Hier fährt der Daniel Düsentrieb aus Sachsen
Der Mann mit dem weißen Käptn-Iglo-Bart und der Schiebermütze ist eine echte Legende in der Oldtimerwelt. Er ist Schrauber, Schlosser, Maschinenbau-Ingenieur, Buchautor und Fahrzeug-Historiker. Frieder Bach aus Chemnitz, ein Tausendsassa in Sachen Automobilbau.
Der Sachse, 1943 geboren, sorgt auch noch in hohem Alter für jede Menge Aufsehen in der Klassiker-Szene – und zwar weltweit. So gelang ihm der originalgetreue Bau eines DKW F9-Sportwagens aus dem Jahr 1940. Vom Fahrzeug existierte bislang nur eine Zeichnung, es wurde nie montiert. Im April 2022 rekonstruierte er ebenfalls nur nach einer Skizze die vermutlich erste DKW-Rennmaschine der Welt. Die Auto-Gene hat er seinem Sohn Thorsten vererbt, der betreibt mittlerweile erfolgreich den Restaurierungsbetrieb „„Oldtimerdienst Chemnitz“.
Andere Senioren in seinem Alter genießen ihren Ruhestand auf einer Kreuzfahrt, Frieder Bach zieht es lieber in seine Chemnitzer "Rentner-Werkstatt", wie er sie nennt. Basteln, Tüfteln, Ausprobieren – ein echter Daniel Düsentrieb. Aber was treibt ihn an? Was hat er noch vor? Mit dem OCC-Magazin unterhielt er sich über vergangene und künftige Projekte.
Frieder Bach präsentiert im Chemnitzer Fahrzeugmuseum die einst von Hermann Weber konstruierte und nun vom ihm rekonstruierte erste komplett bei DKW gefertigte Rennmaschine
Diplomingenieur bei den VEB Barkas-Werken
Nach dem Krieg arbeitete er zunächst in der Landwirtschaft. Auf der Abendschule holte Frieder Bach das Abitur nach. Ein Sportstudium konnte er wegen einer Wirbelsäulenverletzung nicht weiterführen, stattdessen lernte er Kfz-Schlosser. Dann per Abendstudium ein Maschinenbaustudium, Abschluss als Diplomingenieur. Arbeit bei den VEB Barkas-Werken im damaligen Karl-Marx-Stadt.Die traditionsreiche sächsische Fahrzeugindustrie – das waren nicht nur Trabant (Zwickau) oder MZ-Motorräder (Zschopau). Sondern auch DKW (Dampf Kraft Wagen) und die berühmte Auto Union AG, ein Zusammenschluss von Horch, Audi, den Zschopauer Motorradwerken und den Wanderer-Werken im Jahr 1932.
Frieder Bach interessierte sich besonders für die Geschichte der Auto Union, sowie die der vom Dänen Jørgen Skafte Rasmussen (1878 – 1964) gegründeten Zschopauer Motorenwerke J.S. Rasmussen AG, die mit ihrer Marke DKW Ende der 1920er zum größten Zweiradhersteller der Welt aufstiegen.
Frieder Bach gilt auch als profunder Kenner der DKW-Motorradproduktion, über die er ebenfalls ein Buch veröffentlicht hat.
Unbekannte Zeichnung entdeckt
Alles begann mit einem Zufallsfund. Frieder Bach: „Das Chemnitzer Fahrzeugmuseum plante 2014 eine Sonderausstellung zum Thema Auto Union. Hierzu wurden von Privatleuten und mehreren staatlichen und kommunalen Archiven Unterlagen, Zeichnungen und Bilder beschafft. Zu Beginn der Ausstellung, in der auch alle F 9-Fahrzeuge mit sämtlichen Karosserieaufbauten gezeigt wurden, waren so viele Unterlagen vorhanden, dass nicht alle für die Ausstellung verwendet werden konnten. Bei der Sichtung dieses Materials fiel mir eine Zeichnung auf, die einen zweisitzigen Sport- oder Rennwagen darstellte, in dessen Schnittdarstellung deutlich die Technik des dreizylindrigen F 9 zu erkennen war.
