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Steuer-Schummel bei H-Kennzeichen?
Oldtimer-Szene zofft sich mit Behörde

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Dieser Vorwurf bringt die Oldtimer-Community auf die Palme: Schummeln Klassiker-Besitzer etwa bei der Kfz-Steuer? Das behauptet indirekt der Bundesrechnungshof und sorgt für Zoff in der Szene. Angeblich 170 Millionen Euro sollen dem Fiskus pro Jahr entgehen, weil zu viele Klassiker-Besitzer für ihre alten Fahrzeuge ein H-Kennzeichen beantragen würden und damit in den Genuss der günstigen Pauschalbesteuerung kämen, kritisiert der Bundesrechnungshof. Außerdem würden diese Fahrzeuge dann oft regelwidrig als Alltagsfahrzeug genutzt.
Drohen jetzt Steuererhöhungen und strengere Kontrollen?
Wir haben mit Clubs und Verbänden über die Vorwürfe gesprochen. Lesen Sie hier Argumente der Oldtimer-Community, die sich vehement gegen die Anschuldigungen der Bundesbehörde wehrt.

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Das Hobby Oldtimer wird immer populärer in Deutschland. Die Zulassungen für H-Kennzeichen sind gestiegen

170 Millionen Euro weniger Steuern?

Der Bundesrechnungshof (oberste Bundesbehörde, prüft regelmäßig die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes) hatte im Dezember seine Empfehlungen für den Bundeshaushalt vorgestellt und Ende April einen Ergänzungsband veröffentlicht. Dort finden sich die Passagen zur angeblichen Steuerverschwendung durch Oldtimerfahrer.
Unter der Rubrik Allgemeine Finanzverwaltung findet sich der Punkt 36: „Immer mehr Oldtimer-Kennzeichen für Alltagsfahrzeuge: Hoher Steuerverzicht und Schadstoffbelastung.“
Der Bundesrechnungshof kritisiert: „Die Vergünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Oldtimer, die als Alltagsfahrzeuge genutzt werden, widerspricht dem ursprünglichen Ziel des Gesetzgebers und den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) sieht keinen Handlungsbedarf. Die Oldtimer-Besteuerung mit einer finanziell günstigen Jahrespauschale sollte ursprünglich nur für Fahrzeuge gelten, die als historische Sammlerstücke zur Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturguts eingesetzt werden. Mittlerweile kann die Besteuerungsform auch auf Fahrzeuge angewendet werden, die im Alltagsverkehr als übliche Beförderungsmittel genutzt werden. Die rasante Zunahme auf fast 400 000 steuerlich begünstigte Fahrzeuge führt dazu, dass die jährlichen Einnahmen bei der Kraftfahrzeugsteuer um 170 Mio. Euro geringer ausfallen. Der Bundesrechnungshof hält es für zwingend erforderlich, die Fehlentwicklungen zu beseitigen. Er hat das Bundesministerium der Finanzen zu einer zügigen Gesetzesinitiative aufgefordert, um Alltagsfahrzeuge aus der besonderen Oldtimer-Besteuerung auszuschließen.“

DEUVET: Zahlen sind nicht nachvollziehbar

Eine Forderung, die für Unruhe und Empörung in der Oldtimer-Szene sorgt. So seien einige Behauptungen des Bundesrechnungshofes nicht durch Fakten gestützt. Jan Hennen, Sprecher des DEUVET Bundesverband Oldtimer-Youngtimer e.V.: „Es wird von 400.000 Fahrzeugen berichtet, diese Zahlen sind für den DEUVET aus der Statistik des Kraftfahrtbundesamts allerdings nicht nachvollziehbar. Aber der vermeintliche steuerliche Vorteil der H-Zulassung muss sachlicher betrachtet werden. Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung von rund 1.100 Kilometern im Jahr zahlt der Oldtimereigner mit seiner Einheitssteuer von 191,73 Euro für jeden Kilometer auf deutschen Straßen 17,4 Cent und damit 17 Mal soviel „Straßenbenutzungsgebühr“ wie bei einem normalen PKW, der bei rund 13.300 Kilometern im Jahr und durchschnittlicher Kfz-Steuer von 143 Euro nur 1,07 Cent pro Kilometer kostet. Fahrer doppelt so schwerer E-Autos zahlen sogar überhaupt keine Steuer, ihre Wagen belasten aber die Infrastruktur durch ihr Gewicht um so mehr. Für den Bau und die Erhaltung der Straßen ist die Kfz-Steuer ja eigentlich gedacht.“

