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Iniative Kulturgut fordert: Oldtimer dürfen nicht zum Stillstand verdammt werden

Henry Ford
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Um Oldtimer als Kulturgut zu schützen, haben sich in den letzten Jahren in Deutschland viele ehrenamtliche Vereine und Initiativen gegründet. Die Initiative Kulturgut Mobilität (IKM) e.V. setzt sich vehement dafür ein, automobile Klassiker in der Gesellschaft bekannter zu machen und den Nachwuchs zu fördern. Stephan Lehnen (Head of Partnerships bei OCC) sprach mit dem IKM-Vorsitzenden Mario De Rosa über Probleme und Ziele des Vereins. Der IKM-Chef fordert u.a., dass automobile Klassiker öfter auf den Straßen unterwegs sein müssen. De Rosa: "Ein Oldtimer in der Garage, zum Stillstand verdammt, kann nicht als sympathischer Botschafter unserer Szene sichtbar auf der Straße sein." Lesen Sie hier das ganze Interview.

Bedeutung der Mobilitäts-Historie politisch verankern

OCC: Seit wann gibt es den Verein und was war der Auslöser für die Gründung des Vereins?

Mario De Rosa: "Den Verein gibt es seit 2006 und wurde zunächst als lose Interessensgemeinschaft zur Abwehr von Restriktionen für Oldtimerfahrer im Zuge der Einführung von Umweltzonen 2007 gegründet. Der Protest mündete in der Organisation von sogenannten Oldtimerdemos in zehn deutschen Städten zur selben Zeit."

OCC: Welche Ziele hat sich der IKM e.V. gesetzt?

Mario De Rosa: "Die Ziele haben sich im Laufe der Jahre verändert und müssen noch heute immer wieder neu an die jeweilige politische oder gesellschaftliche Situation angepasst werden. Grundsätzlich ist das oberste Ziel, Mobilität für Oldtimer auf unseren Straßen ohne Restriktionen zu erhalten. Die einzelnen Schritte hierzu sind variabel. Ging es zunächst um die Vermeidung von Fahrverboten innerhalb der Umweltzonen, geht es heute beispielsweise um die Forderung nach E-Fuels oder der Anerkennung historischer Fahrzeuge als mobiles Kulturerbe bei übergeordneten kulturellen Einrichtungen wie beispielsweise der UNESCO oder dem Kulturministerium des Bundes, vertreten durch den Kulturstaatssekretär. Es muss endlich gelingen, die Bedeutung der Individualmobilität von einst und deren überwiegend positiven Auswirkung auf die Gesellschaft politisch zu verankern."

OCC: Der Verein ist gemeinnützig. Arbeiten die Personen im Verein alle ehrenamtlich?

Mario De Rosa: "Das kann man mit Fug und Recht so bestätigen. Da wir alle selbst Oldtimerbesitzer und begeisterte Oldtimerfahrer sind, die ihre Hände an den Wochenenden tief im Ölsumpf haben, setzen wir uns mit Leib und Seele und ohne jegliche persönliche Vergütung oder Zuwendung für den Verein und dessen Ziele ein."

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Erinnerungen bewahren

OCC: Welche Personen stehen heute hinter dem Verein?

Mario De Rosa: "Bei Vereinen wird ja immer wieder auf die Bedeutung und tragende Rolle des Vorstands abgehoben. Die zahlreichen Unterstützer und Förderer, welche den Betrieb und die Arbeit erst möglich machen, kommen in der Außendarstellung oft zu kurz. Diese eher unprätentiöse Vorgehensweise hat dem Verein inzwischen eine Unterstützerbasis von rund 16000 Förderern ermöglicht. Diese breite Basis ist immens wichtig, um sich politisches Gehör zu verschaffen."

OCC: Wie definieren Sie Kulturgut?

Mario De Rosa: "Dieser Begriff ist bereits definiert und bedarf keiner abweichenden Interpretation meinerseits. Eine einheitliche Sprache zu sprechen, damit im Kulturbetrieb auch jeder sofort weiß, worum es sich handelt, entscheidet darüber, ob Sie als Gesprächspartner ernst genommen werden oder nicht. Daher zitiere ich die deutsche UNESCO-Kommission: ,Kulturgüter sind Teil des kulturellen Erbes der Menschheit und verbunden mit vielfältigem gesammeltem Wissen, Erfahrungen, Praktiken, Lebensformen und kultureller und heimatlich-naturräumlicher Identität.'“

OCC: Warum ist es so wichtig, dass historische Fahrzeuge als Kulturgut definiert und anerkannt werden?

