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Streit um Öko-Benzin: Bundeskanzler
Scholz macht E-Fuels zur Chefsache

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Das Thema E-Fuels erhitzt wieder die Gemüter in der Autowelt. Grund: Signale von der EU aus Brüssel, den Klimaschutzbeitrag des synthetischen Öko-Kraftstoff nicht in der wichtigen europäischen C02-Flottenregulierung zu berücksichtigen.

Bedeutet: Investoren wie Siemens und Porsche, die in Chile eine Fabrik („Haru Oni“) zur Produktion von klimaneutralen E-Fuels betreiben, können nicht richtig für die Zukunft planen. Auch die Autoindustrie ist beunruhigt.

Auf der Kabinettsklausurtagung im brandenburgischen Hotel Meseberg hat Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt klargestellt, dass die Bundesregierung ein Konzept für den Einsatz dieser Kraftstoffe aus Brüssel fordere. Ansonsten könne man dem geplanten EU-Aus für Verbrenner ab 2035 nicht zustimmen.

Rettet das Machtwort des Kanzlers den synthetischen Öko-Kraftstoff E-Fuels?

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Worum geht es genau?

Das EU-Parlament hatte im Februar für das endgültige Aus für Neufahrzeuge mit Verbrennermotor ab 2035 gestimmt. In zwölf Jahren dürfen in Europa keine Pkw und Kleintransporter mehr neu zugelassen werden, die Kohlendioxid ausstoßen. Besonders der mächtige sozialdemokratische EU-Klimaschutzkommissar Frans Timmermans gilt als großer Anhänger von Elektroautos. Er sieht E-Mobilität als einzigen Weg, um Klimaneutralität zu erreichen.

Und so war von E-Fuels als möglicher Antriebs-Alternative zu E-Motoren plötzlich keine Rede mehr. Und das, obwohl im Juni letzten Jahres der EU-Umweltministerrat den Beschluss fasste, dass die EU-Kommission einen Vorschlag erarbeiten soll, wie Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen (E-Fuels) angetrieben werden, auch nach dem Jahr 2035 zugelassen werden können.

Allerdings müssen die EU-Mitgliedsstaaten dem Vorschlag des EU-Parlaments zum Verbrenner-Aus noch zustimmen. Neben Deutschland haben auch Italien und einige osteuropäische Staaten ihre Bedenken angemeldet. Alle Länder haben große Fahrzeugbestände mit Verbrennermotoren. Allein in Deutschland fahren knapp 60 Millionen Kfz mit Benzin- oder Dieselmotoren.

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Was kann sich durch E-Fuels ändern?

Mit dem klimaneutralen synthetischen Kraftstoff E-Fuels könnten auch künftig Pkw mit Verbrennermotoren CO2-neutral betrieben werden, ohne dass eine Umstellung am Motor oder an Dichtungen erfolgen muss. Der Kraftstoff ist klimaneutral, da er nicht aus Mineralöl, sondern aus Wasser und CO2 mittels Windkraft hergestellt wird.

„Schon eine 10%ige Beimischung von E-Fuels in herkömmlichen fossilen Diesel oder in fossiles Benzin hätte in Deutschland dieselbe Auswirkung auf die CO2-Bilanz, als würden zwei Jahrgänge Kfz-Neuzulassungen als reine Elektromobile, die ausschließlich mit grünem Ladestrom betrieben würden, auf den Markt kommen“, sagt Dr. Lorenz Kiene, Geschäftsführer der Lühmann-Gruppe (160 Tankstellen in 12 Bundesländern).

Auch Oldtimerbesitzer würden in der Zukunft von E-Fuels profitieren, da sie ihre Klassiker mit dem Öko-Kraftstoff betanken könnten. Schließlich gibt es auch Politiker in Brüssel, denen individuelle Mobilität (zu denen auch das Hobby Oldtimer fahren gehört) generell ein Dorn im Auge ist.

Was bedeutet Technologieoffenheit bei E-Fuels?

Politiker wie Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprechen oft von Technologieoffenheit. Ein Begriff, den auch UNITI, der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V., bei klimaneutraler Mobilität einfordert.
Bedeutet: E-Fuels dürfen nicht von vornherein verdammt werden, weil sie einer bestimmten Klientel ideologisch nicht ins Konzept passen.

Elmar Kühn, UNITI-Hauptgeschäftsführer, warnt: „Die notwendigen globalen Investitionen in den industriellen Produktionshochlauf von E-Fuels müssen sich langfristig rentieren. Indem die Politik die zukünftige Anwendung im Pkw ausschließt, werden angesichts eines somit schrumpfenden Fahrzeugbestands Investitionen verhindert. Europa sollte Vorbild für die Welt bei der Nutzung CO2-neutraler Kraftstoffe werden, anstatt diese regulatorisch unattraktiv zu machen.

