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Traumnote oder Streitfall? BGH verschärft Regeln beim Klassiker-Verkauf

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Von DORIAN RÄTZKE
Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei … Das gilt auch beim Oldtimer-Verkauf. Die Liebhaberstücke sind Wertanlagen und manchmal Streitobjekte. Oft geht es dabei um den Zustand des Klassikers. Jetzt sorgt ein Urteil des Bundesgerichtshofs für mehr Klarheit. Wer bisher dachte, eine „2-3“ im Inserat sei nur eine nette Orientierung, muss nun umdenken: Die Zustandsnote ist fast so verbindlich wie ein amtliches Gutachten. 
Für Käufer, Verkäufer und Gutachter stellt sich die Frage: Wie viel Wahrheit steckt in der Zahl – und wer haftet, wenn der Traumwagen plötzlich doch Rost ansetzt? 
Wir haben darüber Romanus Schlemm gesprochen, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Oldtimer-Experte und Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechts Anwälte e. V. 
Anwalt Schlemm erklärt im Interview mit dem OCC-Magazin, was jetzt auf die Verkäufer zukommt, wie sich Käufer schützen können und ob er mit mehr Streitfällen in Zukunft rechnet. 

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Ein BMW 3.0 CS (E9) wird von Sachverständigen begutachtet.

Ein BMW 3.0 CS (E9) wird von Oldtimer-Sachverständigen begutachtet. 

MG B Roadster (Baujahr 1973) hatte Rost trotz Note 2-3

Der Fall: 2020 wechselte ein MG B Roadster, Baujahr 1973, den Besitzer – verkauft mit der verheißungsvollen Zustandsnote „2 bis 3“ und dem Hinweis auf ein entsprechendes Gutachten. Der Käufer wähnte sich damit auf der sicheren Seite, selbst wenn der Kaufvertrag einen Gewährleistungsausschluss enthielt. Die Realität sah anders aus: Bei der nächsten Hauptuntersuchung offenbarte der Oldtimer massive Mängel, von Durchrostungen bis hin zu einer schwachen Karosseriestruktur. Der Käufer wollte den Wagen zurückgeben, die Vorinstanzen winkten jedoch ab – schließlich sei die Gewährleistung ausgeschlossen. Der Fall ging hoch bis zum Bundesgerichtshof. Und der BGH stellte jetzt klar: Wer im Vertrag eine Zustandsnote angibt, macht damit eine verbindliche Zusage (die sog. „Beschaffenheitsvereinbarung“). An diese hat sich der Verkäufer zu halten, auch wenn er sich ansonsten aus der Haftung ziehen will. Nun muss die Vorinstanz prüfen, ob der MG B tatsächlich so gut dastand, wie versprochen.

Zustandsnoten werden zur rechtlichen Falle

Sehr geehrter Herr Schlemm, warum ist dieses BGH-Urteil für Oldtimer-Besitzer so wichtig? Was genau ändert sich dadurch im Vergleich zur bisherigen Praxis mit Zustandsnoten?

Rechtsanwalt Romanus Schlemm: „Der BGH hat in einer Entscheidung die erhebliche Bedeutung der Zustandsnoten betont. Es wäre wünschenswert, wenn Verkäufer von Oldtimern zukünftig sorgfältiger mit der Zustandsbeschreibung der zu verkaufenden Oldtimer umgehen, und dies nicht nur im Kaufvertrag, sondern auch bereits bei den Angaben in der Internetanzeige und natürlich auch im Verkaufsgespräch.“

Betrifft das Urteil nur Händler – oder auch Privatpersonen, die ihren Oldtimer verkaufen?

„Der vom BGH zu entscheidende Fall betraf einen privaten Verkauf. Das Urteil des BGH betrifft Händler und auch Privatpersonen gleichermaßen. Dies hat der BGH herausgestellt mit der Argumentation, dass die hohe Bedeutung der Zustandsnoten für den potenziellen Käufer selbstverständlich auch einem privaten Verkäufer ohne weiteres erkennbar ist.“

Bedeutet die Angabe einer Zustandsnote jetzt automatisch: Der Verkäufer garantiert diesen Zustand?

