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Elektro-Umbau eines Volvo 850:
Wenn der Diesel plötzlich stromert

Volvo Front
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Vergessen Sie das Brummen, Grummeln und Nageln eines alten Volvo 850 Diesel und stellen Sie sich einfach vor, wie das schwedische Stahlross plötzlich schweigt, dann säuselt, surrt und summt…
Kann man in einen Oldtimer oder Youngtimer so einfach ein Elektroherz verpflanzen?

Dr. Udo Kessler
aus dem kurpfälzischen, zwischen Mannheim und Heidelberg gelegenen Ilvesheim sagt: „Es funktioniert!“ Denn: Der passionierte Volvo-Fan und Geschäftsführer einer Werbeagentur rettete einen Volvo 850 Kombi mit Motorschaden, indem er ihm das elektrische Herz eines Unfall-Nissans spendierte.
Wie die aufwändige, aber lebenserhaltene Intensiv-OP am offenen Herzen gelang und wie es dem Risiko-Patienten Volvo 850 jetzt geht, lesen Sie hier im Erfahrungsbericht von Udo Kessler.

VO Seite 1

Es begann mit einem Volvo-Oldie aus Holland

Mein erster Volvo war ein V70 in Silber, Baujahr 1998. Seitdem lasse ich nichts auf die Marke kommen. Etwa um das Jahr 2011, als ich 50 geworden bin, beginne ich mich auch für Volvo-Oldtimer zu interessieren. Es dauert nicht lange, und es steht ein Volvo 265 Diesel (Baujahr 1980) vor der Tür. Die US-Version mit Doppelscheinwerfern habe ich in den Niederlanden gekauft.

Ich sammele erste Schrauber-Erfahrungen und hege und pflege das Fahrzeug. Doch etwa um das Jahr 2020 infiziere ich mich dem E-Mobilitätsvirus: Einen „Diesel-Stinker“ zu fahren, wird für mich schließlich zum „No Go“. Doch da ich weiterhin zumindest einen Youngtimer nutzen will, kommt für mich ein neues Elektrofahrzeug nicht in Frage. Inspiriert von den Pionieren auf der Plattform openinverter.org/forum reift der Entschluss, einen Volvo auf Elektro umzubauen.

Ich verkaufe den 265er. Der Erlös von 11.000 Euro bildet das Startbudget für das Umbauprojekt. Die Wahl fällt auf einen Volvo 850 Kombi, Baujahr 1993 mit Motorschaden. Das passt zu meiner Absicht, einem Bestandsfahrzeug ein zweites Leben zu schenken – und zwar möglichst mit gebrauchten Komponenten. Deshalb steht kurze Zeit später ein weiteres Fahrzeug vor der Garage – ein verunfallter Nissan Leaf, Baujahr 2016.

Aus dem Leaf entnehme ich die Antriebsbatterie (30 kWh, State of Health 91%), das Batteriemanagementsystem, den Elektromotor (Leistung 80 kW) sowie den Wechselrichter, diverse Kabel und Steckverbinder. DC/DC-Wandler und 11 kW-Ladegerät stammen aus einem Tesla Model S, Baujahr 2015; die 5 kW-Hochvolt-Heizung aus einem Range Rover, Baujahr 2018. Darüber hinaus setze ich den Second-Life-Ansatz auch bei den Zusatzkomponenten um. So werden etwa gebrauchte elektrische Vakuum- und Ölpumpen für Bremskraftverstärker und Servolenkung verbaut.

Die Antriebsbatterie ist im Fahrzeug auf drei Batterieboxen verteilt. Die schwerste befindet sich im Heck. Der Volvo erhält daher verstärkte Federn und wird 30 Millimeter höher gelegt. Da eine Box auch im Motorraum untergebracht ist, verändert sich die Gewichtsverteilung nur marginal. Im Vergleich zur Ursprungsversion ist der Volvo jetzt zwar 78 Kilogramm schwerer, aber die Zuladung ist mit 442 Kilogramm immer noch komfortabel. Der Einsatz des Volvos ist durch den Umbau daher in keiner Weise beeinträchtigt.

