Oldtimer-Club digitalisiert historische Dokumente:
Gratis-Schatz für Sammler und Schrauber
Original-Prospekte, Betriebsanleitungen, Werkstatthandbücher oder Schulungsunterlagen sind in der Oldtimer-Community heiß begehrt und werden oft zu hohen Preisen gehandelt.
Sie gelten als knappes Gut, das nur noch antiquarisch oder auf Messen und Teilemärkten käuflich erworben werden kann.
Gerade bei ambitionierten Restaurierungsprojekten sind Hobbyschrauber und auch Fachwerkstätten froh über Originalanleitungen der Hersteller. Aber auch für Sammler sind Dokumente, die aus Zeit der Produktion ihres Klassikers stammen, von unschätzbarem Wert. Der Oldtimer & Motorrad Club Mering e.V. hat einen Weg gefunden, seltene technische Unterlagen für die Nachwelt zu erhalten und der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich zu machen.
Wir stellen die ambitionierte Initiative vor, die sich zu einem Leuchtturmprojekt für die ganze Oldtimer-Community entwickeln könnte.
Schatz aus dem Unternehmensarchiv der Mercedes-Benz AG: alte Prospekte aus fünf Jahrzehnten
Bereits kurz nach seiner Gründung im Jahr 1997 entwickelte der Oldtimer & Motorrad Club Mering e.V. (OMC Mering) das ehrgeizige Ziel, technische Unterlagen zu sammeln und zu bewahren. Über 25 Jahre später hat sich dieses Vorhaben zu einem bedeutenden Projekt entwickelt: dem "Digitalen Archiv zum Informationserhalt des fahrzeughistorischen Kulturgutes". Dieses Archiv ist nun öffentlich zugänglich und bietet Oldtimer-Enthusiasten eine umfassende Sammlung historischer Dokumente, die kostenlos online einsehbar sind.
Lothar Haupt (Foto), Präsident des OMC Mering zum OCC-Magazin: „Waren es bei Fahrzeugen früher die Informationen über Anzugsdrehmomente und zum Einstellen des Ventilspiels, um ein Fahrzeug am Laufen zu halten, so haben sich die zum nachhaltigen Erhalt der Fahrzeuge notwendigen Daten seit Beginn der 1990er Jahre exponentiell vervielfacht. Zusammen mit der Digitalisierung der Fahrzeuge wurde allerdings versäumt, auch die Dokumentationen für die Fahrzeuge zu Digitalisieren und nachhaltig zu erhalten. Die Gefahr des nicht mehr möglichen Erhalts von Fahrzeugen durch die gestiegene Informationsmenge nimmt extreme Ausmaße an. Denn fehlen die Informationen zur Reparatur der Motorsteuergeräte oder der Codierung von Fahrzeugschlüsseln, so müssen physikalisch intakte und erhaltenswerte Fahrzeuge entsorgt werden.
Die viel beschriebene Nachhaltigkeit bleibt dabei komplett auf der Strecke. Die Nutzung und Reparatur von bestehender Technik ist dabei wesentlich nachhaltiger, als diese „nachhaltig“ zu recyceln und mit mehr Aufwand ein neues nachhaltiges Produkt zu erstellen. Und da auch Papier erstens vergänglich ist und zweitens im heutigen Sinne nicht optimal zu nutzen ist, bietet es sich an, bestehende Informationen durch die Digitalisierung mittels Scannern zu erhalten. Durch die Katalogisierung in der Datenbank ist so auch eine Übersicht und Suche nach den gewünschten Informationen im Archiv gewährleistet. Die Menge an zu digitalisierendem Material ist nach jetzigem Stand noch nicht zu übersehen. Viele Unterstützer haben bereits angeboten, den gesamten Bestand ihrer Werkstattliteratur oder ihrer privaten Fachbibliothek zur Digitalisierung zur Verfügung zu stellen.“
Ziel: die vorhandenen technischen Informationen nicht nur zu sammeln, sondern auch für zukünftige Generationen zu bewahren. Lothar Haupt: „Die Vernichtung von Unterlagen, wie wir sie beispielsweise bei einem großen Hersteller erlebt haben, hat uns gezeigt, wie wichtig unser Projekt ist.“
Schon 80.000 Seiten Informationen im Netz
Das Archiv umfasst heute mehr als 550 Einträge mit über 80.000 Seiten an Informationen. Diese reichen von klassischen Printanzeigen und alten Verkaufsprospekten, die detaillierte technische Daten enthalten, bis hin zu Preis- und Ersatzteillisten sowie Werbe- und Lehrfilmen. Auch Schulungsunterlagen gehören dazu. Die Sammlung bietet eine wertvolle Ressource für alle, die sich mit historischen Fahrzeugen beschäftigen. Alle historischen Dokumente werden per Hand eingescannt und dann auf Servern im Internet archiviert.
