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Benzin und Diesel immer teurer:
Darf mein Oldtimer Heizöl tanken?

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1,80 Euro, 1,90 Euro, 2 Euro, 2,20 Euro... Die Spritpreise klettern immer weiter in die Höhe, jede Woche wird ein neuer Negativ-Rekord gebrochen. Ein Ende scheint nicht in Sicht. Einige Gründe für den Preisanstieg: der Ukraine-Krieg, der starke Dollarkurs, Sanktionen, die CO2-Abgabe (8 Cent pro Liter), Steuern (Zweidrittel des Preises sind Steuern und Abgaben). Deswegen werden derzeit auch in der Oldtimer-Szene Alternativen zu herkömmlichen Kraftstoffen heiß diskutiert. Experte Dr. Christoph Rohbogner, Leitung Tribologie bei der OELCHECK GmbH, beantwortet die wichtigsten Fragen, was alten Motoren zugemutet werden kann und was man auf keinen Fall in den Tank füllen sollte.

Kann man jetzt mit Heizöl tanken?

Dr. Christoph Rohbogner: "Heizöl ist wie Dieselkraftstoff ein Mitteldestillat. Insbesondere zwischen Sommerdiesel und Heizöl ist fast kein Unterschied in der Zusammensetzung. Das Entscheidende ist: Diesel für Kraftfahrzeuge nach EN 590 wird dezidiert für den Betrieb von Verbrennungsmotoren beschrieben, Heizöl EL nach DIN 51603-1 wird für die Verwendung in Brennern spezifiziert. Somit sind für Heizöl motorische Parameter wie Zündverzug (Cetanzahl, CZ) nicht relevant. Dennoch ist der für Heizöl EL spezifizierte Siedeverlauf weitgehend mit dem für Diesel identisch. Somit würde ein Einsatz im Fahrzeug theoretisch und technisch möglich sein. Insbesondere ältere Fahrzeuge mit mechanischer Einspritzung (Hubkolben oder Verteiler EP – kein Common Rail) können mit „minderwertiger“ (nicht EN 590) Kraftstoffqualität umgehen. Ein etwas höherer Zündverzug macht hier z.B. nichts aus. Auch sind keine komplexen Abgasnachbehandlungssysteme wie z.B. Partikelfilter verbaut. Das Heizöl von Heute ist übrigens deutlich besser als der Dieselkraftstoff vor 40 und mehr Jahren!"

Stimmt es, dass die Verwendung von Heizöl Einfluss auf die Qualität des Motoröls haben kann?

Dr. Rohbogner: "Ja. Der Schwefelgehalt im Heizöl ist nach wie vor bis zu 5 Mal höher als in Diesel. Dieser Schwefel wird in der Verbrennung in Schwefelsäure umgewandelt und über Blow-by ins Motoröl eingetragen. Dort muss es durch die alkalische Reserve (Basenzahl, BN) neutralisiert werden. Diese wird somit bei Verwendung von Heizöl zusätzlich gestresst, die Ölwechselintervalle verkürzen sich. Heizöl kann deutlich mehr PAKs (polyzyklische Aromaten) enthalten. Diese sorgen für eine stärker rußende Verbrennung im Dieselmotor. Wieder wird das Motoröl stärker gestresst, Detergentien, die normalerweise Verschmutzungen im Öl in feine Partikel auflösen und Dispergentien, die Partikel in Schwebe halten und zum Filter transportieren, müssen mit der zusätzlichen Rußmenge umgehen (können).

Neben diesem Nachteil spricht also nichts weiter gegen Heizöl im Dieseltank?