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Oldtimerfahrer bewegen ihre Fahrzeuge nachweislich vorsichtiger auf den Straßen mit deutlich geringerer Laufleistgung als Alltags-Pkw

Neue Studie: Oldtimer fahren nur 1.600 km pro Jahr

Immer mehr Oldtimer sollen angeblich als Alltagsautos genutzt werden – was ist dran an diesem Vorwurf der Bundesbehörde? Mario De Rosa, Erster Vorsitzender der Initiative Kulturgut Mobilität, protestiert in einem Brief an den Präsidenten des Bundesrechnungshofs: „Mehrmals erhobene Studien haben die Mär der überbordenden Alltagsnutzung historischer Fahrzeuge inzwischen wiederholt widerlegt. Aktuell liegt die „Classic-Studie 2023 Wirtschaftsfaktor Young- und Oldtimer 2023“ der BBE Automotive GmbH in der nunmehr fünften Auflage vor, in welcher die durchschnittliche Fahrleistung eines H-Kennzeichen-bewehrten klassischen Fahrzeugs mit 1600 km pro Jahr angegeben wird, was 0,2 % der jährlichen Fahrleistung des Gesamt-PKW-Bestands in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Ein im Alltag genutztes Fahrzeug weist lt. KBA-Inländerfahrleistung für das Jahr 2021 eine PKW-Laufleistung von durchschnittlich 12.843 km pro Jahr auf.“

Oldtimer-Branche erwirtschaftet 1,9 Milliarden Euro pro Jahr

Verwunderung auch beim Allgemeinen Schnauferl-Club Deutschland e.V. (ältester Oldtimer-Club Deutschlands, vor 123 Jahren gegründet). ASC-Präsident Uwe Brodbeck zum OCC-Magazin: „Die Mitglieder des ASC-D besitzen etwa 7.000 bis 8.000 Oldtimer. Die Masse dieser Oldtimer besteht aus alten bis sehr alten Fahrzeugen, die für den täglichen Gebrauch nicht geeignet sind. Auch jüngere Fahrzeuge wie beispielsweise die Porsche 911er werden, wenn überhaupt, gelegentlich und bei schönem Wetter zur Fahrt ins Büro oder sonst wo hin benutzt. Und im Winter bei Schnee und vor allem Salz auf den Straßen wird man kaum mal einen Oldtimer antreffen. Die Zahlen des Amtes, dass immer mehr ihre Oldtimer als Alltagsautos benutzen, kann ich für unseren Club deshalb nicht bestätigen. Vielleicht sollte man den Bunderechnungshof auch darauf hinweisen, dass Oldtimer-Fahrer im Jahr rund 1,9 Milliarden Euro für Wartungen und Pflege ihrer rollenden Kulturgüter ausgeben.“

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Repariert werden muss immer: Die Oldtimerbranche erwirtschaft 1,9 Milliarden Euro pro Jahr

Höhere Steuern haben negativen Effekt

Auf möglichen Auswirkungen von Steuererhöhungen auf die Oldtimer-Szene weist der Heidelberger Klassiker-Experte und Anwalt für Oldtimerecht Michael Eckert hin: „Das Oldtimer-Hobby ist kein Hobby für Reiche. Ein sehr großer Prozentsatz von Oldtimern bewegt sich im Bereich von Kleinfahrzeugen, Motorrädern, relativ preiswerten Limousinen etc. Eine Verteuerung der Steuer für das H-Kennzeichen würde das Hobby und damit auch den selbst finanzierten Erhalt solcher Fahrzeuge schmerzhaft verteuern. Dies könnte auch dazu führen, dass es sich nicht mehr rechnet, historische Kleinwagen zu restaurieren und zu nutzen. Damit würde aber ein sehr wichtiger Teil der automobilen Historie gefährdet werden.“

Er warnt vor weitere Beschränkungen: „Es muss unbedingt vermieden werden, dass mit Oldtimern, ähnlich wie bisher beim sog. 07er-Sammlungs-Kennzeichen, nur noch bestimmte Fahrten gemacht werden dürfen. Oldtimer mit H-Kennzeichen sollen nicht nur auf Treffen präsentiert werden, sondern es ist wichtig, sie gerade zur Erreichung des mit dem H-Kennzeichen verbundenen Zwecks auch im Alltag zu zeigen, beispielsweise auch auf einer Wochenend-Ausfahrt, einer Fahrt in den Urlaub oder vielleicht auch einmal auf der Fahrt ins Büro. Auch Baudenkmäler dürfen ja nicht nur am Wochenende oder zu bestimmten Gelegenheiten genutzt werden, obwohl dort die steuerlichen Vorteile wesentlich höher sind."