Da es nur eine Kopie ist, war die Schrift im Schriftfeld der Zeichnung nicht leicht zu entziffern. Das Datum der Konstruktion war als 18.1.1940 lesbar und das Schriftfeld trug zwei Unterschriften: „Mickwausch“, die Unterschrift des Gestalters und „Kordewan“, die des Technikers. Die Kopie des Entwurfs stammte aus einem Konvolut von F 9-Unterlagen aus dem August-Horch-Museum Zwickau. Da Arthur Kordewan in den sechziger Jahren mein Kollege bei den Barkas-Werken war, waren mir diese Unterschriften vertraut. Günther Mickwausch war der Chefgestalter der Auto Union für die meisten Fahrzeuge, die dort in den dreißiger Jahren entstanden.“
Der DKW F 9-Sportwagen im Garten von Frieder Bach. Vom Roadster existiert nur 1 Exemplar weltweit.
Das mysteriöse Auto
Für Frieder Bach blieb so nur ein Rätsel zu lösen: Was für ein Auto wurde auf der Zeichnung dargestellt? Klar war nur: Für eine Herstellung eines solchen Fahrzeugs hätte es noch zahlreicher Detailzeichnungen bedurft.
„In der zweiten Hälfte der Achtziger schrieb ich ein Buch über die in Zschopau hergestellten DKW-Motorräder zwischen 1922 und 1945. Bei Recherchen im Firmenarchiv von Audi Ingolstadt fand ich die 1938 verfasste „Ausschreibung der Fernfahrt Berlin-Rom“. In dieser Ausschreibung war erwähnt, dass die teilnehmenden Fahrzeuge mit zwei Reserverädern ausgestattet sein müssten. Dieses Detail kam mir bei der Betrachtung der DKW -Entwurfszeichnung nach mehr als dreißig Jahren wieder in den Sinn. Auf meine Anfrage hin erhielt ich vom Archivar des Fahrzeugmuseums „Prototyp“ in Hamburg postwendend eine Kopie der Ausschreibung und fand darin meine Vermutung bestätigt, dass es sich nur um ein für diese Wettbewerbsfahrt geplantes Auto des Chemnitzer Fahrzeugkonzerns handeln kann. Leider wurde das Auto auch aufgrund des Kriegsbeginns nicht mehr gebaut. So blieb nur eine Entwurfszeichnung erhalten. Für mich war dann klar: „Ich baue dieses Auto“, erinnert sich der Konstrukteur.
Windschnittig, silberfarben: der elegante Sportwagen sollte ursprünglich an der Fernfahrt Berlin-Rom 1938 teilnahmen, doch durch den Ausbruch des 2. Weltkriegs wurde die Fahrzeugkonstruktion nie verwirklicht - erst 80 Jahre später durch Frieder Bach
So schwierig war die Rekonstruktion
Durch den Kriegsbeginn wurde die Sportabteilung der Auto Union aufgelöst. So fehlten wichtige Detailzeichnungen. Frieder Bach musste viele Teile des Fahrzeugs selbst konstruieren. Dabei half ihm seine langjährige Erfahrung: „Ich habe noch gelernt, wie man aus 1 qm Blech einen Kotflügel macht.“ So fertigte er die Vorderpartie des Fahrzeugs mit dem Kühlergrill, den Einbau der Scheinwerfer und Rück- sowie Bremsleuchten, die Führung der Warmluft hinter Motor und Kühler, die Befestigung und Formung der Frontscheibe, der Verriegelungsmechanismus und die Scharniergestaltung der Türen und die Befestigung der hinteren Radabdeckungen in seiner Werkstatt. Wichtig sei ihm gewesen, nur Handwerksmethoden anzuwenden, die es damals schon gab. So seien alle Verbindungen der Karosserieteile genietet oder geschraubt. Lediglich die Karosserie-Teile entstanden mit Hilfe eines neuartigen Blechbearbeitungsverfahrens des Chemnitzer Fraunhofer-Institutes.