Ein großes Anliegen des Vereins ist der Erhalt technischer Informationen, die für die Wartung und Reparatur von Oldtimern unverzichtbar sind. „Es ist oft schwer nachvollziehbar, wie kompliziert eine elektrische Fehlersuche ohne Schaltplan sein kann“, so Haupt. „Besonders bei Oldtimern mit fortschrittlicher Elektronik sind solche Dokumente unverzichtbar.“
Ein entscheidender Moment für die Entstehung des Archivs war das Fehlen mechanischer Informationen, das zu erheblichen Problemen in Vertragswerkstätten führte. „Die nicht mehr verfügbaren Arbeitsanweisungen eines führenden Herstellers haben die Reparaturkosten und die Dauer des Werkstattaufenthalts verdoppelt“, berichtet Haupt.
Finanziert wird das umfangreiche Digitalisierungsprojekt größtenteils durch Spenden. Der Verein investiert kontinuierlich in Digitalisierungshardware, um die oft nur in Papierform vorliegenden Dokumente zu digitalisieren. Dabei steht der Verein jedoch immer wieder vor rechtlichen Herausforderungen, die die Veröffentlichung der Archivmaterialien erschweren. „Das klassische Urheberrecht ist oft ein Hindernis“, sagt Haupt. „Wir hoffen auf mehr Kooperationen wie die mit dem BMW Group Archiv, die uns eine unkomplizierte Veröffentlichung ermöglichen.“
Ein Traum für jeden Klassiker-Liebhaber: rare Orginal-Werbeplakate im Unternehmensarchiv von Mercedes-Benz.
Das raten die Auto-Hersteller den Clubs
Der OMC Mering setzt auf drei zentrale Unterstützungslinien: die Bereitstellung archivierbarer Unterlagen, finanzielle Unterstützung und juristischen Rückhalt im Bereich Lizenz- und Urheberrecht. „Wir nehmen alles – ob Automobil, Zweirad oder Nutzfahrzeug, jede fahrzeugspezifische Information ist in unserem Archiv willkommen“, betont Haupt. Besonders freut sich der Verein über Leihgaben, die zur Digitalisierung und Aufnahme ins Archiv genutzt werden können.
Am 3. Mai 2024 konnte der Verein bereits den ersten Unterstützer des Digitalisierungsprojektes mit einer Urkunde auszeichnen. Michael Stegherr aus Friedberg stellte dem Archiv über 300 Dokumente zur Verfügung. Besonders wertvoll waren viele alte Lehrmittel wie Overheadfolien und Unterrichtsdokumente.
Lothar Haupt: „Wir hoffen, dass wir noch viele weitere solcher Ehrungen vornehmen können. Unser Archiv lebt von der Unterstützung der Gemeinschaft und jeder Beitrag ist von unschätzbarem Wert.“
Wie handhaben die Autohersteller solche Clubinitiativen? Marc Thiesbürger, Sprecher der BMW Group Classic: „Schon seit langer Zeit bieten wir Fans, Enthusiasten und BMW-/Mini-Clubmitgliedern an, sich in unserem digitalen Online-Archiv über individuelle Themen zu informieren unter der Adresse https://bmw-grouparchiv.de/irc/. Dabei präferieren wir, dass die jeweiligen Clubs auf diese Online-Präsenz verlinken, bevor sie eigenständig historische Dokumente digitalisieren und hochladen. Wir genehmigen keinerlei kommerzielle Nutzung durch den Club bzw. Webseitenbetreiber. Ebenso untersagen wir den Upload von Dokumenten, die bei der BMW Group kostenpflichtig erhältlich sind.
Anfragen dieser Art gehen entweder in unserem Club & Community-Management-Team ein oder direkt im BMW Group Archiv. Wie stehen jeglichen Anfragen positiv gegenüber und versuchen, allen Wünschen gerecht zu werden.“
Was müssen die Clubs beachten? BMW-Sprecher Thiesbürger: „Wir empfehlen grundsätzlich, sich mit dem BMW Group Archiv abzustimmen. Möglicherweise ist das spezifische Dokument bereits in unserem Online-Archiv vorhanden, sodass Mehraufwände umgangen werden können.“
Darf man auf einer Club-Homepage alte BMW-Prospekte veröffentlichen, die man zum Beispiel auf einer Oldtimermesse, durch eine Haushaltsauflösung oder auf dem Flohmarkt erworben hat?
„Wenn jemand eine solche Druckschrift besitzt, hat er nicht die Nutzungs- und Verwertungsrechte, also die Copyrights erworben. Diese können theoretisch auch bei Dritten (Grafikern, Agenturen, Fotografen, etc. ) liegen. Um auf der sicheren Seite zu sein, empfehlen wir, sich mit uns auch hier abzustimmen, da wir beispielsweise auch die Persönlichkeitsrechte eventuell abgebildeter Personen berücksichtigen müssen“, so BMW-Sprecher Marc Thiesbürger. (dr)
Das Fahrzeugarchiv des OMC Mering finden Sie hier.
Fotos: Oldtimer & Motorrad Club Mering e.V. | Mercedes-Benz Group AG
Michael Stegherr aus Friedberg (Mitte) vom Stammtisch der Oldtimer & Youngtimer Freunde Friedberg erhielt für seine Archivspende eine Urkunde vom Meringer Bürgermeister Florian Mayer (l.) und OMC Präsident Lothar Haupt.
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