Netzwerk, Leidenschaft und Know-how:
Was bringt die Mitgliedschaft in einem Oldtimer-Club?
Die Begeisterung in Österreich, Deutschland und der Schweiz für automobile Klassiker zeigt sich auch in der beeindruckenden Zahl von Oldtimer- und Youngtimer-Clubs. Eine genaue Zahl ist nirgendwo erfasst, jedoch schätzen Szene-Experten, dass die Zahl für Österreich in die Hunderte Vereine, Interessengemeinschaften, Clubs und Stammtische mit tausenden Mitgliedern geht.
Allein dem Österreichischen Motor-Veteranen-Verband (ÖMVV) gehören rund 100 Clubs und Museen an. Die Österreichische Gesellschaft für historisches Kraftfahrwesen (ÖGHK) kann auf 2.000 Mitglieder verweisen, die 3.800 historische Kraftfahrzeuge gemeldet haben. Zu den einflussreichen Interessenverbänden gehört auch das „Kuratorium Historische Mobilität in Österreich“, dessen Präsident der bekannte Klassiker-Experte KR Ing. Robert Krickl ist.
Ist eine Clubmitgliedschaft eigentlich für jeden Klassikerbesitzer sinnvoll? Wie viel Engagement wird erwartet? Was wird im Gegenzug geboten? Wir haben mit Club-Kennern über das Pro und Contra des Vereinslebens gesprochen.
Der MB/8-Club gehört mit über 700 Mitgliedern zu den großen Oldtimer-Vereinen in Deutschland.
Netzwerk bietet wertvolle Informationen
Jan Hennen, Sprecher des deutschen Oldtimer-Dachverbandes DEUVET e.V. ist selbst Mitglied in mehreren Oldtimer-Clubs. Eine Übersicht, wie viele Klassiker-Liebhaber organisiert sind, hat auch er nicht: „Darüber gibt es keine Statistik. Zumal man alle zählen müsste, kleine Stammtische oder Modellgruppen mit 10 Mitgliedern oder große Clubs mit fast 2000 zahlenden Mitgliedern. Ich kann aber nur empfehlen, Mitglied in einem Klassiker-Club zu werden.“
Mit 700 Mitgliedern gehört der MB/8 Club Deutschland e.V. (gegründet 1989) mit Sitz in Soltau zu den großen Vereinen in der Szene. Das Clubleben skizziert Holger C. Schwärzel, Beisitzer im Vorstand, so: „Von Anbeginn an war die Zusammenkunft und der Austausch unter unseren Mitgliedern im Fokus. Ob es fehlende Teile oder Fachwerkstätten und besonders kniffelige Aufgaben sind, das Netzwerk im Club bietet immer einen Austausch oder die nötige Expertise und technische Unterstützung. Dies passiert innerhalb der regionalen Netzwerke an einem der aktuell neunzehn /8-Stammtische von Kiel bis zum Bodensee. Aber auch über die sozialen Netzwerke sind wir verbunden und weisen bei Instagram über 15.500 und bei Facebook knapp 9.000 Follower auf. So können auch Hinweise auf Veranstaltungen oder Messen schnell und direkt verbreitet werden. Allem voran steht im MB /8 Club aber immer der persönliche Kontakt und die besonderen Freundschaften, die sich überregional gebildet haben. Und so sind die – immer an wechselnden Standorten stattfindenden - Sternfahrten, ob kleine Sternfahrt als Tagestreffen im Mai oder große Sternfahrt als Wochenend-Jahrestreffen im Juli, immer eine perfekte Möglichkeit, viele liebe und nette Menschen wiederzutreffen.“
Eine Clubmitgliedschaft ist nicht für jeden Klassikerfan geeignet. Aber sie bringt viele Vorteile mit sich.
Aktiv oder passiv im Club?
Seiner Meinung nach kann man die Clubmitglieder in drei Gruppen einteilen: die Aktiven, das sind u.a. die Stammtischleiter, Sternfahrt-Organisatoren, Technikreferenten, Vorstände, Messe-Aktivisten, Ausfahrten-Planer und Helfende im Hintergrund. Zu den Passiven gehören Mitglieder, die einen Mercedes-Benz /8 haben und sich zumeist über das Clubmagazin und die geplanten Events freuen, aber eher konsumieren würden. Die sog. „Hybriden“ seien eine Mischung aus beiden, die ab und zu auf Veranstaltungen auftauchen – aber dann auch wieder lange nichts von sich hören ließen. Sie bräuchten, so Holger C. Schwärzel, etwas „Starthilfe durch die Aktiven“.