An einigen Punkten muss ich allerdings Abstriche machen: Zwar ist das Drehmoment des Volvo 850 electric mit 254 Newtonmeter höher als im Volvo 850 GLE (204 Nm). Aber Höchstgeschwindigkeit (130 km/h) und Reichweite (120 km) liegen deutlich unter den Werten des Benziners.

Da ich an der heimischen Wallbox lade, bin ich nicht auf öffentliche Ladesäulen angewiesen. Ich brauche daher keine Schnelllade-Möglichkeit (CCS), und auch mit einer Ladedauer von etwa zwei Stunden in meiner Garage komme ich gut klar. Keine Frage, der Volvo 850 electric ist weder ein besonders sportliches noch Reichweiten starkes Fahrzeug. Es eignet sich aber sehr gut für den täglichen Einsatz. Ich denke, mein Fahrprofil ist nicht untypisch. Daher ist der Ansatz auf viele andere Autofahrer und Modelle übertragbar.

In den Umbau habe ich 18.000 Euro investiert (mehrere hundert Stunden meiner Zeit nicht mitgerechnet). In dieser Summe sind die Komponenten und einige erforderliche Werkzeuge enthalten, aber auch Know-how, das ich eingekauft habe. Denn für ein solches Projekt braucht ein Durchschnittsschrauber wie ich auf jeden Fall Unterstützung. Realisiert habe ich das Projekt mit einem Mechanik- und mit einem Software-Experten, die selbst schon Fahrzeuge umgebaut haben. Zusätzlich zu den 18.000 Euro sind weitere 3.000 Euro in den Volvo geflossen, zum Beispiel für mechanische Neuteile, neue Kotflügel und eine neu lackierte Heckklappe. Schließlich hatte der Volvo GLE bereits 300.000 Kilometer auf dem Tacho.

Aus diesen Zahlen wird klar: Ein solches Projekt erfordert in jedem Fall ein gewisses Maß an Idealismus oder anders formuliert: Unter reinen Kosten-/Nutzen-Aspekten lohnt sich ein solches Projekt nicht.

Dennoch bin ich heute stolz wie Bolle, weil der Volvo zuverlässig läuft und weil ich damit einen kleinen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leiste. Denn wenn ich richtig gerechnet habe, reduziere ich meinen ökologischen Fußabdruck mit dem Volvo 850 electric um 7,8 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht einem wesentlichen Anteil des durchschnittlichen CO2-Abdrucks in Deutschland von 11,2 Tonnen pro Person und Jahr.

Aus Gesprächen mit befreundeten Oldtimer-Fans und Schraubern weiß ich, dass viele mit dem Gedanken eines Umbaus liebäugeln. Aber sie wissen nicht, ob sie sich das zutrauen können und wie so ein Umbau im Detail abläuft. Daher habe ich zusammen mit zwei Co-Autoren mein Umbauprojekt in einem Buch dokumentiert. Nach der Lektüre sollte jeder Leser, jede Leserin, wissen, was auf sie/ihn zukommt. Auf dieser Basis kann man dann eine Entscheidung für oder gegen ein solches Projekt treffen.

Ach ja, wer ein solches Projekt dann tatsächlich angeht, steht am Ende natürlich vor der Frage: Wie und wo versichern? Ich habe dazu einfach in einer Suchmaschine „Versicherung Elektroumbau“ eingegeben und bin sofort auf OCC gestoßen. Die erforderlichen Informationen waren schnell eingegeben, so dass unmittelbar ein Jahresbeitrag errechnet wurde. Ein absolut wettbewerbsfähiges Angebot, wie ich nach dem Vergleich mit anderen Anbietern festgestellt habe. Daher habe ich es auch angenommen und mich für Haftpflicht, Teilkasko sowie Pannen- und Unfallschutz entschieden. Auf Grundlage des Wertes und der jährlichen Laufleistung meines Fahrzeugs bezahle ich nun jährlich insgesamt 174,50 Euro.

Informationen zum Buch gibt es hier
Tipps und Tricks zum Elektroumbau gibt es hier und hier
Fotos: Dr. Udo Kessler

Das Volvo 850-Umbauprojekt im Video

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