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Rollendes Museum begeistert Lübecker:
im Oldie durch die Nacht der Museen

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Staunende Gesichter, fröhliche Stimmung: das Rollende Museum von OCC gehörte zu den größten Attraktionen auf der Lübecker Museumsnacht 2024.

29 Oldtimer (von Trabant 601 Deluxe über Ford Modell A Roadster bis Porsche 911 G-Modell) kutschierten die Besucher des Kulturevents sechs Stunden nonstop durch die Lübecker Altstadt. Diesen kostenlosen und exklusiven Shuttle-Service nutzten etwa 1.000 Gäste, die mehr als begeistert waren.

Wer wollte, konnte sich sogar wie ein Mitglied des englischen Königshauses fühlen und mit einem Roll-Royce Corniche Cabrio durch die Nacht befördern lassen …
Lesen Sie hier, welche Klassiker für Aufsehen sorgten, warum ein Youngtimer ständig ausgebucht war – und weshalb sich eine Besucherin weigerte, in einen Trabi einzusteigen.

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Das Fahrerlager am Hansemuseum: Vor dem Start hieß es Nummern kleben wie bei einer Oldtimer-Rallye, damit die teilnehmenden Klassiker im Stadtbild gut erkennbar sind

Vorbereitung dauerte 12 Monate

Der Arbeitstag für das OCC-Team beginnt am Samstag schon um 14 Uhr mit dem Aufbau von Technik am Markplatz und dem Verpflegungszelt im Fahrerlager am Hansemuseum.

Viel früher (nämlich vor 12 Monaten) startet die eigentliche Organisation des Events. Die OCC-Mitarbeiterinnen Julika Roose (Marketing-Abteilung) und Julia Keebingate (Office-Management) verhandeln mit der Stadt Lübeck über geeignete Stellflächen für die Klassiker, kümmern sich um Catering und Technik, buchen die Moderatoren, kontaktieren die Oldtimer-Besitzer und koordinieren minutiös den Ablauf des Abends.

Gegen 16.30 Uhr trudeln bei strahlendem Sonnenschein im Fahrerlager am Hansemuseum die ersten Klassiker ein. Knatternd (Trabant), majestätisch-lautlos gleitend (Rolls-Royce), hysterisch-fauchend (Ferrari) oder gemütlich bollernd (Ford Thunderbird).

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Technik für die Kleinsten erklärt: Armin van Dijk erklärt dem 6-jährigen Georg Wulf, wie der Ferrari-Motor funktioniert

"Ist der schnell?"

Die ungewöhnliche Geräuschkulisse lockt erste Besucher zum Fahrerlager. Georg Wulf (6) steht staunend vor einem Ferrari 360 Modena F1: „Ist der schnell?“, fragt er Besitzer Armin van Dijk. Der lacht: „Ja klar, willst du mal den Motor sehen“? Dann hebt er den Knirps hoch, um ihm das 400 PS-starke V8-Mittelmotor-Triebwerk im Heck des Boliden (knapp 300 km/h schnell) zu zeigen.

Mehr als 80 Jahre älter als der Ferrari ist der Ford Model T Speedster von Georg Sewe – Baujahr 1919. 10 Jahre „jünger“ zeigt sich der Ford Modell A Roadster (Baujahr 1929) von Eberhardt Lau aus Hamburg. Er erzählt stolz: „Der grüne Lack ist der Original-Lack von 1929.“

Aufsehen erregt der 1960er Ford Thunderbird in Gray Gun Metallic von Stefan Steading, der das 5,21 m lange und 1,8 Tonnen schwere Cabrio erst vor 3 Jahren erwarb: „Die Erstzulassung war in Frankreich, dann war er in Belgien registriert, dann in den Niederlanden…“

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Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (auf dem Rücksitz links) genießt mit seinem Sohn die Fahrt im Ford Thunderbird

Lübecks Bürgermeister im Thunderbird

Zu den ersten Thunderbird-Passagieren der Museumsnacht gehört Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau. Er nimmt mit seinem Sohn auf den bequemen Rücksitzen des mächtigen Donnervogels Platz, der gelassen blubbernd dank 352 cui V8 Aggregat (5,8 Liter Hubraum, 300 PS) vom Markplatz rollt.

Die Schlangen an den Haltestellen des Rollenden Museums werden im Lauf des Abends immer länger- schnell hat sich herumgesprochen, hier automobiles Kulturgut selbst einmal testen zu können. Wie funktionierte der Transport? Per Zufall: Der Oldtimer, der gerade frei ist und vorn hält, kann für eine Gratis-Mitfahrt genutzt werden.

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"Einmal im Leben Ferrari fahren"

Noah Grodtke (18) aus Lübeck hat Glück und steigt in den Ferrari 360 Modena F1 ein: „Einmal im Leben Ferrari fahren, ein Traum geht in Erfüllung.“ Der Sportwagen aus Maranello gehört zweifellos zu den gefragtesten Shuttle-Fahrzeugen an diesem Abend.

