Automobiles Orchester: Motoren-Sinfonie auf der Lübecker Museumsnacht

Von DORIAN RÄTZKE
Was für eine besondere Sinfonie zur 23. Lübecker Museumsnacht! Zwei-, Vier-, Sechs-, Acht- und Zwölfzylinder-Motoren trompeteten ihre fröhliche Botschaft in den Abend: Bitte einsteigen zum Oldtimer-Shuttle-Service von OCC, dem Rollenden Museum!
Rund 1000 Gäste des Mega-Kulturevents (dutzende Galerien und Museen öffneten, über 100 Veranstaltungen) nutzten die Gelegenheit für eine Gratis-Fahrt zwischen Marktplatz und Hansemuseum – und kamen dabei natürlich mit den Besitzern dieser automobilen Kulturgüter ins Gespräch.
Misstöne gab es nicht, der Auftritt der Oldies sorgte rundum für Begeisterung beim Publikum. Mehr automobile Hochkultur war kaum vorstellbar. Doch zum Konzert-Finale ging einigen „Orchestermitgliedern“ die Puste aus …

Festliche Stimmung in der Abenddämmerung: Das Rollende Museum von OCC startet auf dem Marktplatz in Lübeck – ein Highlight der 23. Lübecker Museumsnacht.
Wer hat den längsten Klassiker?
Am frühen Abend dreht sich auf dem OCC-Parkplatz am Hansemuseum kurzzeitig alles um diese Frage: Wer hat den längsten? Ist der /8er-Mercedes 230.6 (Baujahr 1974, Platz für bis zu 8 Personen) von Moritz Hinse das längste Teilnehmer-Fahrzeug? Der Benz des 20-jährigen Brandenburgers misst stolze 5,34 m. Doch ein US-Schlachtschiff (7,5 Liter Hubraum) durchkreuzt den sicher geglaubten Sieg: Der Buick Electra (Baujahr 1972) von Wolfgang Henkel kommt auf 5,79 m – und würde in jedem Autoquartett jetzt auftrumpfen.
Dunkles Grollen – kein Gewitter
Auf dem Lübecker Marktplatz kündigt sich ein dunkles Grollen an: kein Gewitter, es ist der TVR Chimaera von Lukas Lebek aus Hamburg. Das englische Cabrio im Targa-Stil wird von einem 4 Liter starken V8 Motor (240 PS) befeuert. Lukas: „Durch die Gewichtsverteilung muss ich vorsichtig mit dem Gaspedal umgehen, sonst gibt’s schnell mal einen Dreher, gerade bei nasser Fahrbahn.“
Opel Diplomat begeistert Frauen
Die Motorengeräusche locken immer mehr Besucher der Museumsnacht an.
Bodil Reimers und Ute Trellert können in einem Opel Diplomat B V8 (230 PS, Baujahr 1977) mitfahren. Besitzer Walter Kock erzählt: „Mein Traumwagen. Ich habe bei Opel Kfz-Mechaniker gelernt. Mein erstes Auto war ein Kadett A, den ich für 300 DM kaufte. Damals gab es 90 DM Lehrlingsgeld pro Monat.“ Die beiden Damen sind vom Auto begeistert: „Wir sind extra zur Museumsnacht angereist, kommen aus der Nähe von Lübeck. Damit haben wir nicht gerechnet, eine tolle Idee.“ Wäre so ein Auto auch was für sie? „Nein, das ist zu teuer.“
Gewaltiger Schub im Mach 1
Für blubbernde Schiffsmotorgeräusche an Land sorgt der 73er Ford Mustang Mach 1 Fastback von Andreas Hess. „Das etwa 450 PS starke Aggregat hat einen 390er Cobra-Jet aus einem 68er Ford Fairlane.“ Der Schub ist gewaltig dank üppigem Drehmoment, im Stadtverkehr grummelt er souverän vor sich hin – wie eine sanftmütige Dogge, die jederzeit um ihre Kraft weiß.
Nachteil: „Der Motor kann ganz schön laut auf der Autobahn werden“, erzählt Andreas Hess.
Britischer Luxus
Auf leisen Krallen schleicht dagegen eine britische Raubkatze durch Lübecks City. Der in Handarbeit gefertigte Daimler Doublesix Insignia (XJ 81) geizt weder mit Power (V12 mit 311 PS) noch mit Luxus (Leder, Wurzelholz). Besitzer Michelle Brauer: „Es ist einer von nur 312 gebauten DD6, war 29 Jahre im Erstbesitz einer Unternehmerfamilie.“ Mit Anton Damsteek aus Hamburg ist ein alter Bekannter am Start: „Ich wollte eigentlich mit meinem 1986er Porsche Carrera 3.2 kommen wie im letzten Jahr zur Museumsnacht, aber der ist kaputt. Deswegen bin ich im Alfa Romeo Spider da.“
Geheimer Preis
Luxuriös zeigt sich der Mercedes-Benz 280 SE 3.5 (Baujahr 1970) von Michael Faulenbach aus Hamburg, der mit Gattin Carmen anreist. Die beiden Oldtimerfreunde sind als mehrfache Teilnehmer der OCC-Küstentrophy alte Eventhasen. „Deswegen hat uns die Teilnahme am Rollenden Museum gereizt“, sagt Carmen. Ehemann Michael zeigt sich vom Publikum der Museumsnacht begeistert: „Nur nette Leute. Was mich wundert, dass sich niemand getraut hat, nach dem Wert des Autos zu fragen.“ Wir lösen auf: Der Neupreis betrug vor 55 Jahren 32.000 DM. Was er heute wert ist, bleibt hanseatisches Geheimnis …
Aristokratischer Auftritt
Prunkvoll und triumphierend wie im berühmten „Pomp and Circumstances“-Marsch No. 1 von Edgar Elger gleitet der königlich anmutende Bentley S1 (Baujahr 1959) von Felix Schickler zum Marktplatz. Lackfarbe Gold. Welcher Aristokrat wohl in ihm schon gesessen hat? Queen Elisabeth war es definitiv nicht, zum Fuhrpark des britischen Königshauses gehörten zu der Zeit der Rolls-Royce Phantom IV. Der Bentley ist beliebtes Fotomotiv und muss sich aber mit technischen Problemen früher als geplant verabschieden.
