"Alle Jahre wieder...":
Meine Weihnachten im Klassiker
Alle Jahre wieder. Wer sein geliebtes Altblech nicht trocken über den Winter eingemottet hat, singt seine ganz eigenen Weihnachtsballaden. Singen wir zusammen? Und eins… zwei… drei…
Draußen blinken und leuchten die Häuser und Fenster in den Wohnungen. Vorgärten sehen aus wie LED Verkaufsveranstaltungen, und auch in unseren Klassiker soll der Geist der Weihnachte Einzug halten. Ein bunt leuchtender Tannenbaum aus Plastik mit Saugnapf aus den 80ern, mit Anschluss am Zigarettenanzünder? Herrlich. Oder die bunte Lichterkette mit Batteriekasten, einmal um den Wagenhimmel gespannt und viel stimmungsvoller als so manches Wohnzimmerfenster da oben im vierten Stock. Wer sich so richtig reinkniet, stellt eine Krippe mit Ochs und Esel auf die Hutablage, direkt neben die behäkelte Klorolle. Aber gut fixieren!
Spätestens. wenn die herrlich duftenden Wachskerzen das Armaturenbrett so richtig weihnachtlich beleuchten (oder ankokeln) wird euch hoffentlich klar, dass das hier in diesem 1993er Audi V8 4.2 zwar wunderschön aussieht, aber natürlich nicht erlaubt ist. Die Lightshow lenkt bei Dunkelheit vom Verkehr ab. Aber inspirierend ist es trotzdem, oder? Ich möchte nicht ganz ausschließen, dass ich mal vor vielen Jahren ein paar Meter so gefahren bin, aber bitte nicht nachmachen. Trotzdem bin ich jetzt in Weihnachtsstimmung. Schmücken hilft.
Wohin mit dem Baum?
Auch das ist ein wiederkehrendes Thema. Wer einen hochpreisigen Oldtimer besitzt, will keine Nadeln auf der Schlingenware. Aber hochpreisige Oldtimer stehen ja im Dezember eh unter dem entfeuchteten Sauerstoffzelt statt unter dem Sternenzelt, deshalb muss der Baum in den Daily Driver aus den 70ern irgendwie rein. Und wenn er nicht passt? So ein 1971er Ford Taunus Coupé Kofferraum ist nicht viel kleiner oder viel größer als der einer 1978er Audi 100 Typ 43 Limousine, aber immer nach dem Einnetzen des nadeligen Grünschnitts beginnt erst der Denkprozess. Natürlich passt ein Tannenbaum komplett nicht in den Kofferraum. Reimt sich sogar. Jedes Jahr wieder. Manno.
An dieser Stelle wird es Zeit, einmal das klassische Vinyldach zu loben. Auch ohne Dachgepäckträger lässt sich die blau-Nordmann-Fichtenkiefer schadenfrei auf das Dach des Autowagens spannen, Kunststoff sei Dank. So zerkratzen wir nicht den guten Lack. Ordentlich befestigt, sind sogar längere Strecken zwischen dem Wald, in dem der Baum gekauft/gesägt/geklaut wurde und dem Zuhause zu bewältigen, auch wenn der Fahrtwind heftig an den Zweigen reißt. Hey - so lassen sich die trockenen Nadeln schon im Vorfeld aussortieren.
Schnee und… Salz
Der Hauptgrund, warum die meisten von uns ihre mehr als 30 Jahre alten Fahrzeuge im Winter lieber zu Hause lassen, ist natürlich das schlechte Wetter und das fragile Blech, das von Regen und Streusalz angegriffen wird. Meine Autos waren und sind trotz unzureichender Konservierung immer das ganze Jahr angemeldet, um auch bei schönem Wetter im Winter nicht frustriert vor der Garage stehen zu müssen. So begab es sich aber zu der Zeit, als die Wetterprognosen nicht so zuverlässig waren, dass ein paar Malheure passierten.
Der gute alte 1971er VW K70 fuhr als liebenswerter Goldklumpen bei strahlendem Sonnenschein und trockenen -3 Grad durch die niedersächsische Winterwunderwelt mit Rauhreif und frostigen Landschaften. Am nächsten Morgen lagen über 20 cm Neuschnee, nicht angekündigt. Hart. Oder besagtes Taunus Coupé, was schnell noch von Hamburg nach Kiel bewegt werden sollte, denn am Abend wurde Frost prognostiziert. Wer konnte mit einem emsigen, viel zu frühen Streuwagen rechnen, der sich kilometerlang nicht überholen ließ?? Man hörte das Salz regelrecht im Gebälk knirschen. Das tat weh. Sehr.
Ein Lichtermeer in den Städten
Und wenn es dann doch mal trocken und frostfrei ist, der Baum sich unbeschädigt zu Hause akklimatisiert und die Innendekoration des Klassikers sich auf akustische Beschallung mit Bing Crosby, Frank Sinatra und Chris Rea beschränkt sind da immer noch diese Lichter! Weihnachten in der Innenstadt. Wie erfreuen sich die Passanten an einem alten Auto mitten in der Winterwunderwelt. Ein Fest aus Zeitgeist und Form, so völlig anders als jeder SUV von der Stange. Weihnachtsbeleuchtung ist eine alte Tradition. Da darf man doch nicht mit einem rundgelutschten Neu-Schlitten durchfahren, oder?
Zumal sich die antiken Cockpitbeleuchtungen auch viel schöner in die Lichterwelt integrieren lassen als kontrastreiche, hochauflösende Displays. Der 1999er Citroën XM macht es meisterhaft vor. Eine klare Kante in einer weihnachtlichen Welt. Grünes Licht im Cockpit, beruhigend und schön wie ein Weihnachtsbaum. Und hey – untenrum ist der Franzose sogar verzinkt, nimm DAS, Streuwagen!
Epilog
Wenn dem einen oder anderen höchst gesetzestreuen Klassikerliebhaber unter euch nun vor Entsetzen der Punsch aus der Hand gefallen sein sollte – ich glaube, wir alle sind erwachsen genug, um diese Bilder humorvoll und ohne erhobenen Zeigefinger zu nehmen. Ja, sie sind alle nicht gestellt. Ich gebe es zu. Ich war jung, damals… Aber man lernt ja dazu, und jeder für sich findet irgendwann seine ganz eigenen Weihnachtswelten, durch die er oder sie gern so fahren möchte, wie sich das richtig anfühlt. In diesem Sinne wünscht das ganze OCC Team euch ein gesundes, friedliches Weihnachtsfest 2022 und eine Menge schöne Geschichten mit euren treuen Klassikern im kommenden Jahr!
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