Erfolgsstory MZA: Diese Fabrik versorgt Simson-Fans mit Ersatzteilen
Es ist oft das Gesprächsthema bei Oldtimertreffen: „Weißt du, wo ich das Ersatzteil herbekomme?“ Die Suche nach raren Komponenten gleicht regelmäßig einer Detektivarbeit. Mal helfen die Teilemärkte auf großen Messen oder Inserate in Fachmagazinen. Aber genau den Part zu finden, der gebraucht wird, erweist sich häufig als Glückssache.
Natürlich haben einige große Hersteller immer noch einen gut funktionierenden Teilehandel zur Versorgung der hauseigenen Classic-Abteilung. Oftmals gucken Oldtimerliebhaber aber in die Röhre.
Zweiradfans der berühmten Simson-„Vogelserie“ (Schwalbe, Star, Spatz, Sperber, Habicht) kennen diese Probleme nicht. Die Firma Meyer Zweiradtechnik Ahnatal (MZA) aus Thüringen versorgt seit fast drei Jahrzehnten die stetig wachsende Community mit dringend gebrauchten Ersatzteilen.
Inzwischen produziert MZA sogar die Original-Motoren, die in den 1980er Jahren in Suhl montiert wurden. Ein Glücksfall für die Oldtimerwelt. Was macht den Erfolg von MZA aus?
Falko Meyer, Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens, erzählt im Interview mit dem OCC-Magazin, wie alles begann und wohin die Reise noch gehen soll. Außerdem werfen wir einen Blick auf die beeindruckende Historie von Simson, erklären, was die Zweiräder noch wert sind und geben Tipps, welche Versicherung am besten passt.
Simson-Kleinkrafträder machen Jung und Alt gleichermaßen Spaß
"Unser Sortiment umfasst derzeit mehr als 9.500 Ersatzteile für ostdeutsche Zweiradoldtimer"
Herr Meyer, haben Sie als Jugendlicher schon eine Simson besessen?
„Ja, mit 11 Jahren hatte ich das erste Moped, bin aber nur im Wald und im Feld herumgefahren. Das war das Modell SR2.“
Gibt es in Ihrer Familie noch weitere Simson-Fans?
„Meine Eltern sind alle SIMSON gefahren und mein Sohn und die Neffen fahren auch heute noch Simson.“
Was war der ausschlaggebende Punkt zur Gründung von MZA Meyer-Zweiradtechnik-Ahnatal?
„Ich bin 1989 nach Kassel gekommen und nach der Wende kamen auch die Mopeds in den Westen. Relativ schnell hat sich herumgesprochen, dass ich mich mit den Fahrzeugen auskenne und rasch hatte ich einiges zu tun. 1992 habe ich ein Nebengewerbe begonnen, neben meinem eigentlichen Beruf. Mit erhöhter Nachfrage ging das Ganze dann in die Selbständigkeit über und ich gründete die Firma MZA Meyer-Zweiradtechnik Ahnatal.“
Und was verbindet Sie persönlich mit der Marke?
„Seit über 30 Jahren dreht sich bei mir alles um das Thema ‚ostdeutsche Oldtimer, vorrangig Simson‘ und ich bin froh mich mit der Gründung und durch unser Tun selbst verwirklicht zu haben. Es freut mich, dass heute noch so viele Fahrzeuge der Kultmarke Simson auf der Straße unterwegs sind und die Fangemeinde mit ungebremster Leidenschaft bei der Sache ist. Schön, dass wir mit MZA einen Teil dazu beitragen dürfen.“
Vom Garagenbetrieb zum Großhandel – wie kam es zu diesem Sprung?
„Ich habe früh erkannt, dass der Markt riesig groß war und daher ergab sich meine Motivation und zugleich auch die einzigartige Chance. 1995/1996 hat MZA erkannt, dass man die Vielzahl der Simson-Fahrer nicht direkt bedienen konnte. Es ging mir darum, eine flächendeckende Ersatzteilversorgung aufzubauen und deshalb war es naheliegend in die Fußstapfen des ehemaligen Herstellers und Werkes zu treten.“
Welche Rolle spielen ehemalige Simson-Mitarbeiter im Unternehmens?