Mario De Rosa: "Ganz platt ausgedrückt, ist die Hemmschwelle, anerkanntes Kulturgut in dessen Nutzung einzuschränken oder gar zu untersagen, üblicherweise höher, als wenn es sich als bloßen „alten“ Gebrauchsgegenstand definiert. Das ist selbstverständlich weder Garant noch Versicherung für Gegenteiliges. Etwas weiter gefasst ist es insofern wichtig, als jeder Mensch innerhalb seiner individuellen Biografie auf Schritt und Tritt mit Mobilität konfrontiert ist. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem Erinnerungen positive Assoziationen aus der Kindheit und Jugend wecken. Welcher Oldtimerfahrer kennt nicht die zahlreich nach oben gereckten Daumen, die lächelnden Passanten oder die teils rührenden wie zauberhaften Gespräche an der Tankstelle? Wir bewahren Erinnerungen und halten sie am Leben. Das ist zwar zugegebenermaßen ein philosophischer Ansatz, doch in der ganzen Oldtimerszene geht es ganz überwiegend um Emotionen. Diese bei den Menschen positiv hervorzurufen, macht einen Baustein des Erhalts und Anerkennung mobiler Kulturgüter aus. Stellen Sie sich vor, wir würden diesen Teil der Geschichte einfach auslöschen! Es greift umso mehr der treffende Spruch: Keine Zukunft ohne Herkunft."

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Oldtimer-Hobby darf kein Luxus werden

OCC: Gibt es in der Politik Bestrebungen, an den aktuell geltenden Definitionen und Bestimmungen etwas zu ändern?

Mario De Rosa: "Darüber ist mir im Moment nichts bekannt. Leider schüren manche Menschen Ängste in Sozialen Medien und es werden unnötige und vermeidbare Debatten angestoßen. Wer sich über die aktuelle politische Lage informieren möchte, kann jederzeit sehr gerne auf mich zukommen. Kontaktdaten stehen für Jedermann einsehbar auf der Homepage der IKM."

OCC: Welche Themen bewegen die IKM derzeit in besonderem Maße?

Mario De Rosa: "In besonderem Maße bewegt die IKM ganz klar das Thema alternative Treibstoffe. Was nützen uns die Oldtimer in der Garage, wenn ölbasierte Treibstoffe unbezahlbar werden und somit der Betrieb zu einem Luxuserlebnis gemacht wird? Hier sensibilisieren wir auf allen Ebenen politische Entscheidungsträger, sich mehr für E-Fuels einzusetzen. Gottlob ist auch etwas Bewegung in die Sache gekommen."

OCC: Wie kann man Förderer des IKM werden? Ist eine Mitgliedschaft auch für Einzelpersonen möglich?

Mario De Rosa: "Für Einzelpersonen ist eine Mitgliedschaft problemlos möglich. Förderer der IKM kann man ganz einfach werden, indem man auf der Homepage den Mitgliedsantrag ausfüllt und uns zusendet. Seit 2007 haben wir einen stabilen Beitragssatz von 24 EUR pro Jahr! Wir hatten das als eine Tasse Kaffee pro Monat definiert. Inzwischen ist die Tasse Kaffee deutlich teurer als 2 EUR, doch wir bleiben dabei, dass eine Mitgliedschaft niemanden finanziell schmerzen darf."

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Hobby sympathisch nach außen vertreten

OCC: Über welche Medien werden die Mitglieder des IKM mit aktuellen Informationen versorgt.

Mario De Rosa: "Bis zum Inkrafttreten der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) habe ich immer mal wieder ein Rundschreiben an knapp 2000 E-Mailempfänger herausgegeben. Das mache ich seitdem nicht mehr, um den Verein rechtlich nicht angreifbar zu machen. Seitdem informiere ich periodisch lediglich die Mitglieder oder stelle Informationen auf der Homepage zum Abruf bereit. Ab und an, so es berichtenswert ist, stelle ich auch Informationen auf meinem persönlichen Facebook-Profil ein. Diese sind üblicherweise öffentlich, so dass man mir nicht unbedingt eine „Freundschaftsanfrage“ stellen muss, wenn man das nicht möchte, falls sich jemand nur informieren möchte. Man kann diese Informationen auch lediglich abonnieren."