Nimmt der Club also alle auf, die Interesse haben – oder gibt es auch Ausnahmen? Holger C. Schwärzel: „Es sind alle herzlich willkommen, jedoch sollte das potenzielle Mitglied immer ein wenig Benzin im Blut haben und sich idealerweise für die Baureihen und für den Stern begeistern. Ist ja nicht einmal zwingend erforderlich, einen Strichachter zu besitzen, denn das Interaktive steht im Vordergrund. Da unser Club aber keinen internen Ersatzteil-Handel betreibt und auch nicht betreiben wird, kann jemand, der Teile braucht und sucht, evtl. in anderen Clubs hierzu besser versorgt werden. Hier gibt es auch genügend Enthusiasten, die Doppel-Mitgliedschaften besitzen, die eine für den Spaß und die Geselligkeit, die andere für die Ersatzbeschaffung.
Da wir aber auch einige Mitglieder haben, die mit Teilen handeln und genug Expertise haben, ist hier das erwähnte Netzwerk über unsere /8-Stammtische immer eine sehr gute Option und hat unseren Mitgliedern auch schon viele – und die richtigen – Ersatzteile beschert.
Unser Bestreben im Vorstandsteam war es immer, möglichst familiär und basisorientiert zu bleiben, Klasse statt Masse und daher sind uns bei den Jahrestreffen auch Camping und rustikales Beisammensein deutlich wichtiger als ein gesetztes 4-Gänge-Menü mit korrespondierender Weinkarte.“
Clubs stehen für gemeinschaftliche Erlebnisse, für Individualisten sind sie weniger geeignet.
Vorteil und Nachteile einer Mitgliedschaft
Auch der Nachwuchs werde im MB /8-Club im Blick behalten, so gebe es Partnermitgliedschaften und eine günstige Juniormitgliedschaft für Auszubildende sowie Studentinnen und Studenten.
Zusammenfassend also noch einmal die möglichen Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft im Oldtimerclub.
Vorteile:
Gemeinschaft und Austausch: Oldtimerclubs, Stammtische und Interessengemeinschaften bieten den Zugang zu einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die die gleiche Leidenschaft für Oldtimer teilen. Dies ermöglicht den Austausch von Erfahrungen, Tipps und Ratschlägen zu Wartung, Restaurierung und Veranstaltungen.
Exklusive Veranstaltungen: Oldtimerclubs organisieren häufig Treffen, Ausfahrten und Rallyes, die oft nur für Mitglieder zugänglich sind. Diese Veranstaltungen bieten eine hervorragende Gelegenheit, das Fahrzeug vorzuführen und neue Freundschaften zu schließen.
Zugang zu Know-how: Einige Clubs haben Zugang zu spezialisierten Werkstätten, Ersatzteilen oder sogar Rabatten bei bestimmten Lieferanten und Dienstleistern. Diese Vorteile können die Pflege und Restaurierung des Oldtimers erleichtern und kostengünstiger machen.
Expertise und Beratung: In Oldtimer-Clubs gibt es oft Mitglieder (z.B. Fachreferenten) mit tiefem Wissen und Erfahrung in Bezug auf bestimmte Marken oder Modelle. Dies kann besonders hilfreich sein, wenn es um technische Fragen oder den Kauf von Ersatzteilen geht.
Wertsteigerung des Klassikers: Teilnahme an Clubaktivitäten und regelmäßige Pflege und Präsentation des Fahrzeugs können dessen Wert steigern. Ein gut dokumentiertes Fahrzeug mit aktiver Clubmitgliedschaft kann für potenzielle Käufer attraktiver sein.
Nachteile:
Mitgliedsbeiträge und Kosten: Ohne Mitgliedsbeitrag kein echtes Clubleben. Mit dem Geld werden oft Events auf die Beine gestellt oder Clubzeitschrift und Homepage finanziert. Allerdings variieren die Mitgliedsbeiträge von Club zu Club: von unter 10 Euro bis hin zu mehreren hundert Euro pro Jahr ist alles möglich.