„Bis heute profitieren wir von dem Fachwissen und der langjährigen Erfahrung der betreffenden Mitarbeiter. Das Wissen aus der Vergangenheit hilft uns oftmals in der Gegenwart, um zukünftig noch besser zu werden – so zum Beispiel in der Produktentwicklung.“
Die Nachfrage nach Ersatzteilen stieg enorm, wie kommt ein Betrieb wie MZA mit dieser rasanten Entwicklung klar?
„Wir haben uns stets mit der wachsenden Nachfrage weiterentwickelt. So sind wir bis heute viermal umgezogen und haben einen zweiten Standort in Suhl gegründet. Dieser zog 2020 von Suhl nach Meiningen um.“
Wie hat sich die Produktpalette von MZA im Laufe der Jahre entwickelt und wie werden neue Produkte entwickelt und getestet? Welche Rolle spielen alte Unterlagen aus dem Simson-Werk?
„Wir haben einen Fundus an Originalzeichnungen und erstellen anhand derer mit der eigenen Konstruktionsabteilung neue Zeichnungen. Zudem entwickeln wir zusätzlich neue Fahrzeugteile. Unser Sortiment umfasst derzeit mehr als 9.500 Ersatzteile für ostdeutsche Zweiradoldtimer.“
Kann man die Qualität der Ersatzteile mit den Originalen aus DDR-Produktion vergleichen? Werden heutzutage andere Werkstoffe und Materialien eingesetzt? Was kann nicht mehr reproduziert werden?
„Es kann alles reproduziert werden. Heute gibt es in vielen Bereichen eine bessere Qualität. Das resultiert aus neuen Technologien, modernen Maschinen und hochwertigeren Materialien.“
Expansionen sind nicht nur ein finanzieller Kraftakt, sondern auch ein großer Verwaltungsaufwand (Bürokratie, Genehmigungen, Auflagen). Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Behörden und Institutionen, insbesondere im Hinblick auf die Standorterweiterungen und die Einhaltung von Umweltstandards?
„Die Bürokratie stellt eine große Herausforderung dar. Das kann man leider nicht ändern. Wir arbeiten eng mit Behörden und Institutionen zusammen. Der Standort in Meiningen ist EMAS zertifiziert, also gecheckt nach EU-Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung.“
Wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten für den Markt der ostdeutschen Kult-Mofas und die Nachfrage nach Ersatzteilen in den kommenden Jahren?
„Ich beurteile sie als stabil und steigend.“
Lassen Sie uns in die Zukunft schauen: Welche Visionen hat MZA für die weitere Entwicklung des Unternehmens?
„Wir werden das Sortiment erweitern und viele eigene neue Produkte entwickeln. Durch unsere Ersatzteile soll der Fahrzeugbestand erhalten bleiben und wir, als Marktführer, möchten der Fangemeinde zahlreiche emotionale Erlebnisse rund um die Kultfahrzeuge ermöglichen.“
Welche Rolle spielen dabei Veranstaltungen wie das Internationale SIMSON-Treffen für die Markenpräsenz und die Kundenbindung von MZA? Kann die Marke weltweit bekannt gemacht werden?
„Wir pflegen den hohen Bekanntheitsgrad der Marke Simson und erhöhen, auch durch Events wie z.B. unsere Veranstaltung „STS SIMSON-Treffen Suhl“, die Bekanntheit der Marke MZA. Derartige Events schaffen positive Erlebnisse rund um die Marke und was gibt es Besseres als die Verbindung von Emotion und Marke?
MZA führt über 60 Marken, darunter eine Vielzahl von Eigenmarken, wie z.B. Motoflex, ML-MEGU, RESO, Kowalit uvm. Ein solches Event hilft uns auch, einige dieser starken Marken bekannt zu machen und den Zusammenhang zu MZA zu verdeutlichen. Es ist immer wieder beeindruckend, wie weit verbreitet das Thema Simson ist und wo somit überall auf der Welt Bedarf an Ersatzteilen herrscht. Wir beliefern über 1.200 Händler mit unseren Teilen.“
Vielen Dank für das Gespräch. (dr)
Blick in das moderne MZA-Lager: Hier werden die Simson-Ersatzteile kommissioniert und für den Versand vorbereitet
Aus einer Garage entsteht der größte Simson-Zulieferer der Welt
1993 gründet Falko Meyer die MZA Meyer-Zweiradtechnik-Ahnatal bei Kassel/Hessen. Der Garagenbetrieb ist zunächst spezialisiert auf den An- und Verkauf von SIMSON-Fahrzeugen und Ersatzteilen. Schon 1995 wird MZA wird zu einem der führenden Großhändler für SIMSON-Ersatzteile in Deutschland. 2003 erwirbt MZA die Simson-Urheberrechte und Lagerbestände, eine Niederlassung in Suhl/Thüringen wird gegründet.