OCC: Ist der IKM e.V. auch auf Veranstaltungen anzutreffen?

Mario De Rosa: "Wir sind alljährlich auf der Retro-Classics in Stuttgart mit einem eigenen Stand vertreten. Darüber hinaus veranstalten wir an jedem zweiten Septembersonntag im Jahr den „Tag des rollenden Kulturguts“ in Wiesbaden. An beiden Veranstaltungen sind wir somit unmittelbar vertreten. Mehr können wir personell nicht leisten, sind aber jederzeit per E-Mail oder fernmündlich erreichbar. Auf Facebook kann man mich auch gerne über mein persönliches Profil kontaktieren."

OCC: Mit welchen Themen wird sich der IKM e.V. wahrscheinlich in Zukunft beschäftigen?

Mario De Rosa: " Da ist einerseits das Thema Szenenachwuchs, das bereits heute dem ein oder anderen Club Probleme bereitet und andererseits der politische Nachwuchs, den wir kontinuierlich beobachten. Die politischen Jugendorganisationen bringen die Politiker von morgen hervor. Wenn Sie sich teilweise deren politische Positionen anschauen, kann sich bei Vernachlässigung dieser Personengruppe eventuell künftig ein Katzenjammer einstellen. Deswegen ist es von immenser Bedeutung, das Hobby auf sympathische Weise nach außen zu vertreten."

Sympathisch oldtimer

Freiheiten auch für jene, die sich an einem V8 erfreuen

OCC: Wie können auch die Unternehmen der Branche einen Beitrag zum Erhalt der Fahrkultur und der motorisierten Mobilität als Kulturgut leisten?

Mario De Rosa: "Ganz wichtig ist die Ausbildung von Fachleuten im gesamten KFZ-Sektor, damit Oldtimerbesitzern auch in Zukunft noch Werkstätten zur Reparatur und Wartung zur Verfügung stehen. Dann wäre es wünschenswert, wenn sich die Automobilindustrie vollumfänglich zu ihren Wurzeln bekennen würde und weiterhin bezahlbare Ersatzteile in nennenswertem Umfang bereithielte und auch in der Außendarstellung pro Oldtimer mehr täte. Auch die zahlreichen Firmen, die sich in der Nachfertigung von Ersatzteilen spezialisiert haben, sehe ich hier in der Pflicht, für ausreichend „Nachschub“ zu sorgen. Ein Oldtimer in der Garage, zum Stillstand verdammt, kann nicht als sympathischer Botschafter unserer Szene sichtbar auf der Straße sein."

OCC: Sehen Sie auch in der Zukunft noch genügend Raum für unsere klassischen Fahrzeuge in unserer sich wandelnden Welt der Mobilität?

Mario De Rosa: "Auf jeden Fall! Sehen Sie sich die Retrowellen an, die in Teilen die heutige Jugend befallen hat: Schallplatten auf Vinyl, Fotografieren mit Film und auch die „Coolness“, einen alten Wagen zu fahren, machen mir persönlich ganz große Hoffnung und nehmen einen Teil der Sorge vor der Zukunft. Diese jungen Leute für sich zu begeistern und sie an uns zu binden, wird der Schlüssel für den dauerhaften Erhalt unserer Szene sein. Integrieren statt ausgrenzen ist die Devise!"

OCC: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mobilität?

Mario De Rosa: "Als Automobilist mit Leib und Seele ganz einfach: Fahren ohne jegliche Beschränkung! Etwas komplexer ausgedrückt sollte für jeden Mobilitätswunsch eine individuelle Lösung angeboten werden ohne jegliche ideologische Färbung. Das können Car-Sharing-Konzepte sein, ein ausgezeichnet ausgebauter ÖPNV, Elektromobilität oder eben Freiheiten für jene, die sich am Geräusch eines V8 oder jeglichen anderen Verbrennungsmotors erfreuen und ihr Seelenheil darin finden, sich damit fortzubewegen – ohne jegliche Beschränkung."

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