Dr. Rohbogner: "Doch: Heizöl ist gemäß Energiesteuergesetz in Deutschland steuerreduziert. Deswegen verbietet das Gesetz ausdrücklich die Verwendung zur Erzeugung von mechanischer Energie und damit in Fahrzeugen. Eine Verwendung in stationären oder mobilen Notstromdieseln ist zulässig, denn hier wird über einen Generator nur elektrische Energie erzeugt! Um die Steuerreduzierung kenntlich zu machen, wird Heizöl deshalb mit Markierungsstoffen versehen, man erkennt Heizöl an seiner roten Farbe. Wer dennoch Heizöl in sein Fahrzeug vertankt begeht, bereits Steuerhinterziehung (sog. Bereithalten), man muss dazu noch nicht einmal den Motor angelassen haben! Steuerhinterziehung ist eine Straftat! Der Zoll führt regelmäßig Kontrollen durch. Das Entfernen der roten Farbe haben schon viele versucht, auch das Mischen mit normalem Diesel, um die rote Färbung verblassen zu lassen, ist ein oft beschriebener „Trick“. Dazu muss man wissen: Neben dem offensichtlichen roten Farbstoff sind noch andere, unsichtbare Markierungsstoffe enthalten, die der Zoll im Labor problemlos nachweisen kann. Ganz klar: Hände weg!"

OELCHECK Laborgeraet klein

Geräte zur Partikelzählung von Ölen im Labor von OELCHECK

Einige Fahrzeugbesitzer behaupten, Salat-Öl ginge auch?

Dr. Rohbogner: "Wie für Heizöl gilt: technisch ist es durchaus bei älteren Dieselfahrzeugen (ohne Common Rail) möglich. Es gibt sogar eine DIN-Norm (DIN 51605), die Pflanzenöl als Kraftstoff beschreibt. Hier ist die erste Hürde: Das Salatöl aus dem Supermarkt wird nicht nach dieser Norm überprüft, denn es ist ja schließlich kein Kraftstoff, sondern ein Lebensmittel! Die Startfähigkeit des Motors bei kälteren Temperaturen (bereits unter +15°C) ist eingeschränkt. Die höhere Viskosität, sowie die Polarität der Komponenten sorgen für eine schlechtere Zerstäubung und damit eine schlechte Gemischbildung. Es wird beim Starten lange „georgelt“ und somit viel Kraftstoff eingespritzt, aber nicht verbrannt. Auch die Kaltlaufphase führt zu erhöhtem Kraftstoffeintrag durch z.B. Kondensationseffekte an der kalten Zylinderwandung. Dieser eingetragene Kraftstoff reichert sich wegen seinem hohen Siedepunkt im Motoröl an, man kann es nicht ausdampfen lassen, z.B. über eine längere Autobahnfahrt mit höheren Öltemperaturen. Dieser angereicherte Kraftstoff sorgt für Probleme: wie jedes Naturprodukt ist das Salatöl einem Alterungsprozess unterworfen, der durch die hohen Temperaturen im Öl beschleunigt wird. Schlammbildung ist die Folge, der Ölfilter kann verstopfen und somit ein kapitaler Motorschaden aufgrund von Mangelschmierung resultieren.
In noch heißeren Regionen im Motor kann dieser Kraftstoff-Eintrag zu Verkokungen führen. Dies ist oftmals hinter den Kolbenringen der Fall. Zunehmender Koksaufbau behindert die freie Drehung der Ringe, es kommt zu sogenannten Ringreitern, wenn der Koks von hinten die komplette Nut aufgefüllt hat. Resultat: massiver abrasiver Verschleiß an Zylinderbuchse bzw. Wandung, aber auch schlechtes Zündverhalten und unruhiger Motorlauf durch zu geringe Verdichtung - das Ringstoßspiel vergrößert sich.
Zu guter Letzt: die Steuer! Salatöl mag im Regal beim Discounter günstig gegenüber einem Liter Diesel an der Tankstelle erscheinen. Bei der Verwendung als Kraftstoff wird aber automatisch der entsprechende Energiesteuersatz wie für „normalen“ Kraftstoff fällig. Somit ist das Salatöl preislich auf dem Niveau mit dem Standard-Diesel an der Zapfsäule – die Verwendung von Diesel ist jedoch eindeutig konfliktfreier. Auch hier gilt: die Verwendung von nicht korrekt versteuertem Salatöl ist Steuerhinterziehung! Deshalb: Hände weg! Es sei denn, Ihr Fahrzeug ist dafür uneingeschränkt geeignet und Sie versteuern das Öl korrekt."