2007 erfolgt der Standortausbau in Vellmar, 40.000 Pakete werden jährlich versendet. Gleichzeitig sichert sich MZA die Rechte an weiteren ostdeutschen Marken. 2009 startet die Produktion von Simson-Ersatzmotoren in Suhl, 2012 wurde das Unternehmen in MZA Meyer-Zweiradtechnik GmbH umbenannt. 2016 erwirbt MZA eine 30.000 qm große Gewerbefläche in Meiningen, 2020 wird das neue Logistik- und Fertigungszentrum in Betrieb genommen, zum 30-jährigen Jubiläum 2023 sind die Erweiterungsarbeiten in Meiningen (Bau einer neuen Hochregalhalle) abgeschlossen. MZA ist Marktführer für die Herstellung und Zulieferung von Ersatzteilen für ostdeutsche Zweirad-Oldtimer.
Das neue Logistik- und Fertigungszentrum von MZA in Meiningen. Von hier aus werden mehr als 1.200 Händler bundesweit und im Ausland mit Produkten aus über 50 Eigenmarken beliefert.
Kinderwagen, Waffen, Autos – die wechselvolle Geschichte von Simson
Simson war ursprünglich ein deutscher Waffen- und Fahrzeughersteller, gegründet 1856 von Löb und Moses Simson in Suhl, Thüringen. Bekannt wurde das Unternehmen besonders durch die Massenproduktion von Zweirädern in der DDR, wo es mit knapp 6 Millionen produzierten Krafträdern zum größten Zweiradhersteller Deutschlands avancierte.
Ursprünglich stellte Simson Holzkohlenstahl her und belieferte hauptsächlich militärische Auftraggeber. Im Laufe der Jahre diversifizierte sich das Produktangebot, einschließlich Fahrräder ab 1896 und Automobile ab 1907. Während der NS-Zeit wurden die jüdischen Eigentümer enteignet und das Unternehmen fokussierte sich auf Rüstungsproduktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk demontiert und später als VEB Simson in der DDR neu gegründet, spezialisiert auf Mopeds und Motorräder. Mit der deutschen Wiedervereinigung ging die Nachfrage nach Simson-Produkten zurück, was schließlich zur Einstellung der Produktion 2002 und zum endgültigen Verkauf der Vermögenswerte 2003 führte. Heute existiert Simson als Marke weiter unter der Führung von MZA.
Schauspieler Manfred Krug besaß ein Simson-Auto
TV-Anwalt Manfred Krug (1937–2016, „Liebling Kreuzberg“) was passionierter Oldtimer-Sammler. Zu seinen wertvollsten Stücken soll ein Simson Supra A gehört haben. Der Supra war ein Pkw-Modell von Simson, das zwischen 1924 und 1934 produziert wurde. Entwickler des Sportwagens war Paul Henze. Der Supra war in verschiedenen Typen erhältlich: S, So, J, R, RJ und A.
Diese Modelle hatten 4-, 6-, oder 8-Zylinder-Motoren (Supra A) mit Leistungen zwischen 40 und 90 PS. Die Supra-Modelle erzielten zahlreiche Motorsportsiege und waren für ihre technische Innovation, wie etwa vier Ventile pro Zylinder und zwei obenliegende Nockenwellen, bekannt. Insgesamt wurden etwa 1520 Exemplare gebaut. OCC-Experte Marco Wenzl: „Der Supra A ist extrem rar. Der Wert ist sicher sechsstellig. Aber in der Regel sind die Exemplare unverkäuflich.“
Die berühmte Simson-„Vogelserie“ umfasst die Modelle Schwalbe, Star, Spatz, Sperber und Habicht.
Simson-Exporte: Großbritannien, Griechenland, Tschechien, Ungarn und Iran
Simson-Kleinkrafträder waren nicht nur in der DDR beliebt: Schon vor 1964 sollen die Thüringer Mopeds in 50 Länder weltweit exportiert worden sein. Die größten Abnehmer waren die ehemaligen Ostblock-Staaten, allerdings gingen aber auch etliche Exemplare nach Großbritannien, Griechenland oder in den Iran.