„Das ist in jedem Fall individuell zu beurteilen. Die Übernahme einer „Beschaffenheitsgarantie“ hat der BGH in diesem Fall nicht gesehen, wohl aber eine sog. „Beschaffenheitsvereinbarung“ zwischen den Vertragsparteien. 
Es kommt nämlich ganz darauf an, ob die von Verkäuferseite angegebene Zustandsnote auch als sog. „Beschaffenheitsvereinbarung“ dahingehend angesehen werden kann, dass der Verkäufer auch tatsächlich dafür einstehen wollte, dass der Oldtimer auch den Anforderungen der angegebenen Zustandsnote entspricht. Die Anforderungen an eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung sind jedoch streng. Allerdings ist nicht nur der Inhalt des Kaufvertrags von Bedeutung, sondern auch der Inhalt des Verkaufsgesprächs und derjenige der Verkaufsanzeige. Dies ist vielen Verkäufern nicht bewusst.“ 
 

Ein aktuelles Wertgutachten ist enorm wichtig im Klassiker-Markt. Denn wer als Verkäufer im Kaufvertrag eine Zustandsnote angibt, macht damit eine verbindliche Zusage – die sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung, urteilte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH).

Ein aktuelles Wertgutachten ist enorm wichtig im Klassiker-Markt. Denn wer als Verkäufer im Kaufvertrag eine Zustandsnote angibt, macht damit eine verbindliche Zusage – die sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung, urteilte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH).   

Schönfärberei kann teuer werden

Welche Folgen kann es für Verkäufer haben, wenn sie den Zustand zu gut darstellen?

„Wenn also die Darstellung des Fahrzeugzustandes als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen ist, dann kann eine zu gute Darstellung dazu führen, dass einem Käufer für den Fall, dass die verkäuferseits angegebene Zustandsnote objektiv unzutreffend war, entsprechende Gewährleistungsansprüche, wie z. B. Rücktritt, Minderung oder Schadenersatz zustehen.“

Was können Käufer tun, wenn sich nach dem Kauf herausstellt, dass das Auto schlechter ist als angegeben?

„Käufer sollten zunächst einmal technisch prüfen oder prüfen lassen, ob unter Berücksichtigung des Inhalts der Verkaufsanzeige, der jeweiligen Äußerungen in Rahmen der Verkaufsverhandlungen und natürlich auch der im Rahmen des Verkaufs übergebenen Dokumente wie zum Beispiel Gutachten, auch tatsächlich eine Abweichung von der angegebenen Zustandsnote vorliegt. Dann sollten sie sich dahingehend juristisch beraten lassen, welche Möglichkeiten für die Durchsetzung ihrer Ansprüche bestehen.“

Sind Gewährleistungsausschlüsse jetzt weniger wirksam, wenn im Vertrag eine Zustandsnote steht?

„Wenn die Auslegung des individuellen Falles ergibt, dass der Verkäufer vertraglich bindend für die von ihm angegebene Zustandsnote einstehen wollte, dann nützt ihm der in den meisten im Internet etc. erhältlichen Vertragsmuster enthaltene vorformulierte Gewährleistungsausschluss nichts. Bei einem Verkauf eines Händlers an eine Privatperson (Verbraucher) kann der Händler ohnehin einen Gewährleistungsausschluss nicht vornehmen, aber die gesetzliche Gewährleistung auf ein Jahr beschränken, was meist erfolgt.“  

Gutachten im Rampenlicht

Welche Rolle spielen Gutachten? Reicht eine Zustandsnote im Vertrag – oder sollte man zusätzlich immer ein aktuelles Gutachten haben?

„Den Zustand beschreibende Gutachten – vor allem Kurzgutachten – sind heute häufig vorhanden. Idealerweise sollten Gutachten, welche einen Marktwert und/oder eine Zustandsnote angeben, auch aktuell sein. Gutachten stehen natürlich dann im Focus, wenn nach dem Kauf herauskommt, dass der Fahrzeugzustand nicht demjenigen aus dem Gutachten entspricht. Wenn der Verkäufer also in seiner Anzeige, in den Verkaufsverhandlungen und auch im Vertrag auf ein Gutachten – oder Kurzgutachten – hinweist, dann sollte er sich vorher vergewissern, ob dieses Gutachten auch den tatsächlichen Fahrzeugzustand zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs widerspiegelt. 
Wird ein Gutachten mit Angabe des Marktwerts und/oder einer Zustandsnote beim Kauf übergeben und bezieht sich der Verkäufer darauf, dann spricht bereits sehr viel für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung bzgl. dieser Wert bildenden und kaufentscheidenden Faktoren."

