I-Sondermodelle
• Als „Kultauto“ gilt in erster Linie der im September 1970 erschienene und bis zum Ende der Baureihe im Dezember 1973 gebaute Ford Capri RS 2600 in einer neuen 2,6-Liter-Version des Kölner V6 mit einer mechanischen Kugelfischer-Einspritzung und 150 PS. Dieses Modell diente Ford als Basis für diverse Rennsportmodelle.
• Das Kölner Karosseriewerk Karl Deutsch bot bis 1972 Cabriolet-Umbauten des Capri an. Insgesamt waren es weniger als 50 umgebaute Capri.
• Schon 1970 gab es einen Capri I mit einem May-Turbolader. Auf Basis des 2300 GT sowie 2600 GT entwickelt der Ingenieur Michael May eine Turbo-Kit-Version, die über Ford-Händler wie die Schwabengarage vertrieben wurde. Dieser Capri mit 2,3-l-Motor, serienmäßig 108 PS, leistete bei einem Ladedruck von 0,5 bar 180 PS. Die gleiche Anlage in einem 2,6-Liter mit 125 PS ließ diesen auf 207 PS erstarken. Sondermodelle ab Werk wurden unter anderem von der britischen Ford-Tochter angeboten.
• Ford Südafrika importierte ab April 1970 ebenfalls den Capri, vorzugsweise als 3.0 GT. Etliche dieser Capri wurden vom ortsansässigen Spezialisten Basil Green Racing mit dem Fünfliter-V8 von Ford USA ausgerüstet; diese sogenannten Perana Capri traten mit einigem Erfolg in der südafrikanischen Tourenwagenmeisterschaft an und holten den Titel der Saison 1970, ehe sie von den Veranstaltern ausgeschlossenwurden. Die Produktion des Capri Perana übernahm Ford of South Africa selber. 1972 endete die Produktion allerdings wieder.
Blaulicht auf dem Dach: Polizei-Version des Capri
Ford Capri I: Stärken und Schwächen
Pluspunkte Ford Capri I
• Robuste, überwiegend einfache, bei entsprechender Wartung zuverlässige Großserientechnik
• Bei Motoren und Getrieben keine nennenswerten Schwachstellen
• Simple Technik, Schrauber freundlich für Einsteiger
• Hinreichende Versorgung mit Nachbau-Ersatzteilen
• Verschleiß- und Technikteile i.d.R. problemlos zu finden, weil in vielen Ford-Modellen baugleich
• Unterstützung bei Ersatzteilen durch Capri-Clubs wie z.B. den Capri Club Deutschland sowie durch spezielle Ersatzteilanbieter, z.B. Motomobil in München
• Steigende Wertentwicklung
Schwachpunkte Ford Capri I
• Zunehmend angespannte Versorgung mit Originalersatzteilen
• Blechteile sind rar, Nachfertigungen bei Qualität und Passgenauigkeit oftmals nicht zufriedenstellend
• Bei höherer Km-Laufleistung insbesondere anfällige Novotex-Stirnräder des Nockenwellenantriebs
• Karosserie unzureichend gegen Korrosion geschützt
Capri-Werbung der 70er
Technische Daten der Basisversion
Motor: vorn liegender Vierzylinder Viertakt Motor, Zylinderanordnung in V Form 60° (OHV)
Hubraum: 1288 ccm
Leistung: 37 kW/50 PS bzw. 40 kW/55 PS oder 40 kW/54 PS
Beschleunigung: von 0 auf 100 km/h in 22,7 Sekunden
Verbrauch: 8,6 Liter auf 100 km Normalbenzin
Höchstgeschwindigkeit: 133 km/h
Maße (Länge/Breite/Höhe): 4303 x 1645 x 1330 mm
Leergewicht: 875 kg
Kraftstoffbehälter: 48 Liter (ab 5/1969: 62 Liter)
Das OCC-Magazin bedankt sich beim Ford Capri Club Deutschland e.V. 1990 für die fachliche Beratung und freundliche Unterstützung. (dr)
Fotos: Ford-Werke GmbH | zwischengas.com
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:
Erfolgsstory OttoChrom: Warum verleihen so viele Menschen ihren Oldtimer?
8. Juni 2023Das Oldtimer-Verleihgeschäft boomt. Wir haben mit den Gründern der erfolgreichen Plattform OttoChrom gesprochen.
Mehr erfahrenDr. Ulf Poschardt:
Meditation mit
V12-Sinfonie
18. November 2021
Er ist einer der bekanntesten Journalisten des Landes und leidenschaftlicher Liebhaber von automobilen Klassikern: "Welt"-Chefredakteur Dr. Ulf Poschardt erzählt in unserem Fragebogen „Alte Liebe rostet nie“ von Reifenplatzern bei Tempo 200, Hollywood-Produzenten und Sinfonien in V12.
Mehr erfahrenJetzt Newsletter abonnieren!
Kennen Sie schon unseren Newsletter?
Hat Ihnen der Artikel über den Ford Capri gefallen? Dann abonnieren Sie doch einfach unseren Newsletter und lesen Sie wöchentlich neue Geschichten aus der Klassiker-Community.