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Diesel, Leidenschaft & Patina: Warum alte Traktoren immer beliebter werden

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Von DORIAN RÄTZKE
Sie tuckern gemächlich über Landstraßen, tragen Spuren harter Arbeit und erzählen Geschichten aus einer anderen, weniger hektischen Zeit: Historische Traktoren sind längst mehr als nur alte Maschinen – sie sind rollende Erinnerungen, technisches Kulturgut und für viele Sammler sowohl Lebensgefühl als auch echte Wertanlage. 
Doch was macht die Faszination dieser urigen Arbeitstiere aus? Denn sie eignen sich weder für den Fahrspaß auf der Landstraße – noch für flotte Beschleunigungsorgien auf der Autobahn. Auch spontane Urlaubstrips nach Südeuropa oder der spektakuläre Auftritt vor dem Lieblingsitaliener in der City scheiden wohl aus …
Faszination Traktor – ist es die pure Technik, die gewaltigen Motoren? 
Warum erzielen manche Modelle Höchstpreise, während andere noch echte Geheimtipps sind? Und wie entwickelt sich die Sammler-Szene? 
Alexander Bank, Chefredakteur der Traktoren-Fachzeitschrift *Schlepper Post*, gibt hier spannende Einblicke in die Welt der historischen Schlepper. 
Nach der Lektüre wird wohl mancher Skeptiker seine Meinung über Traktoren auf den Prüfstand stellen müssen.

Imposante Technik: Großveranstaltungen wie das Treffen in Nordhorn bieten den besten Überblick über die Alt-Traktor-Szene in Deutschland.

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Gegenentwurf zum hektischen Alltag

OCC: Was macht alte Traktoren für Sammler so faszinierend? Liegt es an der Technik, der Geschichte oder eher an emotionalen Erinnerungen?

Alexander Bank: „Der alte Traktor ist nicht schnell, er wird nicht von Elektronik gesteuert, er ist ‚durchschaubar‘, was seine Konstruktion und Funktion betrifft. Damit ist er für viele Menschen ein Gegenentwurf zum hektischen und anspruchsvollen Alltag. Viele Traktoren sind technisch genügsam, die Wartung und Pflege ist zwar wichtig, aber nicht allzu anspruchsvoll und für handwerklich Begabte kein Problem. Und wer die größeren Herausforderungen liebt, kann sich mit einer Restaurierung befassen, deren Anspruch natürlich keine Grenzen hat.  

Darüber hinaus spielen natürlich Erinnerungen eine große Rolle: Wer auf dem Land aufgewachsen ist, hat die Kindheit mit Traktoren verbracht und verbindet die Maschinen mit Erinnerungen. Ein Leser der Schlepper Post beispielsweise hatte eine Molkerei in der Nachbarschaft und konnte die Schlepper schon als Kleinkind am Klang erkennen. Heute hat er sich eine Sammlung mit genau den Traktoren aufgebaut, die damals am Fenster vorbeifuhren.    

Welche Marken oder Modelle sind besonders begehrt? Gibt es bestimmte Traktoren, die auf Auktionen Höchstpreise erzielen (vielleicht mit Beispielen)?

„Das Auktionshaus Sotheby’s versteigert regelmäßig Porsches kleinsten Traktor, den Junior, in einem Atemzug mit 911ern und 356ern und erzielte schon 45.000 Euro für den 15-PS-Schlepper. Ein vergleichbarer Traktor von Deutz oder Hanomag ist in sehr gutem Zustand für ein Viertel zu haben. Für den größten Porsche, den 50-PS-Master, werden bis zu sechsstellige Summen verlangt. Diese Preise funktionieren nur bei Sportwagenherstellern, die in den Anfangsjahren auch Traktoren bauten. Lamborghini ist ein vergleichbarer Fall. Eine Sonderstellung anderer Art hat der Unimog, der im Gegensatz zu Schleppern zwar für den Agrar-Einsatz konzipiert wurde, aber bequemer und schneller ist, daher als „Freizeitfahrzeug“ geschätzt wird und so höheren Marktwert hat als reine Traktoren. Grundsätzlich gilt: Wurde ein Traktor als Neufahrzeug bewundert, ist er es heute interessant. Die Topmodelle der 60er und 70er-Jahre, besonders große Sechszylinder-Modelle oder Allradler von Fendt, Eicher, Hanomag und IHC mit guter Ausstattung, sind besonders begehrt und entsprechend teuer."