Wie können Verkäufer sich absichern, damit sie nicht ungewollt für alte Schäden haften?

„Wie schon erwähnt, kann es nicht nur auf den Inhalt des Kaufvertrags ankommen, sondern auch auf die Verkaufsanzeige und natürlich die Verkaufsverhandlungen. Einem Verkäufer ist zu raten, dass er peinlich genau darauf achtet, den Oldtimer nicht besser darzustellen, als er tatsächlich ist. 
Gutachten – ob kurz oder ausführlich – werden häufig als Verkaufsargument genutzt. Verkäufer sollten sich deshalb vorher vergewissern, ob die Inhalte tatsächlich dem Zustand des Oldtimers zum Zeitpunkt der Übergabe entsprechen.
Eine gute Absicherung wäre ein individuell erstellter Vertrag, der den Fahrzeugzustand – sachlich und zutreffend wiedergibt. Gibt es z. B. Mängel oder Vorschäden, etc., dann sollten diese im Vertrag aufgeführt werden, da in diesem Fall der Käufer bei entsprechender Kenntnis sich darauf nicht mehr berufen kann, dass der Verkäufer ihn nicht entsprechend informiert hätte. Hat der Verkäufer Zweifel, dann sollte er lieber auf solche Angaben, für die er nicht einstehen kann, verzichten.“ 
 

Bedeutung der Zustandsnoten wird durch Urteil gestärkt

„Der BGH hat in einer Entscheidung die erhebliche Bedeutung der Zustandsnoten betont. Es ist damit zu rechnen, dass Verkäufer von Oldtimern zukünftig sorgfältiger mit der Zustandsbeschreibung der zu verkaufenden Oldtimer umgehen, und dies nicht nur im Kaufvertrag, sondern auch bereits bei den Angaben in der Internetanzeige und natürlich auch im Verkaufsgespräch.“

Mehr Streitfälle sind möglich

Was empfehlen Sie Käufern und Verkäufern ganz praktisch beim nächsten Kauf oder Verkauf eines Oldtimers? Vielleicht eine kleine Checkliste?

„Nun, eine lediglich kleine Checkliste würde da nicht reichen, da viel zu beachten ist und natürlich jeder Kauf individuell beurteilt werden muss. Das geht bei der Anzeige los und endet bei einer korrekten Vertragserstellung. Grundsätzlich sollten Verkäufer darauf achten, dass keine Angaben zur Beschaffenheit getätigt werden, für die sie nicht einstehen könnten. Verkäufer sollten sich bei der Übergabe eines Gutachtens vorher vergewissern, ob dessen Inhalt auch den tatsächlichen Fahrzeugzustand widerspiegelt und Käufer sollten natürlich den im Gutachten aufgeführten Fahrzeugzustand kritisch hinterfragen.“

Glauben Sie, dass das Urteil die Oldtimer-Szene verändert – zum Beispiel hin zu realistischeren Zustandsnoten oder mehr Professionalität bei Kaufverträgen?

„Es ist damit zu rechnen, dass private oder auch gewerbliche Verkäufer, die von diesem BGH-Urteil gehört haben, zukünftig vielleicht etwas sorgfältiger den geplanten Anzeigentext und schließlich auch den Kaufvertrag gestalten werden.“

Und zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Erwarten Sie mehr Streitfälle – oder eher eine Professionalisierung und realistischere Noten?

„Das kommt ganz darauf an, wie man auf die BGH-Entscheidung reagiert! Natürlich sind realistische Noten von erheblicher Bedeutung, da sind natürlich die Sachverständigen gefragt. Was die Streitfälle anbelangt, ist es oft so, dass private Käufer über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, die den Käufern relativ leicht zum Beispiel eine Klage auf Rückabwicklung eines Oldtimerkaufvertrags finanziert. Händler dagegen haben selten entsprechende Rechtsschutzversicherungen und müssen Anwalts- und Gerichtskosten im Falle des Unterlegens daher meist selbst tragen.“

Fotos: Kanzlei Schlemm | OCC Assekuradeur 

Mehr Infos zur Kanzlei von Romanus Schlemm (Fachanwalt für Verkehrsrecht, Oldtimer-Experte und Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechts Anwälte e. V.) finden Sie hier. 

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