Wird H-Kennzeichen zu schnell erteilt?

Nein! Carsten Müller, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Rechtsausschuss und Vorsitzender des Parlamentskreises Automobiles Kulturgut im deutschen Bundestag: "Die Behauptung, es sei heute leichter ein H-Kennzeichen zum Erhalt des historischen mobilen Kulturguts auf zwei oder vier Rädern zu erhalten, ist falsch. Die im Jahr 1997 eingeführten Anforderung zur Erteilung eines H-Kennzeichens wurden nicht gelockert – auch nicht durch die Umsetzung europäischer Richtlinien, etwa im Jahr 2007. Alle Fahrzeuge müssen klar definierte Voraussetzungen erfüllen, die durch ein Oldtimer-Gutachten nach § 23 StVZO belegt werden. Diese Gutachten erstellen die Prüforganisationen nach einer strengen und klar abgestimmten „Arbeitsanweisung für Oldtimer im Arbeitskreis Erfahrungsaustausch in der technischen Fahrzeugüberwachung (AKE)“. Allein darüber wird Sorge getragen, dass es sich um technisches Kulturgut und kein Massenphänomen handelt."

Schadstoffemissionen durch Oldtimer gering

Bleibt noch der Vorwurf, dass Oldtimer für schlechte Luft sorgen. Der Bundesrechnungshof spricht von einer "deutlich höheren Schadstoffbelastung durch alte Fahrzeuge", die angeblich den klimapolitischen Zielen des Bundes widerspreche. CDU-MdB Carsten Müller: "Die Ausführungen des Bundesrechnungshofes zum Thema Schadstoffemissionen sind schlicht populistisch und nicht belastbar. Ignoriert wird, dass Oldtimer mit einer durchschnittlichen Laufleistung von 1.600 km im Jahr nur einen Anteil von 0,2 Prozent an den Gesamtemissionen verantworten. Ignoriert wird zudem, dass die historischen Fahrzeuge mit Otto-Motor – und das ist der absolut größte Anteil der Fahrzeuge –, die in diesen Tagen die Altersgrenze der Oldtimer erreichen, alle über einen geregelten 3-Wege-Katalysator verfügen. Insbesondere bei Fahrzeugen ist zudem eine Lebenszyklusbetrachtung unerlässlich. Ein erheblicher Teil des CO2-Fußabdrucks von Kraftfahrtzeugen entsteht bei der Produktion und bei der Entsorgung. Ein besonders langzeitig genutztes Fahrzeug ist unter diesem Aspekt und auch unter den Gesichtspunkten der Reparierbarkeit sowie Vermeidung von Ressourcenverbrauch besonders nachhaltig.“

Günstige Versicherung an Bedingungen geknüpft

Oldtimer-Besitzer profitieren oft von günstigen Versicherungsbeiträgen, die Versicherer wie z.B. OCC Assekuradeur anbieten. Diese Prämien können nur angeboten werden, weil die Nutzung als Alltagsfahrzeug in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen wird. Das spiegelt sich auch in den - im Vergleich zu normalen Pkw - niedrigen Schadenquoten wider. Anwalt und Oldtimer-Experte Michael Eckert: "Bei allen mir bekannten Versicherungen wird eine maximale jährliche Laufleistung festgelegt, was zusätzlich eine Nutzung als Alltagsfahrzeug verhindert."
Sein Fazit: "Oldtimer sind rollendes Kulturgut, das ohne Unterstützung des Staates auskommt, repariert oder restauriert und betrieben werden muss. Mir ist kein anderes schützenswertes Kulturgut bekannt, das den Staat so wenig kostet wie Oldtimer." (dr)

Fotos: Bundesrechnungshof | OCC

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