Auch in Vietnam fahren heute noch viele Simsons. Grund: Vietnamesische Gastarbeiter (insgesamt 60.000 wurden in die DDR entsandt) nahmen die praktischen Maschinen nach Ende ihres Aufenthalts mit ins Heimatland. Insgesamt wurden wohl um die drei Millionen Simson-Mopeds während der DDR-Zeit produziert. Beliebteste Modelle: Schwalbe (eine Million Exemplare) und S50 bzw. S51.
Höheres Tempo und die Optik: Darum sind Simson-Mopeds in Ost und West so populär
Einerseits ist es die klassische Optik, die sich von anderen Zweirädern abhebt. Besonders die nostalgische Schwalbe kann hier bei jungen Menschen punkten. Inzwischen ist es auch gerade in westdeutschen Großstädten „in“, mit Mopeds „Made in GDR“ zum nächsten angesagten Szene-Café zu cruisen.
Andererseits reizt eine Ausnahmegenehmigung seit dem Einigungsvertrag 1990 zwischen der alten Bundesrepublik Deutschland und der DDR: Dort wurde festgelegt, dass Simson-Kleinkrafträder (50 ccm Hubraum) auch im wiedervereinigten Deutschland ihre bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h fahren dürfen. Für alle andere Kleinkrafträder gilt ein Tempo-Limit von 50 km/h bzw. 45 km/h.
Was sind Simson-Mopeds wert und wie können sie versichert werden?
OCC-Experte Marco Wenzl: „Eine Simson wird zwischen 2500 und 5000 Euro gehandelt – je nach Zustand. Der Jahresbeitrag für Teilkasko beträgt bei 5.000 € Versicherungssumme ca. 64 € und für die Vollkasko ca. 110 €. Durch die Trennung von Haftpflicht und Kasko hat der Kunde eine laufende Jahresdeckung vom 01.01. bis 31.12. Somit entsteht keine Deckungslücke, wenn der Kunde nicht gleich am 01.03. eines Jahres das neue Versicherungskennzeichen abholt.
Die Saison beginnt bei den meisten erst Ende April, Anfang Mai, je nachdem, wo und wann die ersten Treffen stattfinden. Wichtig: Wir entschädigen die Versicherungssumme in der Police und orientieren uns nicht am Schwackewert einer Simson, der vielleicht bei 500 € steht. Das ist der Vorteil für den Kunden, warum er seine Simson bei Spezialisten wie OCC versichern sollte. Das geht auch für nicht bewegte bzw. nicht zugelassene Mopeds ohne Versicherungskennzeichen.“
Tausende Fans kommen jährlich auf ihren eigenen Maschinen zu den Simson-Treffen in Suhl und Zwickau
Knatternde Motoren, Benzin- und Bratwurstduft in der Luft: Bei den jährlichen Simsontreffen steht der Spaß im Vordergrund
Kult: die Simson-Treffen in Suhl und Zwickau
Einmal im Jahr treffen sich die Simson-Fans aus ganz Europa, um Party zu machen. Bis zu 5.000 Fans kommen nach Thüringen zum SIMSON-Treffen Suhl (STS). Motto der Feier: „Kommt nach Hause“. Das Event findet seit 2016 immer am ersten Juli-Wochenende statt. In Suhl wurden einst über fünf Millionen Kleinkrafträder produziert. Zum Simson-Treffen in Zwickau (auch im Juli) werden jährlich bis zu 9.000 Fans erwartet – es ist das größte Simson-Treffen Deutschlands.
Mehr Infos zu den Simson-Treffen gibt es hier.
Alle Infos zu MZA finden Sie hier.
Fotos: MZA Meyer-Zweiradtechnik GmbH | Marco Wenzl
Der MZA-Gründer, das Super-Auto Supra und der DDR-Star
MZA-Gründer Falko Meyer
Ein Simson Supra So (Baujahr 1925) mit Vierzylinder-Motor und 40 PS
OCC-Experte Marco Wenzl zeigt seine Simson Star, Baujahr 1969
Hier die Simson Star von Marco Wenzl vor der Restaurierung. Sein Winterprojekt 2021/2022 wurde später in den Original-Farben malagarot und alabasterweiß lackiert
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