Abschied vom Red Porsche
aus dem Werner-Rennen
Es war ein Jahrhundertspektakel. 4. September 1988: 200.000 Besucher sind Augenzeugen auf dem Flugplatz Hartenholm (bei Bad Segeberg, Schleswig-Holstein), als Werner-Comic-Schöpfer „Brösel“ (Rötger Feldmann) auf seiner aufgemotzten Horex gegen den roten 911er Porsche von seinem Kumpel Holger „Holgi“ Henze antritt.
Das Rennen dauert nur wenige Sekunden. „Brösel“ liegt mit seinem „Red Porsche Killer“ (vier Motoren) zwar kurzeitig vorn, doch dann verschaltet er sich und der rote 911er von Holgi zieht vorbei und holt den Sieg.
Das Publikum, das sich während der mehrtätigen Show mit Music-Acts wie BAP und Roger Chapman angeblich 400.000 Liter „Bölkstoff“ in die durstigen Kehlen schüttet, rastet beim skurrilen Benzinkampf Horex vs. Red Porsche völlig aus.
"Paadie" bis in den frühen Morgen.
Über 200.000 Zuschauer kamen 1988 zum Werner-Rennen auf den Flugplatz Hartenholm. Dort befand sich die Rennstrecke. Viele zelteten vor Ort, Woodstock-Feeling.
Foto: Gemeinde Hasenmoor
„Schneller als Brösels Schrotthaufen“
30 Jahre später gibt es eine Revanche der beiden Sprit-Hitzköpfe, die Brösel für sich entscheiden kann. Es wird auch das letzte Werner-Rennen gewesen sein, denn der rote Porsche von „Holgi“ soll nun verkauft werden.
Holger Henze bestätigt: „Ja, er wird verkauft. Aber ein Verkauf soll nur unter Berücksichtigung seiner einzigartigen Historie erfolgen.“
Der Kieler Künstler und Kult-Kneipier (Club 68) erklärt im Gespräch mit dem OCC-Magazin, warum der 911er so außergewöhnlich ist: „Er ist Baujahr 1968, hat einen 2,4 Liter Motor und entwickelt 180 bis 220 PS je nach Drehzahl. Die Beschleunigung ist zumindest meist schneller als Brösels Schrotthaufen, die Spitzengeschwindigkeit fällt je nach Wetterlage unterschiedlich aus. Das Auto ist seit 1971 in meiner 2. Hand. Es ist ein authentischer Gebrauchs-Porsche und kein total restauriertes, Neuwagen-gleiches Sammelobjekt für Puristen. Mein roter Porsche atmet Werner Comics und die Hartenholm Atmosphäre.“
Holger Henze mit seinem Red Porsche auf der Techno Classica in Essen
Mercedes war zu langsam
Auf der Techno Classica in Essen hat Holger Henze den Sportwagen bereits gezeigt. „Es war Wahnsinn, immer eine riesige Menschentraube um das Auto. Alle wollten Fotos machen und Selfies mit meinem Porsche.“
Wie kam es 1970 zum Porsche-Kauf?
Holger Henze: „Ich musste damals oft nach Hamburg, hatte dafür einen 180er Diesel-Mercedes. Der war zu langsam. Ein Freund hatte mir damals diesen Porsche empfohlen.“
Hat der Porsche auch einen Spitznamen?
„Ja, Red Porsche. Die sechs Auspuffrohre sind übrigens nur fürs Rennen.“
Die Revanche in Hartenholm 2018 konnte Brösel auf seiner Horex für sich entscheiden
Was ist der Red Porsche wirklich wert?
Was könnte der Wagen beim Verkauf bringen? Der Nachrichtenagentur dpa verriet Holger Henze, dass der TÜV den Wagen vor einigen Jahren auf 150.000 Euro geschätzt habe.
Oldtimer-Experte Sascha Keilwerth von der Online-Auktionsplattform „Getyourclassic“: „Grundsätzlich ist der Wagen sehr interessant, er hat im deutschsprachigen Raum einen hohen Bekanntheitsgrad und einen hohen emotionalen Wert, weil viele Menschen die Werner-Comics und das Hartenholm-Rennen kennen.
Aufgrund der spannenden Historie ist damit zu rechnen, dass es Sammler oder Fans gibt, die bereit sind, dafür weitaus mehr als den Gutachterwert zu zahlen.“
Sechs Endrohre - so wurde der Red Porsche für das Werner-Rennen fit gemacht
So lernten sich Brösel und Holgi kennen
Holger Henze, gebürtiger Kieler, absolvierte ein Kunststudium in Berlin. Ende der 60er Jahre kehrte er in die Fördestadt zurück und gründete mit Studenten der Muthesius-Werkschule das Informationszentrum Junger Künstler e.V.
1968 erfolgte die Gründung des Kieler Galerie Club No. 68 (Gaststätte mit angeschlossener Kunstgalerie).
Zu den Gästen des Clubs zählte ab 1978 auch Rötger Feldmann alias Brösel, der sich mit Comiczeichnungen über Wasser hielt. Henze gefielen die frechen Zeichnungen und er vermittelte ihn an die Satirezeitschrift „Pardon“: die Brösel-Comics um seine Hauptfigur Werner wurden deutschlandweit bekannt, Henze steuerte die Texte bei. Bei der einen oder anderen Flasche Bölkstoff frozzelten Henze und Feldmann natürlich über Leidenschaft für Motoren.
Die Geschichten um die Rivalität zwischen Porschefahrer Holgi und Mopedfahrer Werner landeten im Werner-Comic „Eiskalt“ und gipfelten schließlich im legendären realen Rennen in Hartholm.
Der Rest ist auch deutsche Kultur-Geschichte: 13 Werner-Bände, fünf Kinofilme (fast 15 Millionen Besucher), Platz 1 in den Charts (Torfrock 1990 mit „Beinhart“).
Jetzt wird ein Kapitel bald geschlossen. Mal schauen, wohin der Red Porsche noch fährt… (dr)
Fotos: Holger Henze | Werner TV | Gemeinde Hasenmoor
PS: Wer in Kiel ist, sollte natürlich im berühmten Club 68 von Holger "Holgi" Henze vorbeischauen. Kunst, Essen, Bier und Livemusik. Das aktuelle Programm finden Sie hier
Hier geht's zum Werner-Universum von Brösel
Kennen sich seit mindestens 45 Jahren: Werner-Erfinder Rötger Feldmann (li.) und Holger Henze
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