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Abgefahren! Hier entsteht Oldtimer-Kunst fürs Wohnzimmer

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Ein Kameramann eines TV-Teams hält fest, wie Anja Frackmann konzentriert den Pinsel auf die Leinwand setzt, dabei vorsichtig Acrylfarbe aufträgt, immer wieder akribisch die Details ihres Motivs prüfend. Es ist ein Adler 2 Liter Cabrio aus dem Jahr 1939. Die Münchnerin gehört zu den wenigen Künstlern in Deutschland, die sich auf Oldtimer-Auftragsmalerei spezialisiert haben.

Das Genre boomt: Immer mehr Klassiker-Besitzer wollen ihren automobilen Schatz auf Leinwand, als Aquarell, Collage oder Bleistiftzeichnung für das Wohnzimmer. Mal detailgetreu, mal kunstvoll interpretiert. Bilder für die Ewigkeit. Und die Preise? Los geht es bei wenigen hundert Euro, nach oben hin gibt es fast keine Grenzen.

In diesem Artikel stellen wir drei Künstler vor, die es verstehen, klassische Automobile in einzigartige Kunstwerke zu verwandeln – perfekt, um die Liebe zum Fahrzeug zeitlos und unvergänglich festzuhalten. Jeder von ihnen hat eine ganz persönliche Art der Annäherung an das Motiv – aber lesen Sie doch selbst ...

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Anja Frackmann in ihrem Atelier bei der Arbeit. Sie hat sich auf automobile Klassiker spezialisiert

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Ihr Herz gehört einem Franzosen

Anja Frackmann kommt aus einer Künstlerfamilie: die Mutter leidenschaftliche Malerin, der Großvater Musiker und ihr Urgroßvater Bildhauer, der an der berühmten Essener Folkwangschule tätig war. Wie kam sie zur Malerei? „Nach dem Abitur absolvierte ich eine Ausbildung zur Bauzeichnerin, anschließend studierte ich Kunstgeschichte in München. Neben dem Studium arbeitete ich als Schauwerbegestalterin und malte Blickfänge für Schaufenster, die sehr begehrt waren und sich gut verkaufen ließen. So begann meine Reise in die Auftragsmalerei und der Wechsel von der Theorie der Kunst zur praktischen.“

Was fasziniert an Oldtimern? „Schon als Kind haben mich Oldtimer begeistert. Jeder Klassiker hat in seiner langen Lebenszeit sicherlich einiges erlebt und kann wunderbare Geschichten erzählen. Von aufregenden Fahrten über bedeutende Ereignisse bis hin zu den Menschen, die ihn begleitet haben.“ Ihren Kunden sei es besonders wichtig, dass ihr Fahrzeug technisch präzise abgebildet wird. Dennoch bleibe viel Spielraum für Ästhetik und Emotion. „Ich strebe danach, beide Aspekte gleichwertig zu integrieren, sodass die technische Genauigkeit mit der Schönheit und dem Charakter des Fahrzeugs harmoniert. So entstehen Kunstwerke, die nicht nur die Form, sondern auch die Seele der Oldtimer einfangen“, erzählt sie dem OCC-Magazin.

Gibt es dafür eine besondere Technik?
„In erster Linie arbeite ich mit Acrylfarben auf Leinwand. Diese trage ich mit verschiedenen Werkzeugen auf – sei es mit dem Pinsel, einem Spachtel, einem Schwamm oder sogar direkt mit den Fingern. Dadurch entstehen unterschiedliche Strukturen und Texturen, die meinen Arbeiten ihren besonderen Charakter verleihen. Größere Formate liegen mir besonders am Herzen; ich male gerne auch direkt auf die Wand. Kleinere Werke hingegen bieten mir oft zu wenig Spielraum für einen schwungvollen Pinselstrich, weshalb ich die Freiheit und Dynamik größerer Flächen bevorzuge“, erklärt sie.

Ihr Herz gehört dem Renault R4, dem ersten eigenen Auto: „Eine Bekannte einer Freundin hatte ebenfalls einen R4, doch ihr Fahrzeug war ständig in der Werkstatt. Es stellte sich heraus, dass ihr Auto immer wieder „absoff“, und lange konnte niemand den Fehler finden. Schließlich kam ans Licht, dass sie den Choke für einen Handtaschenhalter gehalten hatte – dieser war ständig voll gezogen!“ Außerdem begeistern Anja Frackmann die alten 911er-Modelle von Porsche, bis vor kurzem fuhr sie privat noch einen Porsche 964. Bald soll es ein älteres Modell sein.

Wie nimmt die Oldtimerszene ihre Kunst auf?
„Eine der schönsten Ausstellungen fand während der Oldtimer-Rallye in Kitzbühel statt. Dort hatte ich die Gelegenheit, live alte Bentleys zu malen, umgeben von der faszinierenden Atmosphäre. Durch diese Veranstaltung konnte ich viele neue Kunden gewinnen, mit denen ich bis heute in Kontakt stehe.“

Anja Frackmann

Mayerbacherstr. 56
85737 Ismaning
Telefon: +49 89 21088574

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Porsche, Stahl und Sprachwitz

Eigentlich hätte sich Jan M. Petersen (Foto) berufsbedingt mit der Konstruktion von Häusern und Wohnungen befassen müssen, doch für den studierten Architekten kam alles anders: "Im Studium ging es auch immer um Gestaltung und Kunst. Die Entscheidung, Künstler zu werden, war für mich eines Tages unumgänglich, da ich in meinem Umfeld eher Künstler statt Architekten hatte und dieser Lebensentwurf für mein Leben sinnvoller war. Seit 25 Jahren kann ich gut davon leben."

