Ein Fall für die Kripo:
Der Grusel-Audi
aus dem Staussee
Welches Geheimnis verbirgt sich hinter diesem alten Audi 100 Coupé S? Bei Sanierungsarbeiten an einem Stausee in der Oberpfalz entdeckten Arbeiter das Fahrzeug in dreieinhalb Metern Tiefe. Als Taucher der Bereitschaftspolizei das Wrack bargen, folgte die nächste Überraschung. Am Auto befand sich noch das Kennzeichen.
Inzwischen ist der Oldtimer aus dem Stausee ein Fall für die Kripo. Kann mit Hilfe des Wracks ein Jahrzehnte altes Verbrechen aufgeklärt werden?
Schwarze Rallystreifen, Baujahr 1973
Der Pfreimdstausees in Höhe der Ortschaft Kainzmühle: Bei Sanierungsarbeiten am Staubauwerk wurde durch die Betreiberfirma veranlasst, mit einem Sonar das Gewässer zu untersuchen. In Ufernähe stießen die Spezialisten auf ein Autowrack in dreieinhalb Metern Tiefe. Eine Tauchergruppe der bayrischen Bereitschaftspolizei konnte das Fahrzeug bergen.
Polizeihauptkommissar Tobias Wirth, leitender Ermittler der Polizeiinspektion Vohenstrauß: „Nach erster Inaugenscheinnahme handelt es sich um ein Audi 100 Coupé S.“ Merkwürdig: am Wagen war sogar noch das hintere Kennzeichen SAD-AD 843 angebracht. Die HU-Plakette zeigt das Ablaufdatum Januar 1980.
Seit mindestens 40 Jahren lag der Audi also im Stausee.
Wurde er mit Absicht versenkt, um ein Verbechen zu vertuschen? War es ein Unfall?
„Wir ermitteln in alle Richtungen. Nur eine Schrottentsorgung können wir wohl ausschließen. Wichtige Hinweise könnte uns der letzte Halter des Fahrzeugs geben“, so Ermittler Tobias Wirth zum OCC-Magazin. Problem: Über das Kennzeichen lässt sich nicht der letzte Halter ermitteln, da die Daten im Kraftfahrtbundesamt und Verkehrsbehörden lange gelöscht wurden – aus Datenschutzgründen.
Die Spurensuche im Fahrzeug selbst gestalte sich ebenfalls schwer, da das Coupé völlig verschlammt war. Ein Fenster war geöffnet, so dass Seepflanzen- und Tiere den Innenraum in Beschlag nahmen. Ein wichtiges Detail gab jetzt aber der Regen frei: Der Audi hatte schwarze Rallyestreifen an den Seiten. Aber wohl mehr aus Dekoration, um das Fahrzeug noch schnittiger aussehen zu lassen.
Was ist über das Baujahr des Audis bekannt? Es handelt sich um einen 1973 gebauten Audi 100 Coupé S in coronagelb. Der auffällige Wagen soll nach ersten Ermittlungen der Kripo von einem Autohaus im Landkreis Kelheim in den 1970er Jahren verkauft worden sein. Laut Recherchen des Bayrischen Rundfunks (BR) soll es sich um ein traditionsreiches Autohaus aus Abensberg handeln. Nur: Die Firma existiert seit 1977 nicht mehr.
Den aktuellen Fall gleicht die Kripo nun mit ungelösten Kriminalfällen ab. So zum Beispiel mit dem Verschwinden der damals 13-jährigen Monika Frischholz. Sie wurde am 25. Mai 1976, gegen 15.30 Uhr, in ihrem Heimatort Flossenbürg das letzte Mal lebend gesehen. Die Polizei geht hier von einem Tötungsdelikt aus,
Audi kostete 13.000 DM
Was ist über den Audi 100 Coupé S bekannt? Das Coupé war das Topmodell seiner Baureihe. Von 1969 bis 1976 liefen in Neckarsulm 30.787 Fahrzeuge vom Band. Knapp die Hälfte ging in den Export. Basis für das Coupé war der Audi 100 Typ 4. Mit dem damaligen Listenpreis von etwa 13.000 DM war er teurer als ein Ford Capri 2300 R (9.296 DM) oder ein Opel Commodore (11.555 DM). Zum Vergleich: ein BMW 2000 CS stand damals für 17.660 DM bei den Händlern.
