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Per Knopfdruck:
Add On E-Engine macht
Oldtimer leise und sauber

Entwicklungsprojekt Urban Clean Drive Protokoll Step 03 2020 04
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Was wäre die Oldtimerszene nur ohne die vielen klugen Köpfe und fleißigen Tüftler? Zum Beispiel Roland Heidl, Kfz-Mechaniker-Meister, bekannter Rennsport-Techniker und Sportwagen-Tuner.
Heidl (Jahrgang 1964) ist Chef des gleichnamigen Unternehmens aus Düsseldorf. Seit Jahrzehnten beschäftigt sich sein Team mit der Optimierung von Porsche-Fahrzeugen. Für Aufsehen sorgte Roland Heidl jetzt mit seiner patentierten Add On E-Engine.
In Zusammenarbeit mit Ingenieuren des Bochumer Instituts für Elektromobilität in Form einer Machbarkeits-Studie (gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) entstand ein hybrider High-Tech-Antrieb, der es wirklich in sich hat. Heidl verspricht den Erhalt des klassisches Oldtimer-Fahrgefühls, einen „minimal-invasiven“ Eingriff, emissionsfreies Fahren in den Innenstädten, abgasreduziertes Fahren mit dem Verbrenner und eine größere Reichweite insgesamt.
Im Interview mit dem OCC-Magazin erzählt der Techniker, wie der neue Antrieb funktioniert, was er kostet und was sein Sohn mit der Erfindung zu tun hat.

911 T Add on e

Der blaue Porsche 911 Ölklappe ist der erste fahrbereite Prototyp mit der neuartigen Add On E-Engine.

Anfahren im 3. Gang

Vorab eine Erklärung, was Add On E-Engine überhaupt bedeutet. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich dabei um ein Add-on, einen zusätzlichen Elektroantrieb. Dieser ergänzt den vorhandenen Original-(Verbrennungs-)Motor, ersetzt ihn aber nicht.
Wie funktioniert es? Ein zusätzlicher Elektromotor unterstützt das Antriebssystem. Er greift bei Aktivierung per Knopfdruck automatisch auf die dritte Fahrstufe des Original-Fünfgang-Schaltgetriebes zu. Im 3. Gang? Ja, der Elektromotor hat genug Power, um das Anfahren auch im dritten Gang zu ermöglichen. Das Steuermodul befindet sich dort, wo eigentlich der Aschenbecher zu finden sein müsste. Drei runde Tasten regeln den elektrischen Antrieb. Die zentrale Funktion sitzt in der Mitte des Steuermoduls: Der Buchstabe E aktiviert den Elektromotor, ein ausgeklügelter Mechanismus blockiert den Schalthebel. Auch das Serien-Gaspedal kommt dann nur noch mit wenigen Millimetern Pedalweg aus. Das Gasgestänge für den Verbrennungsmotor im Heck des Porsche 911 E Ölklappe wird im E-Modus ebenfalls außer Kraft gesetzt. Das ist praktisch bei Fahrten durch die Innenstädte: leise und sauber. Für das Fahren mit dem Verbrenner wird der Elektroantrieb per Knopfdruck ausgeschaltet und der Motor ganz normal mit dem Anlasser gestartet.

Add On E Engine Praesentation Cars and Bytes 2022 02

Der zusätzliche E-Motor leistet theoretisch bis zu 93 kW, ist aber für den Stadtbetrieb auf 30 kW gedrosselt, beim Anfahren liegt ein Drehmoment von 125 Nm an. Damit sind bis zu 80 km/h möglich.

Verbrenner erhalten, Wert steigern

Herr Heidl, wann kam Ihnen die Idee zu dieser Erfindung? Was gab den Ausschlag dafür?

Roland Heidl: "Ich habe das Glück gehabt, mein Hobby zum Beruf machen zu können. Inzwischen lebe und arbeite ich bereits seit 40 Jahren mit und an Porsche-Fahrzeugen. Natürlich bin ich auch manchmal mit einem alten „Schätzchen“ nach Hause gekommen. So war das auch eines Abends im Jahr 2017, mein Sohn war damals 6 Jahre und fand, dass der 911 aus 1970 ordentlich „stinkt“. Das hat mich zunächst etwas geärgert, ich habe ihm dann aber innerlich Recht geben müssen. Im Prinzip ist dort die Idee für den elektrischen Zusatzmotor geboren worden."

