Lexmaul, Zender, Rieger & Co.:
Die deutschen Tuner der 80 Jahre
Von 0 auf Platz 1 in den Kino-Charts! Till Schweigers „MANTA MANTA – ZWOTER TEIL“ legt den Turbo ein und zeigt einen Raketenstart. 90 Minuten Lacher, Action, schräge Typen. Mit der Fortsetzung des Kassenschlagers von 1991 (1,2 Mio. Kinobesucher) kommt auch wieder das Lebensgefühl der 80er und frühen 90er zurück.
Erinnern Sie sich noch? Vokuhila-Frisuren, Trainingsanzüge aus Ballonseide, erst ballerte NDW aus den Boxen, dann Techno und Eurodance (Frau singt, Mann rappt), akustisch aufgerüstet mit Subwoofern und Endstufen.
Die Autos waren oft sehr breit und manchmal stark. Es gab Dosenbier und Diskussionen um Felgen, Spoiler, Fächerkrümmer, Nockenwellen, Bodykits und Reifendimensionen („195er oder 205er?“). Kotflügel wurden verbreitert, Auspuffanlagen überdimensioniert. Der legendäre D&W-Katalog mit den waffenscheinpflichtigen Damen in Lack und Leder war die Bibel aller Tuningfans. Ob Opel, VW, BMW, Mercedes – die Szenejünger waren heiß auf Umbauten.
Und die angesagten Tuner hießen damals Kamei, Oettinger, Nothelle, Mattig, Zender, Irmscher oder Rieger. Viele Namen sind für immer vom Markt verschwunden, andere sind noch präsent (Abt, Brabus).
Warum haben so viele Tuner aufgegeben? „Ein Grund ist sicherlich, dass die Automobil-Hersteller schon in den 90er Jahren das Zubehörgeschäft selbst in die Hand genommen haben. Schon ab Werk gab es viele Möglichkeiten, sein Auto individuell zu gestalten“, so Harald Schmidtke, Geschäftsführer vom deutschen Autotuner-Verband VDAT e.V.
Verschwunden, aber nicht vergessen. Wir wollen an die interessantesten Tuner dieser Epoche erinnern. Schrill und skurril – so trafen sie den Nerv und den Zeitgeist einer Generation. Und bei allen begann der Erfolg in einer Garage…
Lexmaul: der Opel-Gott
Lexmaul war allen Opel-Fans geläufig. In einer ehemaligen kleinen Schreinerei in Kelkheim frisierte Fritz Lexmaul (1940 – 2022) schon in den 1970ern Zylinderköpfe und experimentierte mit Weber-Vergasern. Das sprach sich rum und bald forderte die vorwiegend junge Kundschaft mit Ascona, Manta oder Kadett schärferes Zubehör wie Spoiler, Lenkräder oder Felgen. 1996 verkaufte Fritz Lexmaul seine Firma. Heute firmiert das Unternehmen unter Lexmaul perfomance, sitzt in Rödermark.
Kamei: Tüftler und Genie
Karl Meier, ehemaliger Konstrukteur bei VW, gründete Kamei (für Karl Meier) 1952. Mit der berühmten „Schlummerrolle“, die sich später zur Sicherheitskopfstütze weiterentwickelt, wird das Unternehmen berühmt. Der Tüftler erfand ein Jahr später das „Tiefensteuer“ bei einem Käfer (heute als Spoiler) bekannt, 1955 die „flatterfreie Schutzhülle mit Gepäckträger“ auf dem Autodach (Vorläufer der Dachbox) und 1964 die Lenkradhülle „Avus“ (bisher 100. Mio Exemplare produziert). In den 1980ern sponsorte Kamei diverse Motorsportteams. Heute ist die KAMEI GmbH & Co. KG mit Sitz in Wolfsburg Lieferant von Auto-Dachboxen und Zubehör für verschiedene Hersteller.
Oettinger: der Übervater
Der „Übervater“ aller deutschen Tuner startete 1946 als Ingenieurbüro Oettinger in Friedrichsdorf bei Frankfurt. In der hauseigenen Garage der elterlichen Villa reparierte Gerhard Oettinger zunächst Alltagsfahrzeuge, bevor er sich der Leistungssteigerung am VW Käfer widmete. Seine Okrasa-Anlagen mit Doppelvergasern und Doppelkanalzylinderköpfen verkauften sich besonders in Amerika glänzend. Die Firma expandierte Anfang der 1960er sogar nach Australien, später nach Japan. 1980 feierte Oettinger große Erfolge mit dem Sondermodell Golf GTI 16 S (es besaß den ersten Vierventilmotor für Serienfahrzeuge weltweit). Weniger Glück besaß Oettinger auf dem Immobilienmarkt, durch Fehlspekulationen musste er 1992 Insolvenz anmelden. Mitarbeiter übernahmen die Firma. Heute ist Oettinger mit Motortuning und Zubehör wieder fest in der Szene verankert.
Rieger: Breitbauten fürs Volk
Toni Rieger startete vor über 35 Jahren in der heimischen Werkstatt im niederbayrischen Eggenfelden. Zuerst tüftelte er stundenlang am Golf I, dann nimmt er sich den Scirocco vor. Bald ist Rieger Tuning in aller Munde. Besonders die berühmten Rieger-Breitumbauten, die damals die Zulassungsstellen regelmäßig ins Schwitzen brachten, sind inzwischen Kult und begehrte Sammlerstücke. Natürlich haben die Breitumbauten alle Gutachtenhürden genommen. Rieger ist auch heute dick im Zubehör-Geschäft. Der aktuelle Katalog ist 600 Seiten stark.