Diese Traktoren erzielen Höchstpreise auf Auktionen

Sechsstellige Summen für Porsche 50-PS-Master
„Das Auktionshaus Sotheby’s versteigert regelmäßig Porsches kleinsten Traktor, den Junior, in einem Atemzug mit 911ern und 356ern und erzielte schon 45.000 Euro für den 15-PS-Schlepper. Ein vergleichbarer Traktor von Deutz oder Hanomag ist in sehr gutem Zustand für ein Viertel zu haben. Für den größten Porsche, den 50-PS-Master, werden bis zu sechsstellige Summen verlangt. Diese Preise funktionieren nur bei Sportwagenherstellern, die in den Anfangsjahren auch Traktoren bauten. Lamborghini ist ein vergleichbarer Fall.“

Deutschland hat ausgeprägte Traktor-Szene

Wie hat sich die Szene der Traktorsammler in den letzten Jahren entwickelt? Sind junge Sammler nachgerückt, oder dominiert eher eine ältere Generation?

Alexander Bank: „Traktoren wurden in den 80er-Jahren langsam zu Sammlerstücken. Die Gründe waren dabei nicht anders als heute, nur die Objekte waren andere: Vorkriegstraktoren von Lanz und Hanomag mit archaischer Technik wurden gesammelt, heutige „Oldtimer“ waren in dieser Zeit noch Alltagsfahrzeuge und entsprechend uninteressant. In den letzten Jahren hat sich die Aufmerksamkeit eher auf die 60er- und 70er-Jahre verlagert, weil die Sammler jünger werden und mit diesen Schleppern mehr verbinden. Die derzeit spannende „Generationsfrage“ ist der Umgang mit den Traktoren der Elektronik-Generation, also aus den 90er-Jahren: Eine Restaurierung als Freizeit-Projekt ist wegen der technischen Ansprüche kaum noch möglich. Ich schätze daher, dass sich die Szene auch weiterhin auf die Zeit bis zu den 1980er-Jahren konzentrieren wird. „

Welche Herausforderungen gibt es bei der Restaurierung historischer Traktoren? Wie schwierig ist es, Ersatzteile zu bekommen? 

„Wie in Pkw-Oldtimer-Bereich gilt die Faustformel: Je verbreiteter ein Traktor war, desto einfacher ist auch heute noch die Restaurierung. Für Schlepper renommierter Marken wie Deutz, Eicher, Lanz, Hanomag, IHC oder Fendt gibt es heute vielfach nachgefertigte Teile, eine Menge technische Literatur und viele Sammler, die ihre Erfahrungen gerne weitergeben. Wer die Herausforderung liebt, kann sich auch an Traktoren aus dem Ausland oder an Kleinserien-Nachkriegsschlepper wagen. Da wird die Suche nach Teilen oder Gleichgesinnten dann schon mal zum Geduldsspiel über Jahre.“ 

Gibt es regionale Unterschiede oder bestimmte Bundesländer oder auch Länder (Europa wie Österreich, Holland oder Schweiz), in denen die Traktorsammlung besonders populär ist?

„In Deutschland sind Regionen mit starker Landwirtschaft besonders Alt-Traktor-lastig und hier gibt es auch die renommiertesten Veranstaltungen. Generell gilt: Je weiter die nächste Großstadt entfernt ist, desto lebendiger ist das Traktor-Hobby. Deutschland hat im Vergleich zu den Nachbarländern eine ausgeprägte Traktor-Szene, die ostdeutschen Bundesländer holen gerade mächtig auf.  Aber auch in der Schweiz, Österreich und den Benelux-Staaten gibt es viele Sammler und hochwertige Veranstaltungen. In Frankreich oder England ist die Szene anders aufgebaut: Hier gibt es mehr Vereine, die sich auf einzelne Marken konzentrieren und deren Sammler unter sich bleiben.“ 

Der gut 100 Jahre alte Lanz HL-Einzylindertraktor ist ein Dinosaurier der Landtechnik und wurde schon von der ersten Generation der Traktorliebhaber in den 1980er-Jahren gesammelt.

Gebrauchsspuren werden bewusst konserviert

Welche Rolle spielt die Originalität bei historischen Traktoren (Stichwort Patina)? Wird viel Wert auf authentische Restauration gelegt, oder gibt es auch kreative Umbauten?

Alexander Bank: „Da gibt es in den letzten Jahren einen „Kulturkampf“: Die Hochglanz-Restaurierung wird immer öfter abgelöst durch das bewusste Konservieren von Gebrauchsspuren. Wohlgemerkt: Wir reden dennoch von aufwändiger Pflege und sehr gutem technischen Zustand. Die „kreativen Umbauten“ sind höchst umstritten, denn hierbei ist der Traktor ja kein Gegenstand mit Geschichte mehr, sondern ein dem Besitzer angepasstes, „aktualisiertes“  Fahrzeug. Daher stoßen solche Umbauten selten auf Begeisterung der Traktorfreunde.“ 

Traktoren sind Arbeitstiere – gibt es Sammler, die ihre Oldtimer noch im Alltag oder bei Veranstaltungen einsetzen?

