Fiat 2300 - der
italienische Ami
Von Jens Tanz *
„Fehler in allen Teilen“? Nö. Die Suche nach einem preiswerten, aber speziellen Studentenauto endete für Ralf Krause in den bunten 80er Jahren mit einem großen, alten FIAT. Er heiratete seine große Liebe in diesem Auto. Die Frau ist noch immer an seiner Seite, und von dem Auto hat er sich ebenfalls nie trennen können. Ich habe mich mit ihm vor Schloss Monrepos in Ludwigsburg getroffen, Petrus war auch dabei, aber er hat mal wieder geflennt. Stört uns das? Nochmal nö....
Viel Chrom, Linien wie ein Straßenkreuzer.
Fotos: Jens Tanz
Fiat war 1989 das Hochzeitsauto
Nach einem Wechsel der noch originalen Reifen, die sich auf der Wiese kaputt gestanden haben, der Batterie und aller üblichen Flüssigkeiten sprang das Auto auf Anhieb an – und geboren war die individuelle Studentenkarre. Mit angenehmer Leichtigkeit steuerte Krause den seidenweich laufenden Reihensechszylinder mit seinen 105 PS durch den Alltag und erfreute sich der vielen tadellos funktionierenden Goodies wie Scheibenbremsen rundherum, Servolenkung, Golde-Schiebedach und der typisch italienischen Stadt- und Landhupe. In der Stadt tutete brav die kleine Elektro-Schnarre, auf dem Land oder bei den anvisierten Partys drückte dann auch gern mal die ruppige Kompressorfanfare die Trommelfelle tiefer in die Köpfe.
Der Fiat 2300, der schon in jungen Jahren irgendwie antik aussah, diente den Krauses 1989 als Hochzeitsauto. Man hat bei den Italienern mit dieser Luxuslimousine seinerzeit auf die S-Klasse von Mercedes abgezielt, deshalb war beim Ja-Wort nicht mit Prestigeproblemen zu rechnen, was den Brautwagen betraf. Derartige Meilensteine (und besagte Partys, über die hier nicht näher berichtet werden soll, gehörten auch dazu) schufen dem irgendwie schratigen Fahrzeug einen Platz im Herzen des Besitzers, und mit viel Liebe und Spachtelmasse wurde es immer weiter über die Jahre gerettet.
Der Bandtacho ging bis 180 km/h, auf der Autobahn war bei echten 162 km/h Schluss.
Mercedes 220 S hatte gleiche Fahrleistungen
Irgendwie war er nicht kaputt zu kriegen, er lief und lief, vielleicht hatte er wenigstens das mit den Studentenkäfern gemeinsam. Der erste Job nach dem Studium brachte endlich das nötige Kleingeld ins Haus, um das Familienmitglied vernünftig zu restaurieren. Der Gesamtzustand wurde noch mit allen neu und günstig zu bekommenden Chromteilen aufgepeppt, schon damals gab es keinen großen Abnehmerkreis für diese Artikel. Die technisch ausgereifte Oberklasse von Fiat wurde zwar insgesamt rund 155.000 Mal gebaut, verkaufte sich aber in Italien viel besser als in Deutschland. Und das, obwohl ein Mercedes 220 S mit den gleichen Fahrleistungen wesentlich teurer war.
1994 meldete sich Nachwuchs bei Krauses an, und trotz der sechs Sitze wurde der altgediente Italiener abgemeldet und verschwand in der Garage als Ablage für alles Mögliche – was ihn unter den Stapeln an unnützem Zeug in Vergessenheit geraten lies. Und das rettete ihn erneut über die Zeit.
Der Reihensechszylinder mit 2,3 Liter Hubraum, vierfach gelagerter Kurbelwelle und hängenden Ventilen.
Kein Fehler bei Restaurierung
Ein familiärer Vernunfts-Verkauf, wie ihn so manch verständnislose Ehefrau irgendwann immer mal vorschlägt, konnte so vermieden werden. Kinder werden älter, und im Rahmen einer Aufräumaktion im Jahr 2000 entdeckte Krause seinen Fiat unter dem ganzen Plunder wieder. Der immer noch gute Allgemeinzustand ermöglichte das H-Kennzeichen, und seitdem ist der große Italiener wieder täglich dabei.
Ralf Krause machte es genau richtig: Er zerlegte nicht das ganze Fahrzeug für eine Komplettrestaurierung, um dann irgendwann den Überblick zu verlieren und den Wagen bei ebay in Einzelteilen anbieten zu müssen. Nein, er nahm sich jedes Jahr einen Teil des 2300 vor und ließ ihn so schrittweise wieder in altem Glanz erstrahlen. Vorderwagen, Türen, Hinterwagen. 2011 ist eine neue Lederausstattung angeschafft worden, 2013 wird der Unterboden neu versiegelt. Und man sieht dem Auto die vielen liebevollen Arbeiten an.
