E-Motoren für Oldtimer:
Tüfteln unter Hochspannung
Die Umrüstung von Oldtimer auf E-Motor-Antrieb – kein Thema wird in der Klassiker-Szene derzeit so stark diskutiert. Immer mehr Firmen haben sich darauf spezialisiert, Liebhaberfahrzeuge auf emissionsfreie Elektro-Motoren umzubauen. Eine der ersten Adressen in Deutschland für diese schwierige und kostspielige Operation ist E-Cap Mobility in Winsen (Luhe). Wir haben die Hochspannungs-Spezialisten besucht.
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Das Geschäft surrt
Ein Gewerbegebiet in Winsen (Luhe), 40 km vor den Toren Hamburgs. Die Modediscounter Takko hat hier sein Zentrallager, ein paar Straßen weiter wird an der Zukunft der Mobilität getüftelt. Im modernen Flachbau mit zwei Hallen sitzt E-Cap Mobility. Die Firma hat sich auf die Umrüstung von Verbrennern auf E-Motoren spezialisiert. Nicht nur Nutzfahrzeuge oder Maschinen, auch Oldtimer bekommen hier einen sauberen Antrieb.
Das Geschäft brummt – oder besser gesagt surrt offenbar.
60 Mitarbeiter hat E-Cap Mobility – es sollen bald mehr werden. „Die Auftragsbücher sind voll, wir suchen händeringend neue Kollegen, unter anderem Kfz-Mechatroniker“, erzählt Leonie Behrens.
Die blonde Mittdreißigerin empfängt Besucher mit einem fröhlichen Lächeln. Nicht ohne Stolz führt sie durch die zwei 1500 Quadratmeter großen Produktionshallen: „Wir haben zehn Hebebühnen, eine Schlosserei, eine Montagewerkstatt und eine Lackiererei.“
Die Diplom-Ökonomin ist Chefin der Technologie-Firma* (Anmerkung siehe unten). Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als Marketing-Managerin, dann folgten Stationen als Kitesurf-Lehrerin weltweit, bis das Angebot von E-Cap Mobility kam.
Blick in die Montagehalle für Nutzfahrzeuge
Alles beginnt mit einem Traktor
Die Geschichte der Firma beginnt mit einer Anekdote:
Beim jährlichen Erntefest im September ein einem Dorf ein paar
Kilometer von Winsen entfernt, führte wie immer ein alter Traktor den
Umzug der Landfrauen an. Doch die Damen beschwerten sich immer öfter
über Qualm und Lärm des alten Gefährts, sie forderten, dass sich etwas
ändern müsse. Das führte zum Umdenken beim Eigentümer des Treckers.
Hobby-Traktorfahrer Dirk Lehmann hatte inzwischen einige Erfahrung mit
neuen umweltfreundlichen Technologien. Als Inhaber und Geschäftsführer
der Becker Marine Systems erfand er unter anderem ein
elektrisches Ruder für Cargo-Schiffe, das Diesel einspart. Ein Jahr
später stellte er auf dem Erntefest den Elektro-Traktor vor und stieß
nicht nur bei den Landfrauen auf Begeisterung.
Die Umrüstung des Traktors war für Dirk Lehmann der Startschuss für seine neue Firma E-Cap Mobility.
Viel Aufsehen erregte das 1. Projekt. In den berühmten De Lorean DMC-12 (Baujahr 1982) aus dem Kult-Film „Zurück in die Zukunft“ mit Michel J. Fox bekam verpflanzten die Niedersachsen ein Elektro-Herz. Motto wie in der Movie-Story: Vergangenheit mit Zukunft verbinden.
Inzwischen der Freund aller Landfrauen: Traktor Holder (Baujahr 1958) mit E-Motor. Mit ihm begann die Erfolgsgeschichte von E-Cap Mobility
Audi 100 beschleunigt bis auf 180 km/h
Inzwischen hat sich E-Cap Mobility auf verschiedene klimafreundliche
Antriebe spezialisiert. Ob Brennstoffzellen-System, Wasserstoff-Tank
oder Hochleistungs-Akku – überall tüfteln Fahrzeugbauer, Ingenieure und
Programmierer unter Hochspannung an neuen Lösungen, weil jedes Fahrzeug
individuell umgerüstet werden muss. Mal werden Linienbusse umgebaut, mal
Trucks, Pflastermaschinen, aber auch VW Bullis, Traktoren, VW Käfer,
Porsche Cabrios oder ein Audi Coupé 100 im stilechten orange der 1970er
Jahre.
Der Audi hat eine Motorleistung von bis zu 80 kW, erreicht damit respektable 180 km/h (Reichweite ca. 225 km). Die Batterien können innerhalb vier Stunden wieder aufgeladen werden. Der Fahrer den Zustand des E-Antriebs immer im Blick: Zur original Optik passende Rundinstrumente zeigen den Ladezustand und weitere relevante Parameter an. Auf Kundenwunsch gibt’s das auch als App aufs Smartphone.
Flotte Orange: Audi 100 Coupé mit 50 kW Elektromotor.
Umbau kostet bis zu 150.000 Euro
So viel Hightech spiegelt sich auch im Preis wider. „Ab 40.000 Euro etwa geht es los, ein kompletter Umbau eines Oldtimers auf E-Antrieb kostet so bis zu 150.000 Euro“, erzählt Firmen-Chefin Behrens.
Die Finanzierung sei für die Kunden nicht das Problem, eher die
Geduld. Durch die Pandemie herrscht Mangel an wichtigen Bauteilen aus
China. Bis zu vier Monate beträgt derzeit die Wartezeit für bestimmte
Akkuzellen.
Wer nicht so lange warten will, aber trotzdem schon einmal E-Motor-Feeling schnuppern will, kann derweil zu einem
eRider Pedelec (1.450 Euro) aus dem firmeneigenen Shop greifen - und radeln. (dr)
*Update (Dezember 2021): Leonie Behrens ist inzwischen Head of Marketing & Communication bei Clean Logistics in Hamburg, das Unternehmen rüstet Diesel-Busse und Lkw auf Wasserstoffantrieb um.
Fotos: E-Cap Mobility
Ohne Flux-Kompensator, aber mit E-Power: De Lorean DMC-12, Made in Winsen (Luhe).
Fotos: E-Cap Mobility
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