Ohne den Produktionshochlauf von E-Fuels für den Straßenverkehr ist auch die Defossilisierung des Flugverkehrs sowie der Schifffahrt wirtschaftlich nicht attraktiv, denn diese Kraftstoffe werden als Nebenprodukte bei der Koppelproduktion von Benzin und Diesel, egal ob auf fossiler oder synthetischer Basis, gewonnen.“

Wie teuer sind E-Fuels-Kraftstoffe?

UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn: „Durch die Medien geistern oft absurd hohe Literpreise, die die Verbraucher angeblich für E-Fuels zahlen müssten. Dabei handelt es sich aber um Preise für reine E-Fuels aus aktuellen Versuchs- oder Kleinanlagen.“ Durch den Ausbau von Produktionskapazitäten und durch positive Skaleneffekte sollen die Herstellungskosten zukünftig deutlich gesenkt werden.

„Es ist davon auszugehen, dass Kraftstoffe mit E-Fuels-Beimischung von Beginn an für die Autofahrer nur einige Cent je Liter teurer als rein fossile wären und auch in den Jahren des Markthochlaufs für die Autofahrer bezahlbar wären“, so Kühn. Experten erwarten, dass die Produktionskosten reiner E-Fuels mittelfristig auf rund einen Euro je Liter sinken.

Haben Verbrenner mit E-Fuels eine schlechtere Energieeffizienz als Elektroautos?

Ladestrom für E-Fahrzeuge muss aufgrund von Speicher- und Transportbeschränkungen nah am Ort der Erzeugung verwendet werden. E-Fuels werden dagegen dort produziert, wo es erneuerbare Energien aus Wind und Strom im absoluten Überfluss gibt. In der chilenischen Fabrik Haru-Oni können Windturbinen zum Beispiel bis zu viermal häufiger mit Spitzenleistung laufen als an den windreichsten Orten in Deutschland.

UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn:
Generell stellen sich Fragen nach Effizienz eigentlich nur bei Knappheit eines Guts. E-Fuels können davon profitieren, dass sie an globalen Standorten mit hohen Stromerträgen aus erneuerbaren Energien produziert und von dort importiert werden können. Es ist mittlerweile ersichtlich, dass E-Fuel-Projekte den Bau von Erneuerbare Energien-Anlagen an diesen Standorten überhaupt erst ermöglichen."

Untersuchungen hätten deswegen gezeigt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen angetrieben werden, bei einem gesamtheitlichen Effizienzvergleich für Produktion und Nutzung ein ähnliches Ergebnis aufweisen wie batteriegetriebene Fahrzeuge.

Wie geht es jetzt weiter?

Der schwedische EU-Ratsvorsitz hat jetzt die für 7. März geplante Abstimmung aller EU-Staaten über das Verbrenner-Aus auf unbestimmte Zeit verschoben. Denn durch das angedrohte Veto von Deutschland und anderen Staaten käme eine sogenannte qualifizierte Mehrheit aus 15 EU-Staaten, die zusammen mindestens 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, nicht zustande.

Plötzlich scheint alles wieder möglich, sogar das Verbrenner-Aus könnte noch einmal nachverhandelt werden. In Sachen E-Fuels scheint das letzte Wort also noch nicht gesprochen. (dr)

Fotos/Grafik: Porsche AG | UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V.

Aus Wasser und Kohlendioxid wird Öko-Benzin

In der „Haru Oni“-Anlage von Porsche und Siemens in Chile werden E-Fuels mit dem sogenannten Methanol-to-gasoline-Prozess (MtG) produziert. Um E-Fuels herzustellen, benötigt man grundsätzlich nur die beiden Rohstoffe Wasser und Kohlendioxid. Um Wasserstoff per Elektrolyse zu gewinnen, wird Gleichstrom durch Wasser geleitet, wodurch am Minuspol (Kathode) Wasserstoff abgespalten und aufgefangen wird.

Das Kohlendioxid als weiterer wichtiger Baustein für E-Fuels wird über das so genannte Direct Air Capture-Verfahren direkt der Luft entzogen. Dabei blasen große Ventilatoren Umgebungsluft durch Filter, an denen sich das in der Atmosphäre enthaltene Kohlendioxid anlagert. Aus H2 und CO2 wird per Methanol-Synthese eMethanol (CH3OH) erzeugt und daraus wiederum per Methanol-to-gasoline-Synthese synthetisches Roh-Benzin.

Der nahezu CO2-neutral gewonnene Kraftstoff wird in einem weiteren Schritt durch Blending so veredelt, dass er der aktuellen Kraftstoffnorm DIN EN 228 entspricht. Dadurch kann er sowohl direkt in jedem Fahrzeug mit Ottomotor eingesetzt als auch fossilem Kraftstoff beigemischt werden. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist auch klimaneutrales eKerosin für Flugzeuge.

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