Seit 1969 sammelt Frieder Bach auch alte Fahrzeugteile: Das half ihm bei der Rekonstruktion der ersten DKW-Rennmaschine, die er mit Originalteilen aufbauen konnte.
Herz ist ein Dreizylinder-Zweitakt Motor mit 28 PS
Aber mit welchem Motor wird der kleine Flitzer angetrieben? Auch hier setzt Tüftler Frieder Bach auf Originalität. Der Antrieb seines Unikats entspricht in allen Teilen den Aggregaten, wie sie schon 1939/40 in den F 9-Prototypen verwendet wurden. Es ist ein Dreizylinder-Zweitaktmotor mit einem Zündverteiler: "Keine Drei-Unterbrecher-Anlage, wie sie später beim Wartburg verwendet wurde", ergänzt Bach. Damit ist der F 9-Motor quasi der Urvater des späteren Wartburg-
Antriebs. Frieder Bach: "Als Dreizylinder leistete er zunächst 28 PS, in der beginnenden Serienfertigung 1949 in Chemnitz dann 32 PS. Während der Fertigung erfolgte ständig eine Weiterentwicklung, die über den 900 ccm-Motor des „Wartburg 311“ mit 45 PS zum Motor des „Wartburg 353“ mit 50 PS führte."
Insgesamt arbeitete der Chemnitzer von November 2018 bis zum April 2020 an der Weltpremiere des DKW F9-Sportwagens.
Der wertvolle Wagen wird ab Februar 2023 im Horch-Museum Zwickau ausgestellt.
Der neu gebaute Rahmen der DKW-Rennmaschine mit den tragenden Hartholzteilen. Steuerkopf, Lenker und Hinterrad wurden eingepasst.
Rennboot, BMW, Saxonette - seine weiteren Pläne
Der Rentner im "Unruhestand" - welche Pläne gibt es für die nächste Zeit? "Ich möchte gern weitere Bücher schreiben und im Fahrzeugmuseum weitere Sonderausstellungen gestalten. Insofern gibt es - außer gesundheitlich bedingt - keine Pausen oder unproduktive Zeiten. In meiner am Haus befindlichen „Rentnerwerkstatt“ befindet sich derzeit ein Motorfahrrad Saxonette der Chemnitzer Firma „ESWECO“ in Restaurierung. Als nächstes Projekt soll ein Motorrad der Firma „Diamant“ von 1926 restauriert werden. Außerdem ist ein Auto der ersten BMW-Serie vom Typ DA 2 von 1929 in Arbeit. Zur Zeit recherchiere ich das Schicksal eines Rennbootes aus den siebziger Jahren, das noch in den Oldtimerläufen des historischen
Wassersportes eingesetzt wird, dessen Historie aber in einigen Teilen unklar ist", erzählt Frieder Bach.
Vielleicht entdeckt er ja wieder eine alte Skizze, die ihn beflügelt und seine Ingenieurskunst herausfordert...
Eins ist klar: Der Daniel Düsentrieb aus Chemnitz hat sich in der Oldtimerwelt schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. (mplu/dr)
Fotos: Frieder Bach privat | Dr. Andreas Eichler
Das Buch über den Sensationswagen
Fahrzeugbau-Enthusiasten und historisch interessierte Oldtimerfreunde werden sich freuen: Über den Bau des DKW F 9-Sportwagens hat Frieder Bach ein Buch geschrieben. Der Titel "Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz" (ISBN: 978-3-96063-030-2, 120 Seiten) erschien im Mironde Verlag, Niederfrohna. Sie können das Buch hier bestellen.
Weitere Bücher des Autors finden Sie ebenfalls hier.
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