„Ein alter Schlepper ist auch heute noch ein echtes Arbeitsgerät, er kann den Grünschnitt transportieren oder beim Holzmachen eingesetzt werden und zählt daher abseits der Städte noch zum Straßenbild. In den letzten Jahren ist noch eine Funktion dazugekommen: Schlepperfreunde fahren auf eigener Achse zum Nordkap oder ans Mittelmeer, immer auf beschaulichen Nebenstraßen und im gemütlichen Tempo. Bei Veranstaltungen können Schlepperbesitzer den Pflug anspannen oder einen Baumstamm ziehen, um die Grenzen ihrer Fahrzeuge auszutesten. Dazu gibt es in den letzten Jahren immer mehr kleine, oft privat organisierte Ernte- oder Pflug-Veranstaltungen, bei denen die alte Technik dann „ernsthaft“ eingesetzt werden kann." 

Welche Veranstaltungen oder Treffen sind für Traktorsammler besonders wichtig? Gibt es Highlights, die man als Oldtimer-Fan nicht verpassen sollte?

„Da fällt sofort das Wort „Nordhorn“ ein: Die dortigen historischen Feldtage haben einen schon fast legendären Ruf und ziehen regelmäßig Zehntausende von Besuchern an, weil hier eine enorme Bandbreite von Schleppern zu sehen ist. Gerade für Einsteiger sind aus diesem Grund auch große Schleppertreffen wie in Oyten (Niedersachsen), im bayrischen Hallbergmoos bei München, Brokstedt (Schleswig-Holstein) oder in Leipzig empfehlenswert. Der Veranstaltungskalender der Schlepper Post führt für jede Region Treffen auf, die interessante Einblicke ins Schlepperhobby geben.“ 

Wie wichtig ist eine gute Versicherung für historische Traktoren? Welche Risiken gibt es speziell für diese Fahrzeuge?

„Eine Schlepperversicherung ist dann gut, wenn es dort auch die Klassiker-Experten mit einer Verbindung zur Traktor-Szene gibt. Im Schadensfall ist eine Erleichterung, wenn man nicht erst erklären muss, dass der alte Traktor kein altes Gebrauchtfahrzeug, sondern ein Liebhaberstück ist. Immer wichtiger wird das Thema Diebstahl: Alte Schlepper werden in den letzten Jahren vermehrt gestohlen. Da helfen dann eine gute Versicherung und ein aktuelles Wertgutachten enorm.“ 

Wenn Sie einem Neueinsteiger einen Tipp geben müssten: Worauf sollte man beim Kauf eines historischen Traktors besonders achten? Wie unterscheiden sich Anschaffung und Unterhalt vom Erwerb eines automobilen Klassikers (Oldtimer, Youngtimer)? 

„Neben den grundsätzlichen Fragen nach dem Budget, der Zeit und dem Platz zum Abstellen und Warten des Traktors sind Kontakte enorm wichtig. Ich habe in diesen Tagen Kontakt mit einem Schlepperfreund, der jahrelang bei Treffen unterwegs war und dabei den Beinamen „Mann ohne Traktor“ bekam. Er hat das sehr schlau gemacht: Irgendwann hatte er genug Grundwissen gesammelt und Sammler kennengelernt. Dann hat er seinen ersten Traktor gekauft und ist jetzt glücklich damit. Gängige Alt-Schlepper wie kleine Deutz, Hanomag, IHC oder Fendt sind im Unterhalt erschwinglich, Versicherung und Steuern sind überschaubar und kleine Reparaturen können selber erledigt werden. Man muss sich also nicht in horrende Kosten stürzen – aber man kann es natürlich: Es gibt also deutliche Parallelen zu Pkw-Oldtimern …“

Haben Sie auch einen Lieblingstraktor, einen Favoriten? Wenn ja, welchen und warum dieses Modell? 

"Mich faszinieren alle alten Traktoren, die Geschichten erzählen: Das Foto aus den 1960ern, das den Schlepper bei der Rübenverladung zeigt, der originale Kaufvertrag, der in einer Schublade überlebt hat, der vergilbte Händlerstempel auf der Motorhaube oder die Spuren der engen Hofeinfahrt an den Kotflügeln. Abgesehen davon: Mein Oldtimer-Herz gilt dem Land Rover der Serien II und III, aber auch für die gab es ja landwirtschaftliche Anbaugeräte …"

Herzlichen Dank für das Gespräch. (dr)

Fotos: Alexander Bank | Schlepper Post

Mehr Infos zum Fachmagazin "Schlepper Post" finden Sie hier

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