Das deutsche Technik-Magazin „Hobby“ zeigte sich 1969 bei einem Test des Audi 100 Coupé S begeistert: „Die Sicht nach vorn und den Seiten ist gut, nach hinten wird sie durch das flache Fastbackfenster jedoch erheblich gemindert. Ein Dreh mit dem Zündschlüssel, und der Motor kommt sofort. Das Gaspedal liegt gut am Fuß, ebenso das Kupplungs und Bremspedal. Links am Lenkrad der Blinkerhebel, mit dem man auch die Scheibenwischer und die Lichthupe betätigen kann. Die rechte Hand ist frei für Handbremse und Schalthebel. 1. Gang, 2. Gang: das schaltet sich wie in Butter, und das Coupe schießt los wie eine Rakete; die Vergleichszahlen zeigen den Unterschied zum normalen Audi 100: 0 - 100 km/h in 9,8 Sekunden stehen den 12,9 der Limousine gegenüber.
Schon darin demonstriert sich die echte Sportlichkeit des neuen Autos aus Ingolstadt. Danach geht es mit full speed in ein Kurvenlabyrinth, und hier können Frontantrieb, eine wohlausgewogene Federung und Dämpfung und nicht zuletzt die voluminösen Gürtelreifen ihre Vorzüge ausspielen. Das einzige, was stört, ist die Kurbelei am Lenkrad. Die Lenkung selbst geht leicht, aber die Leichtgängigkeit muß man durch Kurbeln erkaufen. Zwar ist die Übersetzung in der Zahnstange progressiv, was bedeutet, daß die Lenkung mit zunehmendem Einschlag direkter wird, aber ein Lenkservo und drei Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag, statt deren vier, würde dem sportlichen Charakter entgegenkommen.
Auf der Autobahn ist man mit dem Audi 100 Coupe König, denn 185 km/h sind die praktikable Spitze, die man ausspielen kann; beim Audi ist mit dieser Geschwindigkeit allerdings das Limit erreicht. Ein hoher Luftdurchsatz durch den Innenraum gestattet das Schließen aller Fenster, und damit gibt es nur geringe Windgeräusche, während das Motorgeräusch mit ‘nem kräftigen Brummen durchaus nicht unangenehm ist. Der Geradeauslauf ist vorbildlich, Seitenwind ist nicht zu spüren.“
Fazit der "Hobby"-Tester: „Schon vom Preis her wird es keinen Capri Run auf das Audi Coupe geben, aber es wird ganz sicher viele Liebhaber finden, die die Vorzüge zu schätzen wissen, die sportlichen, aber auch die ökonomischen. Ein gutes sportliches Auto aus Deutschland für gutes Geld: Mutter VW darf weiterhin stolz auf die tüchtige Tochter sein!“
Können Oldtimerfreunde helfen?
Zurück zum Audi aus dem Stausee. Polizeihauptkommissar Tobias Wirth: „Wir erhoffen uns Hinweise aus ganz Deutschland, wer etwas zu dem Fahrzeug weiß. Vielleicht können auch Oldtimerfreunde helfen, die sich erinnern, wer das Fahrzeug besessen oder verkauft hat. Jedes Detail kann wichtig für unsere Ermittlungen sein.“(dr)
Die konkreten Fragen der Kripo:
- Wer war in den 1970iger / Anfang 1980iger Jahren im Besitz eines solchen Fahrzeugs aus dem Zulassungsbezirk Schwandorf?
- Wer kann Angaben zu dem Fahrzeug oder dessen Entsorgung machen?
- Wer kann Angaben zu ehemaligen VAG-Händlern im Bereich Schwandorf machen, die dieses Fahrzeugmodell zum Verkauf anboten
Hinweise an die Polizeiinspektion Vohenstrauß unter der Telefonnummer 09651/92010 oder per Mail unter email hidden; JavaScript is required
Fotos: Polizeiinspektion Vohenstrauß | Bruno von Rotz, zwischengas.com
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:
Norddeutscher sucht Gold-Mercedes: Wo ist Christine?
10. März 2020Dutzende Such-Anzeigen hat Andreas S. (49) schon aufgegeben. In Oldtimer-Fachmagazinen, bei Facebook und eBay-Kleinanzeigen. Aber seit Jahren gibt es keine Spur von „Christine“...
Mehr erfahrenFalscher Zahnarzt bietet
falschen Mercedes an
14. Mai 2020
Auch ein Mercedesfahrer hat noch Autoträume. Winfried Budde ist leidenschaftlicher 280 SL-Fahrer (Baureihe R 107). Trotzdem liebäugelte er immer auch mit einem 190 SL. Vor kurzem schien dieser Wunsch wahr zu werden. Seine Frau machte ihn auf eine Zeitungsannonce aufmerksam: „Sehr gepflegter Oldie Mercedes Benz 190 SL, EZ 04/1960, sehr schöner Zustand… VB 57.000 Euro.“
Mehr erfahren