Inzwischen geht es bei dem - auch international - gefragten Objektkünstler um klein- und großformatige Bildhauereien, farbigen Stahlschnitte, Skulpturen und Collagen aus Holz, Acryl und Wachs in denen aktuelle und alltägliche Themen auf ironische und kritische Art und Weise verarbeitet werden. Dem Alltäglichen geht er mit Sprachwitz nach. Porsche-Fans werden seine heiter-doppeldeutigen Collagen kennen.

Warum gerade Porsche?
„Der 911er ist allgemeines Kulturgut, sei es im Optischen, im Sound oder der in der Gesamterscheinung. Dieser Mythos hat Anziehungskraft, welche ich für meine Kunst nutzen möchte“, erzählt Jan M. Petersen. „Das ikonenhafte Erscheinungsbild des Porsche im Allgemeinen und die typischen Farbklänge der Siebzigerjahre sind Inspiration für meine Interpretationen. Es sind die weichen Formen, die ich bevorzuge. Ich versuche, durch Reduktion in der Zeichnung die Essenz eines Fahrzeugs zu erfassen. Diese wird dann in verschiedenen Techniken umgesetzt.“ Petersen setzt unter anderem Cortenstahl (einen wetterfesten Baustahl) als Material ein, der per Plasmaschneider bearbeitet wird.

Sein Credo: Kunst soll ganz demokratisch für alle erschwinglich sein, deswegen sind viele seiner Arbeiten auch für Kunstfreunde mit kleinem Geldbeutel interessant.
Übrigens: Privat bewegt Jan M. Petersen eine BMW R80/7 mit Beiwagen, allerdings nur bei schönem Wetter.

Jan M. Petersen

Pfaffendorfer Chaussee 13
15848 Pfaffendorf
Telefon: 033 672 / 720 120
www.kunstkaufhaus-ost.de

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Präzision mit Bleistift

Philipp-Martin Wegner zeigte schon als Kind eine außergewöhnliche Begabung fürs Zeichnen, verkaufte sogar in der Schulzeit seine Werke an Mitschüler. Doch statt sich für die Kunsthochschule zu entscheiden, zog es ihn in ein wirtschaftliches Studium: „Wer Kunst studiert, redet viel darüber, aber verkauft sie selten. Kunstakademiker sind meiner Meinung nach nicht unbedingt die besseren Maler.“ Dennoch gelang ihm der Schritt in die professionelle Kunstwelt – zusammen mit seiner Frau, die er 2011 im Kölner Karneval kennenlernte. Gemeinsam gründeten sie das Atelier „Zeichenfuchs“, das sich auf realistische Fahrzeugzeichnungen spezialisiert hat.

Was begeistert Wegner an Oldtimern? „Eine realistische Darstellung von Fahrzeugen ist absolute Präzisionsarbeit. Oldtimer haben oft kantige Formen und viele Details, was sie für mich als Zeichner besonders interessant macht.“ Seine Arbeiten sind bekannt für technische Genauigkeit, denn bei der Zeichnung eines Autos darf keine Linie zittern. 'Man kann keine Hilfsmittel wie Lineale oder Zirkel verwenden, weil es auf die individuelle Handführung ankommt“, erklärt er. Sein Werkzeug: die gesamte Palette an Bleistift-Härtegraden, um die feinen Unterschiede in Linien und Schattierungen herauszuarbeiten.

Auch wenn Wegner wenig von Romantik in seiner Kunst hält („Ich empfinde beim Zeichnen keine Emotionen“), ist die technische Präzision für ihn entscheidend: „Ich rate meinen Schülern, das Motiv auf den Kopf zu drehen oder das Papier bis auf kleine Ausschnitte abzudecken. So konzentriert man sich besser auf die Details und verliert sich nicht im Gesamtbild.“ Diese fokussierte Herangehensweise ermöglicht es ihm, auch komplexe Formen mit absoluter Genauigkeit zu erfassen.

Wegner bevorzugt klassische Bleistiftzeichnungen, die mit ihrer Zeitlosigkeit in jede Wohnung passen. „Wenn jedoch ein Fahrzeug eine besonders auffällige Lackierung hat, kann Aquarell sehr reizvoll sein“, fügt er hinzu. So hat er beispielsweise den Porsche 911 Carrera GT für ein Paar auf einer 1,20 Meter großen Leinwand verewigt – ein Werk, das ihm besonders in Erinnerung geblieben ist.

Privat träumt der Künstler von einem eigenen Oldtimer, doch der Alltag lässt es momentan nicht zu. „Wenn es irgendwann passt, wird es ein Cabrio, vielleicht ein Klassiker wie der Golf I Cabrio, den ein Freund zu Schulzeiten hatte“, sagt er mit einem Schmunzeln. (dr)

Kunstatelier „Zeichenfuchs“
Tel.: 02242/9048771
Mobil & Whatsapp: 01745391611

Fotos: Anja Frackmann | Jan M. Petersen | Philipp-Martin Wegner

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