Wie lief konkret die Zusammenarbeit mit dem Institut für Elektromobilität der Hochschule Bochum?

Heidl: "Es war das Bochumer Institut für Elektromobilität beteiligt. Die Bochumer haben weitestgehend selbständig ein Großteil der elektrischen Komponenten entwickelt und wir, als Mechaniker, hatten dabei die großartige Chance, durch die Ingenieure tief in die Materie der Elektrotechnik einzusteigen. Der Elektromotor und die Anbindung an das Schaltgetriebe wurde von einem spezialisierten Elektromotoren- und Getriebebauer entwickelt und bereitgestellt."

Was kann man in diesem Zusammenhang unter minimalinvasiver Hybrid-Nachrüstung verstehen?

Heidl: "Minimalinvasiv bedeutet, dass die Nachrüstung mit möglichst geringfügigen Eingriffen in das bestehende Fahrzeug durchgeführt wird. Das bedeutet in der Umsetzung möglichst wenige Bohrungen und Veränderungen des Originalzustands. Wichtig war uns vor allem, dass dieser Umbau vollständig und leicht rückbaubar ist, damit das Fahrzeug auch wieder in den reinen Verbrennerbetrieb zurück gerüstet werden kann ohne, dass bleibende Veränderungen zu erkennen sind und die Originalität gewahrt ist."

Welchen Vorteil hat ein Oldtimerbesitzer mit Add On E-Engine gegenüber der Lösung, sein Fahrzeug komplett auf E-Antrieb umzurüsten?

Heidl: "Die Kostenersparnis, außerdem bleibt der Klassiker in seiner Substanz erhalten, denn es gibt keinen Wertverlust, da der Umbau reversibel ist. Im Gegenteil, das Fahrzeug steigt im Wert, da sich mit ihm zeitgemäßer, umweltfreundlicher, abgas-reduzierter fahren lässt. Ein weiterer Pluspunkt ist der Erhalt des Verbrenners und damit der Erhalt des klassischen Fahrgefühls. Die zwei Antriebsmöglichkeiten ermöglichen eine größere Reichweite und sie erlauben beispielsweise bei einer Panne, mit dem verbliebenen Motor zur nächsten Werkstatt zu fahren."

Wie groß ist die Reichweite des Akkus im reinen E-Betrieb?

Heidl: "Je nach Fahrweise bis zu 70 km."

Wie lange dauert der Umbau? Ist er für alle Oldtimer-Typen, Modelle und Motorisierungen geeignet? Sind alte Porsche-Modelle (wie die „Ölklappe“) besonders gut geeignet aufgrund ihrer Motoren-/Antriebskonstruktion?

Heidl: "Der reine Umbau nimmt rund 5 Arbeitstage in Anspruch. Voraussetzung ist, dass das Auto ansonsten keinerlei Mängel aufweist. Umbau-Varianten für weitere Oldtimer-Typen sind in der Entwicklung. Grundsätzlich ist der Umbausatz für die meisten Fahrzeuge geeignet, da er auf die beengten Platzverhältnisse im Porsche 911 hin entwickelt worden ist. Das System schont den Verbrennungsmotor, da die Kaltlaufphase des Verbrenners durch den Elektroantrieb nahezu eliminiert wird und der Verbrennungsmotor durch die Wärmeenergie des Elektroantriebs auf Betriebstemperatur vorgewärmt wird. Wenn das System vom Markt angenommen wird, ist nahezu jedes erhaltenswerte Bestandsfahrzeug nachrüstfähig."

Was kostet der Umbau?

Heidl: "Wir kalkulieren derzeit mit den reinen Umbaukosten von rund 35.000 €."

Hat der Umbau eventuell Auswirkungen auf die Einstufung von Fahrzeugen als automobiles Kulturgut (H-Kennzeichen)?

Roland Heidl: "Ziel ist es, dass das H-Kennzeichen erhalten bleibt, denn aufgrund der großen Umwelt-Vorteile rangiert der Umbau unter „abgasreinigende Maßnahme“. Wir streben mittel- und kurzfristig ein Kennzeichen mit einer H- und/oder einer E-Kennung an."

Wir bedanken uns bei Roland Heidl für das Gespräch. (dr)

Fotos: Roland Heidl Automobiltechnik
Mehr Infos gibt es hier.

DSC 4244

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