Irmscher: 500.000 Sondermodelle
1968 gründete Rennfahrer Günther Irmscher sen. (1937 – 1996) seine gleichnamige Firma in Winnenden (bei Stuttgart). Sein Startkapital beschaffte er sich aus dem Verkauf eines Rennfahrzeugs. Spezialität: Opel Tuning. 1977 fertigte Irmscher die erste Opel-Sonderserie (Opel Kadett City). Über eine halbe Million Sondermodelle hat Irmscher seitdem produziert, darunter gesuchte Klassiker wie den Opel Kadett C Irmscher, Manta i 200, Vectra i 500 oder den Irmscher Senator 4.0l (272 PS, 256 km/h schnell). Seit 1996 wird das Unternehmen von Günther Irmscher jun. geführt. Inzwischen bietet Irmscher auch Tuningzubehör für weitere Marken an (u.a. Tesla, Ford, Fiat, Peugeot und Volkswagen).
Mattig: mit Rallye-Gen
Die ersten Betriebsräume von Mattig (1949 gegründet) waren eine alte Scheune im niederbayrischen Hauzenberg. Schon fünf Jahre später platzte die junge Firma von Ernst Mattig aus allen Nähten – Umzug in einen Neubau. Ein Verkaufs- und Wartungsdeal 1962 mit Opel machte eine Betriebsvergrößerung nötig. Ab 1978 konzentrierte sich die Niederbayern (inzwischen von Ernst Mattigs Sohn Peter geführt) auf sportliches Tuning, Peter Mattig war selbst erfolgreicher Rallyefahrer. Laut Verband der Automobil Tuner e.V. ist Mattig nicht mehr aktiv.
Zender: Motorsport und Heckspoiler
Auch die rheinland-pfälzische Zender GmbH fand ihren Ursprung in einer Garage (in Bassenheim bei Koblenz). Hans-Albert Zender produzierte schon im Alter von 23 Jahren individuelle Schalensitze, Anfang der 1970er konstruierte er Kotflügelverbreiterungen für den NSU TT. Der passionierte Motorsportler machte sich später weltweit mit Front- und Heckspoilern, Kotflügel und anderen Zubehörparts einen Namen in der Szene. Aufsehen erregten seine Sportwagen-Prototypen (Zender Escape 6, Thirty Seven, Fact 4 Spider). 2008 stellte die Zender GmbH den Geschäftsbereich Tuning ein.
Hörmann: Turbo für Italiener
Durch die eigenen Erfolge im Rennsport (über 100 Klassensiege) fühlte sich das Allgäuer Team von Hörmann Motorsport befähigt, Tuning auch für Otto Normalverbraucher anzubieten. Nur nicht für Opel & Co., sondern für schicke Italiener. Hörmann gehörte zu den bekanntesten Tunern für Alfa Romeo, Fiat und Lancia. Ob Uno, Punto, Tipo oder Cinquecento, Hörmann machte aus den kleinen Italienern mit Umbaukit und Motorkur richtige Rennmaschinen.
Infos unter: https://www.hoermann-motorsport.de/
SGS: Flügeltürer und Bar
Scheichs und schwerreiche Ölmagnaten schwörten in den 80ern auf skurrile Mercedes-Umbauten des Hamburger Tüftlers Christian Hahn. Die SGS Styling-Garage schuf automobilen Luxus, der seinesgleichen suchte. Flügeltüren, Bar, Videorekorder, Fernseher, ein 500er SEC als Cabrio? Kein Wunsch blieb unerfüllt. Mercedes untersagte die Verwendung des Sterns, SGS bekam vom Kraftfahrt-Bundesamt sogar eine eigene Hersteller-Nummer. Heute widmet sich SGS Styling Garage Service UG der Oldtimer-Restaurierung.
Hier gibt's eine Liste aller Tuner
Eine Übersicht über viele deutsche Tuner und Zubehörbetriebe finden Sie beim VDAT e.V. Er wurde 1987 gegründet, zum damaligen Vorstand gehörten u.a. Bodo Buschmann (Brabus), Michael Lauer (AC Schnitzer), Harald Trauschweitzer (TVR) und Errol Kordick (Kordick Design). (dr)
Infos unter: https://www.vdat.org/de/
Fotos: Rieger | Lexmaul performance | SGS Styling-Garage | Hörmann | Irmscher | Zender | Mattig | Matei | Oettinger
Gewinnspiel: gratis Kinokarten für "Manta Manta - Zwoter Teil"
Seit 30. März 2023 ist der "zwote Teil" von "Manta Manta" in den deutschen Kinos. Inhalt: Bertie (Til Schweiger) hat schon vor einiger Zeit seine Rennfahrerkarriere an den Nagel gehängt und betreibt mehr schlecht als recht eine Autowerkstatt und eine angeschlossene Kart-Bahn. Als er mit der Tilgung eines Darlehens in Rückstand gerät und die Bank mit Zwangsversteigerung des Grundstückes droht, fasst Bertie einen waghalsigen Plan: Die Siegerprämie beim anstehenden großen 90er-Jahre Rennen auf dem Bilster Berg könnte seine finanziellen Probleme auf einen Schlag lösen. Ein Wettrennen gegen die Zeit beginnt: Einen Monat hat er Zeit, um aus seinem alten Opel ein Geschoss aus alten Manta-Tagen zu machen. Als dann noch Ex-Frau Uschi (Tina Ruland) plötzlich in Berties Leben tritt, mit der Bitte, sich um den gemeinsamen Sohn Daniel (Tim Oliver Schultz) zu kümmern, ist der Chaos-Monat komplett...
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Foto: CONSTANTIN FILM VERLEIH GmbH
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