Verpflichtungen und Zeitaufwand: Manche Clubs erwarten eine rege Teilnahme der Mitglieder am Clubleben – darin unterscheidet sich die Klassikercommunity nicht von anderen Vereinen wie Kegelbrüder oder Kleingartenfreunde. Wer sich scheut, mal eine Aufgabe zu übernehmen oder generell wenig Zeit und Lust auf andere Gesichter hat, sollte sich eine Mitgliedschaft überlegen.
Gruppendruck und Erwartungshaltung: Natürlich sind auch die anderen Club-Mitglieder gespannt auf den Zustand des Klassikers. Das kann zu Gruppendruck führen, mit dem nicht jeder klarkommt, gerade, wenn der Oldtimer nicht regelmäßig genutzt wird oder die Restaurierung aus vielerlei Gründen (Kosten, Zeit) ins Stocken gerät.
Konflikte und Cliquenbildung: Wie in jeder Gruppe kann es auch in Oldtimerclubs zu Meinungsverschiedenheiten oder internen Konflikten kommen. Diese sozialen Spannungen könnten das Erlebnis einer Mitgliedschaft trüben.
Verlust der Individualität: Es soll Klassikerfans geben, die sich seelisch eingeengt fühlen, wenn sie sich zu sehr in einen Club einbinden. Daher vorher prüfen, ob die Aktivitäten im Club eventuell im Widerspruch zu den eigenen Vorstellungen stehen.
Gemeinsame Ausfahrten und die Teilnahme an Oldtimer-Rallyes gehören zu den Höhepunkten im Clubleben.
Markenclubs haben engen Kontakt zum Hersteller
Zu den langjährigen Club-Insidern gehört auch Stephan Lehnen (Head Partnerships bei OCC). Er koordiniert mit seinem Team die Zusammenarbeit zwischen der Klassiker-Szene und dem Unternehmen.
Stephan Lehnen: „Wer seine Leidenschaft für klassische Fahrzeuge entdeckt hat, der wird auch sehr schnell mit den Herausforderungen seines Hobbys konfrontiert. Ersatzteile beschaffen bei einem Defekt, regelmäßige Pflege und Wartung, die Suche nach einer technischen Dokumentation oder das richtige Tuningteil, um das Schätzchen zeitgenössisch in Szene zu setzen.
Bei den damit verbundenen Fragestellungen sind die Clubs meines Erachtens die besten Ansprechpartner. Hier findet man gebündelte Expertise und man hilft sich, wo man kann. In der Clubgemeinschaft trifft man Gleichgesinnte, die ihren Erfahrungsschatz gerne teilen.
Neben der Hilfe bei technischen Fragen und bei der Suche nach Teilen ist es aber auch der Gemeinschaftssinn, der das Hobby Oldtimer sehr bereichern kann. Viele Clubs bieten ihren Mitgliedern gemeinsame Ausfahrten oder Clubtreffen an, bei denen so manches Benzingespräch geführt werden kann.
Bei den Clubs unterscheidet man zumeist in Clubs, die markenunabhängig sind und eher regional organisiert sind und den Marken- und Typenclubs, die sich auf bestimmte Fahrzeuge spezialisiert haben. Empfehlenswert sind beide. Bei den Marken- und Typenclubs bekommt man insbesondere bei der Suche nach Teilen und Dokumentationen umfassende Hilfe. Oftmals stehen die Markenclubs auch mit dem Hersteller in engem Kontakt. Die regionalen, markenunabhängigen Clubs legen dahingegen eher Wert auf das gesellschaftliche Beisammensein.
Bei allem Engagement für die Mitglieder darf man bei den Clubs nicht vergessen, dass in den allermeisten Fällen die Leitung und Durchführung der Aktivitäten durch ehrenamtliche Helfer erfolgt. Diese Menschen stecken viel Liebe und Zeit in unser Hobby und sorgen mit ihrem Einsatz dafür, dass unsere Fahrzeuge auch in Zukunft auf unseren Straßen zu sehen sind. Umso wichtiger ist es, dass sich ausreichend viele Mitglieder in den Clubs versammeln. Die Beiträge für die Mitgliedschaft sind zumeist fair kalkuliert und der Nutzen, den jeder Fahrzeugbesitzer daraus zieht, ist umfangreich. Willkommen im Club!“ (dr)
Fotos: MB /8 Club Deutschland e.V. | OCC Assekuradeur
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