Finale mit Panne
Das Abschiedssolo gehört dem Buick Electra von Wolfgang Henkel. Er weigert sich partout, seinen Besitzer nach Hause zu bringen. Die Batterie macht schlapp! „Wahrscheinlich zu viel Stop-and-Go für die Maschine“, vermutet Wolfgang Henkel. Sein US-Car-Kumpel Rolf Müllers (kam mit einem Buick LeSabre Custom Sedan, Baujahr 1966) hilft rasch mit einem Batterie-Boostergerät. Kurz vor Mitternacht verlassen die letzten Oldies den OCC-Parkplatz. Das Ende eines wunderbaren Motoren-Konzerts – für eine Spätsommernacht in Lübeck …
Fotos: Marian Loose / Dorian Rätzke
Die schönsten Bilder des Rollenden Museums 2025 in Lübeck
Die OCC-Basistation am Hansemuseum. Autos gucken war ausdrücklich erlaubt.
„Lächeln bitte!“: Gruppenfoto aller Teilnehmer auf dem OCC-Parkplatz am Hansemuseum. 36 Fahrzeuge kamen zum Event.
Vor dem Start der Museumsnacht werden die Aufkleber „Rollendes Museum“ angebracht – hier am Mercedes-Benz 280SE 3.5 Coupé von Michael Faulenbach.
Zweimal Acht – und einmal Vierzylinder-Power: Buick Electra (7,5 Liter Hubraum), Buick Lesabre Custom (5,7 Liter Hubraum) und Lada 2101 (1,2 Liter Hubraum, Baujahr 1977).
Alle packen mit an: Marc Kilp (OCC-Trainee in der Sales-Abteilung), Till Waitzinger (OCC-Geschäftsleitung) und dessen Sohn Paul helfen den Gästen des Rollenden Museums beim Ein- und Aussteigen.
Besucher der Museumsnacht bestaunen einen Volkswagen T2 a/b Westfalia (Baujahr 1973). Der Bulli wurde ursprünglich nach Arizona ausgeliefert.
OCC-Experte Tobias „Tube“ Philipp agierte routiniert als Moderator auf dem Lübecker Marktplatz.
Torsten Jaeger (Chief Data Officer und Mitglied der OCC-Geschäftsleitung) half den Museumsnacht-Besuchern beim Aus- und Einstieg in die Oldtimer.
Hier vibriert der Boden: der Ford Mustang Mach 1 Fastback rollt durch die Lübecker Altstadt.
Der VW Käfer 1200 (Baujahr 1971) hat die Optik des 63er Modells. Stilecht mit Dachgepäckträger, Urlaubskoffern und Weißwandreifen.
Lukas Lebek aus Hamburg, stolzer Besitzer eines TVR Chimaera (Baujahr 1998).
Moderator Ulf Schulz (links mit Hut) weist die Teilnehmer des Rollenden Museums ein.
Holzfurnier, Automatik, Rundinstrumente: Walter Kock am Steuer seines Opel Diplomat B V8 (5,7 Liter Hubraum, 230 PS). Verbrauch im Schnitt: etwa 16 Liter auf 100 km.
Sammeltransport: Im Strichachter-Mercedes 230.6 Pullman von Moritz Hinse haben bis acht Personen Platz – die mittleren Sitze lassen dann sich umklappen.
Roter Teppich und Scheinwerfer: Das Rollende Museum sorgte für festliche Moment zur Lübecker Museumsnacht.
Blick ins beleuchtete Cockpit des TVR Chimaera mit seinen sechs analogen Rundinstrumenten.
Eigentlich war Moritz Hinse mit seinem Pullman-Mercedes nur zufällig in Lübeck, sah die OCC-Oldtimer und fragte, ob er mitfahren darf. Natürlich! Moderator Ulf Schulz: „Euch hat der Oldtimer-Gott geschickt!“
Da flitzt ein Trabi durch Lübeck: Sebastian Krackowitz nahm mit einem Trabant 600 P60 Kombi (Baujahr 1964) am Rollenden Museum teil. Der Wagen ist seit 61 Jahren in Familienbesitz.
Der Mini Cooper (MK III, Baujahr 1991) von Georg Sewe hat einen 1,8 Liter VTEC-Motor von Honda mit 200 PS unter der Haube. Spitze? „Mehr als 220 km/h bin ich noch nicht damit gefahren …“
Eines der spannendsten Teilnehmer-Fahrzeuge: Der MAN Typ 13.168 (Baujahr 1981) von Jürgen Wulff war früher im Katastrophenschutz als Dekontaminationsfahrzeug im Einsatz.
Plötzlich fiel der Tacho aus: Moritz Hinse auf Fehlersuche im Motorraum seines Pullman-Mercedes.
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