Die Klassiker-Besitzer freuen sich über das große Interesse der Museumsnacht-Besucher. Schnell kommt man ins Gespräch. Thomas Misch, Eigentümer eines 1986er Mercedes-Benz 420 SE erzählt von seiner ganz persönlichen Auto-Karriere: „Ich habe noch bei BMW meine Ausbildung gemacht, aber Mercedes hat mir schon immer besser gefallen. Später habe ich selbst Autos verkauft.“

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Gute Stimmung im Bus 141

Am Marktplatz warten Silko Reinhardt (16, Schüler) und Justin Koziol (22, Azubi) geduldig in einer langen Schlange auf die Ankunft von Typ O 317 (Baujahr 1959) der Daimler-Benz AG Mannheim: „Wir wollen alte Technik erleben, das heute ist eine einmalige Gelegenheit.“ Der ehemalige Linien-Bus (Wagen 141 „Emma“) war von 1959 – 1966 beim Stadtverkehr in Lübeck im Einsatz. Jetzt gehört der Bus zum Fundus des Vereins Historischer Stadtverkehr Lübeck e.V.

Stefan Boldt (2. Vorsitzender des Vereins) schnappt sich ein Mikrofon und erklärt den Fahrgästen: „Unser Wagen 141 bietet 35 Sitzplätze und hat keine Klimaanlage und keine Heizung. Man ging früher davon aus, dass die Lübecker sich schon gegenseitig wärmen …“ Gelächter im Bus.

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Großes Thema Unterhaltskosten

Im Porsche 911 Carrera 3.2 (Baujahr 1986) von Anton Damsteek funktioniert nicht nur die Heizung einwandfrei, auch die Frontscheinwerfer des G-Modells strahlen in der Museumsnacht besonders hell. „Ich habe LEDs nachrüsten lassen für 160 Euro, so kann man auch bei Dunkelheit viel besser sehen.“

Zu den meistgestellten Fragen der Fahrgäste in der Museumsnacht gehört die nach den Unterhaltskosten von Oldtimern. Jan Hardt, Besitzer eines Mercedes-Benz 280 SE 3.5: „Wenn ich dann sage, dass die Fixkosten gar nicht so hoch sind, staunen alle.“

Warum kommen die Oldies generell beim Publikum so gut an?
„Viele empfinden es so, dass die Autos damals noch ein richtiges Gesicht hatten – im Gegensatz zu den doch recht uniform wirkenden modernen Pkw“, glaubt Jan Hardt.

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Trabi-Boykott und Klappscheinwerfer

Mit dem kantigen Design des Trabant 601 kann sich eine Dame am Markplatz nicht anfreunden. Partout weigert sie sich, einzusteigen. Ihr Grund: „Ich bin 18 Jahre lang Trabi gefahren …“ Ein Satz, der auch Marktplatz-Moderator Tom Schwede (erfahrener Streckensprecher bei diversen Oldtimer-Events) zum Schmunzeln bringt: „Das kann ich dann auch wiederum verstehen.“

Weniger Probleme, Mitfahrer zu finden, hat Arian Malek. Sein 30 Jahre alter BMW 840 CI (Baureihe E31) geizt nicht mit gutem Sound (dank V8 und 286 PS), er bietet auch technische Raffinesse (Klappscheinwerfer). „Mit dem Rollenden Museum kommst du schnell mit anderen Menschen ins Gespräch und kannst sie für unser Hobby begeistern. Wirklich ein super Event und eine tolle Idee“, sagt Arian.

Dieses Fazit ziehen auch Renate Michelau und Sari Barth aus Lübeck, die im 95 Jahre alten Ford Model A Roadster mitfahren durften: „Das war die Fahrt unseres Lebens!

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Moderations-Marathon und ein großer Wunsch

Gegen Mitternacht ist endlich Feierabend für den Oldie-Shuttleservice. Im Fahrerlager am Hansemuseum beleuchten zwei hellblaue Scheinwerfer die Szenerie.
Die beiden Moderatoren des Abends, Ulf Schulz und Tom Schwede, sind heiser und brauchen Kaffee und Wasser.
Sie haben über sechs Stunden ununterbrochen den Gästen der Museumsnacht automobiles Kulturgut unterhaltsam nähergebracht, ihre Ansagen mit viel Fachwissen und Anekdoten angereichert.

Erschöpft stärken sich die Fahrer, die alle ohne Honorar teilgenommen haben, mit einer heißen Gulaschsuppe. Manch einer hat in dieser Nacht im Oldie noch hunderte Kilometer Rückfahrt nach Hause zu absolvieren. Diesen Stress lässt sich niemand anmerken, stattdessen zufriedene und glückliche Gesichter rundum. Und der vielfach geäußerte Wunsch an OCC: „Im nächsten Jahr bitte wieder!“ (dr)

OCC bedankt sich bei allen Helfern, den Teilnehmern, der Stadt Lübeck und der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck für die tolle Unterstützung.
Auch der gute Zweck kam nicht zu kurz: Für das Projekt „Praxis ohne Grenzen“, das Bedürftigen ohne Krankenversicherung einen Arztbesuch und den Medikamentenkauf ermöglicht, kamen 1.000 Euro zusammen.


Mehr Infos zu unseren Moderatoren Ulf Schulz und Tom Schwede

Fotos: Marian Loose | Jan-Erik Saß | Dorian Rätzke

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