Originalradio mit Tasten für die verschiedenen Wellenbereiche. Langwelle, Mittelwelle, Kurzwelle, Ultrakurzwelle (UKW)
Exotischer Trapez-Stil mit viel Chrom
Was da auf das Gelände von Schloss Monrepos bei Stuttgart-Ludwigsburg rollt und die Landfanfare ertönen lässt, sieht aus wie ein Neuwagen-Relikt aus einer anderen Zeit. An der Ampel sorgt der Sechszylinder zeitweilig für überraschte Gesichter, und das nicht nur wegen des guten Drucks nach vorn… Pininfarinas exotischer Trapez-Stil im Mix mit den damals modernen US-Linien erregt nach mehr als 45 Jahren ungeteiltes Aufsehen und hinterlässt begeisterte Menschen, die dem Wagen noch lange nachsehen und sich fragen, was das denn eigentlich für ein Auto war.
Fiat hatte damals an nichts, aber auch wirklich an gar nichts gespart. Ein Gang um das zwischen 1961 und 1968 gebaute Auto herum erinnert fast an ein Kreuzfahrtschiff: überall leuchten kleine, liebevoll gestaltete Lämpchen, sogar an der C-Säule befinden sich kleine Positionslichterchen. Sicken und Kanten hinter schwarzem, hochglänzendem Lack lassen den Landregen stilvoll abperlen, er sammelt sich hinter chromigen Griffen oder im aufwändigen Kühlergrill aus Zink. Die kleinen Heckflossen ragen selbstsicher in den Wolken verhangenen Himmel, die dicken Stoßstangen machen klare „Platz da“-Ansagen und der noch immer ungeöffnete Motor blubbert leise, kraftvoll und zuverlässig.
Charakteristisch für den Fiat 2300 waren die kleinen Heckflossen nach amerikanischem Vorbild.
Schwere Schlösser und viel Leder
Tatsächlich gab es laut Krause technisch noch keine Probleme außer den üblichen Verschleißteilen, einigen Wasserschläuchen und den Zylindern der hydraulischen Kupplungsbetätigung. Mit dem damals modernen Fahrwerk lässt sich auch heute noch im Straßenverkehr gut mitschwimmen, den Rest besorgen die Fanfaren. Auch lange Reisen gestalten sich angenehm, der gediegene, schlichte Komfort der 60er Jahre strömt aus jeder Ritze. Wenn hinter dem Fahrer die Tür ins schwere Schloss fällt, fühlt man sich geborgen. Das helle Leder duftet angenehm. Auf der Hutablage liegt ein kleines Häkeldeckchen, daneben findet sich ein kleines Zusatzgebläse, mit dem sich die Heckscheibe freiblasen lässt. Und vorn im Cockpit geben viele kantige Instrumente Auskunft über den Öldruck, die Kühlwassertemperatur, die Zeit, den Zustand des Wechselstromgenerators und den Tankinhalt, geflankt von einem Tacho wie einem Fieberthermometer, der bis 180km/h reicht. Fiat eben.
Inzwischen haben sich schon drei Hochzeitspaare im Fiat zum Altar bringen lassen, und alle drei sind noch immer glücklich vereint. Wen das nicht restlos überzeugt, der blicke in die wachen Augen des Wagens und spüre die handwerkliche Perfektion, die man damals in Italien erschuf. Er scheint für die Ewigkeit gebaut.
Massive Tür, die noch satt ins Schloss fällt.
Technische Daten
FIAT 2300 Bj. 1966
Motor: Reihen-Sechszylinder
Hubraum: 2279 ccm
Leistung: 105 PS
Getriebe: Viergang-Lenkschaltung
Antrieb: Hinterachse
Länge/Breite/Höhe: 4485/1620/1470 mm
Leergewicht: 1285 kg
Über den Autor*
Jens Tanz spielt schon seit seinem 16. Lebensjahr mit alten und nicht ganz so alten Autos im Maßstab 1:1 – und das ist inzwischen schon ein paar Jahre her. Diese Leidenschaft machte er nach ein paar Irrwegen in die Physik und die Elektrotechnik zum Beruf und schrieb Artikel und Kolumnen für AutoBILD, AutoBILD Klassik, GRIP, Spiegel Online, TRÄUME WAGEN und die AUTO Classic. Jens schraubt selbst an seinen eigenen alten Autos und bringt seine Klassiker-Expertise in vielen Gruppen und Foren im Netz an die richtigen Adressen. Heute betreut der Kieler über die Agentur elbkind reply die Social-Media-Kanäle vom Mercedes-Benz Museum in Stuttgart und führt mit “Sandmanns Welt” das etwas andere Tagebuch eines patchworkenden Autofahrers.
Blog: https://www.sandmanns-welt.de
Facebook: https://www.facebook.com/SandmannsWelt
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