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Motorrad-Historie
Mit Pedalantrieb
den Berg hinauf

Motorräder Titel
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Ein Gastbeitrag aus dem Online-Magazin von Classic Trader
... Zweiräder sind Zeitzeugen der Massenmobilisierung. Was am Anfang kaum mehr als ein Fahrrad mit Hilfsantrieb war wurde später zum pragmatischen Nutz-, und dann zum geliebten Freizeitfahrzeug. Im ersten Teil der Classic Trader-Serie durch die Jahrzehnte der Motorradgeschichte beleuchten wir die ganz frühen Jahre der Motorräder bis 1949.

Die Geburtsstunde des Motorrads ist eigentlich keine Stunde, sondern eine Ära. Sie kann beileibe nicht auf einen konkreten Zeitpunkt zurückgeführt werden. Denn viele Ingenieure hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts darum verdient gemacht, dem Fahrrad, und damit dem Menschen mittels Antrieb auf die Sprünge zu helfen. Dampf- und Pferdekraft galten seinerzeit noch als maßgebliche Triebfedern des Fortschritts.

Den Verbrennern gehört die Zukunft

Doch spätestens mit den Entwürfen von Edward Butler (ein Dreirad von 1884), Daimler und Maybach (Holzkonstruktion von 1885) oder Hildebrand & Wolfmüller (1894), dem ersten frei verkäuflichen Zweirad mit Benzinmotor, war klar: Die Zukunft der Massenmobilisierung gehört den Verbrennern. Europa war das Zentrum dieser Bewegung. Das Motorrad entwickelte sich hier parallel zum Automobil, das bekanntermaßen mit dem dreirädrigen Benz Motorwagen im Jahr 1886 seinen Durchbruch feierte. Was später eine weltumspannende, eine Kultur-prägende Industrie werden sollte, war anfänglich aber kaum mehr als eine leise Ahnung, die auf zwei wackligen Reifen stand.

Mehr Maschinist als Pilot

Antreten, Ölen, Verstellen, Beobachten, Horchen, Riechen. Die Fahrer von Motorrädern der ersten Generation hatten ständig mit der anfälligen, leistungsschwachen Technik zu kämpfen. Als Bediener von Oberflächenvergasern, Lederriemen und Magnetzündungen waren sie mehr Maschinist denn Pilot – und trotzdem leidenschaftliche Botschafter des Fahrtwinds. Auf buckligen Staubpisten waren ihre wild zusammengeschusterten Fahrrad-Derivate, ohne Getriebe, Kupplung, Federung oder drehbaren Gasgriff, ziemlich wilde Gefährte. Die als Luxusgüter außerdem nur der Oberschicht vorbehalten waren.

Pedalantrieb half über den Berg

Trotzdem scheuten die Entwickler jener Tage keinen Aufwand. Sie schritten mit Courage und reichlich Fantasie ans Zeichenbrett. Bei René Gillet aus Paris lag das Augenmerk zum Beispiel auf Dynamik und Sportlichkeit. Man sollte eins mit der Maschine werden. Weshalb die Sitzposition seiner „GT“ von 1906 verhältnismäßig sportlich ausfiel und der Sattel auf Höhe des Rahmenoberzugs angebracht wurde, statt wie sonst üblich weit darüber zu thronen. Auch ihr 600er V-Twin war revolutionär. Trotzdem konnte man bei Bedarf zusätzlich in die Pedale treten, wenn der Berg zu steil oder das Benzin verfeuert war. Noch war Motorradfahren mehr Arbeit als Vergnügen.

Vehikel für die Front

Mitte der Nullerjahre kam Schwung in die Branche. Dank standardisierter Einbau-Motoren in individuellen Fahrgestellen wuchs das Angebot. Royal Enfield, Harley-Davidson, Indian oder Triumph wurden zu dieser Zeit gegründet. Diese Marken feiern noch heute große Traditionen. Zumal die Aufrüstung während des Ersten Weltkriegs die junge Industrie beflügelte. Das Militär war dankbar für wendige Vehikel an der Front, vor allem um Nachrichten zu übermitteln. Die Briten ritten fortan nicht mehr auf dem Rücken eines Pferdes, sondern im Sattel einer Triumph Model H. Die 550er Dreigang-Maschine, von der ganze 57.000 Exemplare gebaut wurden, gilt noch heute als Meilenstein.

DKW größter Produzent der Welt


Wie auch viele Produkte aus dem Hause DKW – der deutschen Marke aus Zschopau, die in den 1920ern Harley-Davidson als größten Motorradproduzenten der Welt ablösen sollte. Glasakkus und Karbidlampen waren längst Geschichte. Es ging voran. Vielen Unternehmern ging angesichts des drohenden Zweiten Weltkriegs jedoch die Luft aus, bevor sie sich richtig etablieren konnten. Der Markt war mittlerweile riesig, denn das Motorrad wurde als günstiger Gegenentwurf zum Automobil gefeiert. Allein in Berlin zählte man mehrere hundert Hersteller. Angesichts der wachsenden Verkehrsdichte, vor allem in den Städten, wurden effiziente Bremsen immer wichtiger. Fahrwerke wurden verfeinert, die Bedienung einfacher. Die Kundschaft wollte mehr. Kleine Manufakturen waren diesem Wandel nicht gewachsen. Condor, Achilles, Progress, Minerva, Göricke – heute alles tote Namen aus einer Zeit der Motorräder bis 1949. Sie scheint fast vergessen, hat aber den Weg zum modernen Motorrad geebnet.

Text und Fotos: Sven Wedemeyer
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