EU plant Zulassungspflicht für Blei:
Oldtimer-Restaurierung in Gefahr?
Wieder Aufregung in der Oldtimer-Szene. Diesmal sorgt die EU für neuen Wirbel. Hintergrund: ein Entwurf zur EU-Chemikalienverordnung 1907/2006 REACH.
Jan Christian Hennen, Sprecher des DEUVET Bundesverbandes Oldtimer-Youngtimer e.V. warnt: "Dort gibt es Regeln, die schwere Auswirkungen für die historische Mobilität mit sich bringen können."
Konkret geht es darum, dass im Anhang XIV der EU-Chemikalienverordnung eine Zulassungspflicht für Blei angedacht ist.
Welche Bedeutung hätte das für die Klassiker-Szene?
Zulassungspflicht würde Sammler, Besitzer und kleine Museen treffen
Oldtimerspezialist und Fachjournalist Dipl-Ing. (FH) Peter Diehl: "Eine generelle Zulassungspflicht für Blei, bezogen auf – Zitat aus dem geplanten Verordnungstext – „Herstellung, Lagerung, Ausstellung und Verwendung in allen seinen Erscheinungsformen“, bedroht und schädigt das technische Kulturerbe der gesamten Menschheit. Denn Mobilität ist seit Jahrhunderten ein globales Bedürfnis, welches sich in Straßen-, Schienen-, Wasser- und Luftfahrzeugen ausdrückt. In allen diesen Fahrzeugen ist bis heute Blei enthalten."
Der Experte befürchtet, dass eine generelle Zulassungspflicht vor allem kleine Oldtimer- und Heimatmuseen sowie private Sammler und Besitzer treffen würde. Sie alle wären bürokratisch und finanziell schnell überfordert, müssten künftig Genehmigungen einholen. Denn: Blei wurde in jedem alten Fahrzeug mehrfach und in mehreren Funktionen verwendet.
Peter Diehl: "Im Kraftfahrzeughandwerk wird Blei heute vor allem zur historisch korrekten Instandsetzung und Restaurierung von Karosserien, Kühlsystemen sowie elektrischen und elektronischen Anlagen eingesetzt. Konkrete Beeinträchtigungen werden sich zum einen aus dem Verschwinden vieler dieser kleinen und mittleren Unternehmen ergeben, die sich den bürokratischen und finanziellen Aufwand der Zulassung von Blei nicht leisten können und deshalb die betreffenden Geschäftsfelder oder die gesamte Geschäftstätigkeit aufgeben."
Welche Auswirkungen hätten Austauschstoffe (Substitute) für Blei?
Eine Substitution von Blei würde laut Peter Diehl zu folgenden handwerklichen und historischen Beeinträchtigungen führen:
- Die Instandsetzung von Schäden an Karosserien würde mit qualitativen Mängeln behaftet sein. Begründen ließe sich das mit der schwierigen Verarbeitung von bleifreiem Schwemmzinn. Das Temperaturfenster sei deutlich kleiner und das Temperaturniveau liege signifikant höher als bei der Verarbeitung von bleihaltigem Schwemmzinn. Eine Restaurierung mit historisch korrektem Material und ebensolcher Arbeitstechnik sei nicht mehr möglich.
- Qualitative Mängel würden auch bei der Instandsetzung von Kühlsystemen auftreten.
- Nicht nur Mängel, sondern Schäden würden in elektrischen und elektronischen Anlagen entstehen. Denn über die negativen Auswirkungen des kleineren Temperaturfensters und des höheren Temperaturniveaus hinaus bestehe die Gefahr fehlerhafter Reparaturlötstellen, sogenannter kalter Lötstellen. Zum einen, weil bleifreie und bleihaltige Lotmaterialien nicht kompatibel seien, also keine Verbindung miteinander eingehen. Zum anderen, weil bleifreie Lote die optische Qualitätskontrolle von Lötstellen unmöglich machten. Denn die stets matte Oberfläche einer mit bleifreiem Lot erstellten Lötstelle sei nicht von einer fehlerhaften Lötstelle (kalten Lötstelle) unterscheidbar. Mit bleihaltigem Lot ausgeführte, gelungene Lötstellen hingegen glänzten silbrig.
Probleme sehe er auch bei Batterien. "Nahezu alle Neufahrzeuge, unabhängig von ihrem Antriebskonzept, werden heute mit 12-Volt-Batterien ausgeliefert, die auf dem Blei-Säure-Prinzip beruhen. Das betrifft also auch batterie- und wasserstoffelektrisch angetriebene Fahrzeuge sowie Hybridfahrzeuge, die allesamt auch eine 12-Volt-Spannungsversorgung benötigen. Für Batteriehersteller, die Teil großer Konzerne sind, ist es sicher unproblematisch, künftigen Blei-bezogenen Auflagen in bürokratischer und finanzieller Hinsicht gerecht zu werden. Kleine und mittlere Unternehmen hingegen können daran scheitern. Doch sind es gerade kleine Unternehmen, die historisch korrekte 6-Volt- und 12-Volt-Starterbatterien für Oldtimer herstellen und vertreiben", so Oldtimer-Experte Peter Diehl.
Welche Lösungen könnte es geben?
Analog zur EU-Altfahrzeugrichtlinie wäre es denkbar, in die EU-Chemikalienverordnung auch eine Ausnahme für historische Fahrzeuge aufzunehmen, die z.B. für Blei und andere Stoffe gelten könnte. So ein Passus fände sich bereits in der deutsche Lösemittelhaltige Farben- und Lack-Verordnung (ChemVOCFarbV).
Dort heiße es unter Paragraph 3, Absatz 3b: "Abweichend von Absatz 1 dürfen gebrauchsfertige Produkte, die die Grenzwerte des Anhangs II für flüchtige organische Verbindungen nicht einhalten, in den Verkehr gebracht werden zum Zwecke der […] Restaurierung und Unterhaltung von […] Oldtimer-Fahrzeugen, die als historisch und kulturell besonders wertvoll eingestuft sind.“ (dr)
Fotos: DEUVET e.V. | Canva
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