Was bedeutet das konkret für klassische Fahrzeuge?

Dr. Rohbogner: "Gerade für Oldtimer oder Youngtimer-Fahrzeuge, die keine hohe Fahrleistung haben, ist von der Verwendung von Salatöl abzuraten. Es kann deutlich mehr Wasser aus der Luftfeuchtigkeit durch die Tankatmung aufnehmen. Dies führt zu Korrosionsschäden an Einspritzkomponenten, auch Kavitationsschäden sind eine Folge. Zusätzlich dazu: Pflanzenöl enthält Säuren, die ebenfalls Korrosionsschäden im Einspritz- und Kraftstoffsystem verursachen können. Die Alterung des Salatöls kann auch zu Problemen beim Einspritzsystem führen. Es bilden sich Ablagerungen, bevorzugt an heißen Stellen. Diese sind typischerweise in der Nähe der Einspritzdüsen. Nach einem Motorstopp findet keine Kühlung durch den zugeführten Kraftstoff oder durch das Kühlmittel im Zylinderkopf statt. Das Salatöl kann u.a. gummiartige Ablagerungen bilden, die die Einspritzdüsen verkleben.
Bei Fahrzeugen mit regelmäßigem bzw. täglichen Betrieb werden solche Ablagerungen nur in geringem Ausmaß gebildet und beim nächsten Motorlauf wieder „abgewaschen“ – Fahrzeuge mit langen Standzeiten bekommen hier Probleme. Ist die Reaktion der Ablagerungsbildung einmal gestartet, läuft sie immer weiter. Resultat: die Düsennadel der Einspritzdüse klebt fest, die Düse öffnet nicht mehr. Das führt zu Startschwierigkeiten, unrundem Motorlauf - aber auch Beschädigungen an der Einspritzpumpe durch hohen Gegendruck."

Was spricht gegen die Verwendung von Biodiesel?

Dr. Rohbogner: "Dichtungsmaterialien sowie Kunststoffschläuche, die im Kraftstoffsystem verbaut sind, sind generell nicht auf die Verwendung von Biokraftstoffen ausgelegt. Der Kraftstoff B100 FAME, sogar B7 kann bei manchen alten Fahrzeugen bereits Probleme verursachen.
Denken Sie daran, diese Fahrzeuge entstammen einer Zeit, in der Bioprodukte noch nicht mal im Supermarkt angeboten wurden! Biodiesel (Pflanzenöl oder FAME) wirkt auch als Lösungsmittel. Über die Jahre hat sich im Kraftstoffsystem eines jeden Fahrzeugs eine Patina aus Ablagerungen von Kraftstoffkomponenten gebildet. Diese werden durch die Anwendung von reinen Biokraftstoffen abgelöst und finden sich im Kraftstofffilter wieder. Aber auch das Einspritzsystem kann betroffen sein, wenn die gelösten Ablagerungen filtergängig sind. Auch außerhalb des Tanks/Kraftstoffsystems kann Salatöl als Lösungsmittel wirken: Der Lack von alten Fahrzeugen ist gegebenenfalls nicht resistent gegenüber Bioöl und nimmt Schaden."

Design ohne Titel13

Speise-Öle sollte man dem Motor nicht zumuten

Methanol oder Ethanol sind günstiger als Benzin, eignen sie sich als Alternative?

Dr. Rohbogner: "Bei den meisten alternativen Kraftstoffen scheitert es derzeit an der Verfügbarkeit. Reine Alkoholkraftstoffe wie Methanol und Ethanol für den Einsatz in Ottomotoren werden in Deutschland faktisch nicht über Tankstellen angeboten. Die eigene Versorgung mit Alkoholen, z.B. aus dem Baumarkt und die Verwendung als Kraftstoff zieht wieder eine Steuerschuld nach sich. Außerdem sind die Kraftstoffsysteme nicht für die Verwendung von Alkoholen ausgelegt, Dichtungsmaterialien und sonstige Kunststoffe können sehr wahrscheinlich Schaden nehmen. Die Motoren müssen ebenfalls angepasst werden. Der Energiegehalt von Methanol beträgt ca. 50% von Ottokraftstoff, bei der Verwendung wäre somit ca. die doppelte Menge für die selbe Fahrleistung nötig. Preislich rangiert der Liter Methanol bei ca. 1€, mit dem nötigen Mehrverbrauch ist man also wieder auf dem Niveau von Benzin – zuzüglich der Kosten für den Umbau/Anpassung des Motors & Kraftstoffsystem. Außerdem wird Methanol derzeit nur aus Erdgas hergestellt, ein Umweltvorteil entsteht somit also nicht.
Erdgas wie CNG (Compressed Natural Gas) oder LPG (Liquefied Petroleum Gas oder oft auch Autogas) sind, was die Verfügbarkeit angeht, deutlich besser! Es gibt etwa 800 CNG Tankstellen in Deutschland, bei Autogas sind es etwa zehnmal mehr. Damit ein Ottomotor für LPG oder CNG geeignet ist, muss eine Umrüstung erfolgen. Ob dies möglich ist, hängt vom Fahrzeug ab. Ein Umweltvorteil haben beide Kraftstoffe nicht, das Gas ist grundsätzlich fossil, beim CNG kann Biogas in geringen Mengen (max. 2% laut Norm) beigemischt sein. Biodiesel (nicht Salatöl!) oder auch FAME (engl. Fatty Acid Methyl Ester – Fettsäuremethylester) oder B100 war zu Beginn der 2000er Jahre für viele Dieselfahrzeuge freigegeben und an vielen Tankstellen erhältlich. Das hat sich gewandelt, es gibt kaum noch Tankstellen, die B100 anbieten. Der FAME ist heute typischerweise als Beimischkomponete in Tankstellenkraftstoff enthalten. Die Beimischquote soll 7% - B7 – betragen. Die Verwendung von reinem Biodiesel, B100, in Oldtimerfahrzeugen bringt viele der Probleme wie die oben beschriebene Verwendung von Salatöl: Kompatibilität der Dichtungsmaterialien und Kunststoffe, Anreicherung im Motoröl und verstärkter Eintrag von Wasser durch die Tankatmung.
E-Fuels
sind eine Option für die Zukunft. Die Defossilierung und damit das Erreichen der Klimaziele im Verkehr kann nur gelingen, wenn für die Bestandsflotte und damit auch Oldtimer CO2 reduzierte Kraftstoffe zur Verfügung gestellt werden. Bis eine relevante Menge davon im Markt verfügbar ist, wird es noch dauern, es fehlen auch politische Entscheidungen. Sollte dies nicht gelingen, muss man eventuell wieder wie Bertha Benz das Benzin in der Apotheke kaufen..." (dr)

2000 Proben pro Tag: Das ist die Firma OELCHECK

Deutschlands Öl-Experten sitzen in Bayern. Das Familienunternehmen OELCHECK wurde 1991 von Barbara und Peter Weismann in Brannenburg (bei Rosenheim) gegründet. Heute ist die Firma nach eigenen Angaben das führende Labor für Schmier- und Betriebsstoffanalysen in Europa. Bis zu 2.000 Proben werden täglich untersucht, über 100 unterschiedliche Analysegeräte kommen zum Einsatz. Die Öl-, Schmierfett-, Kraftstoff- oder Kühlmittelproben stammen u.a. aus Branchen wie Energieerzeugung, Transportwesen, Maschinen- und Anlagenbau und dem Automobilbereich.

Fotos: OELCHECK

Mehr Infos unter: https://de.oelcheck.com/

OELCHECK Labor klein

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