Tipps von den Profis
So gelingt der Saisonstart
Einsteigen und losfahren – so einfach ist das nicht! Oldtimer müssen vor dem Saisonstart besonders sanft und liebevoll aus dem Winterschlaf geweckt werden. Von Batterie über Flüssigkeiten bis Reifendruck, alles sollte überprüft werden. Was ist beim Frühjahrscheck zu beachten, damit die erste Fahrt im Klassiker nach der langen Pause zum Vergnügen wird? Wir haben den Klassiker-Sammler Bert „Oldie-Bert“ Spranger in seiner Garage in der Lübecker Altstadt besucht, dazu noch Deutschlands beste Oldtimer-Mechanikerin Tanja Trautmann (Emilia Auto Service) und OCC-Experten Sebastian Hansen befragt.
Zuerst Sichtprüfung
Starten wir mit Oldie-Bert in Lübeck. Dort macht er gerade seine gelbe Ducati 350 Desmo (Baujahr 1974) und seine MZ BK 350 (Baujahr 1957) für die Saison flott. Aber auch ein Opel Olympia Rekord (Baujahr 1957) und ein Ponton-Mercedes 180 D (Baujahr 1958, Foto) warten auf Pflege und Straßenkontakt. Mehr als vier Monate standen die Fahrzeuge in der Garage. Oldie-Bert: „Zuerst prüfe ich immer, ob es unterm Fahrzeug trocken ist. Sehe ich Nässe, könnte es ausgetretene Bremsflüssigkeit, Lenkgetriebeöl, Kühlwasser, Hinterachsen-Öl, Motoröl oder Getriebeöl durch die lange Standzeit im Winter sein. Das ist dann nicht so fein und muss schnellstens in Ordnung gebracht werden.“
Batteriespannung checken
Also zuerst Sichtkontakt von außen, dann erst das Fahrzeug von innen prüfen. Bei seiner Ducati checkt er den Pegel der Bremsflüssigkeit und füllt den Behälter am Lenker etwas: „Wenn sich die Bremsbeläge abnutzen, ist es normal, dass der Pegel der Bremsflüssigkeit etwas sinkt. Ich gucke da immer nach.“
Die Batteriespannung der Ducati zeigt auf dem Multimeter (Foto) deutlich unter 11,8 Volt. „Hier muss ich die Batterie aufladen. 13 Volt Spannung ist optimal. Gottseidank ist es eine Gel-Batterie, die kann Spannungen unter 12 Volt ab, eine normale Batterie hätte hier Schaden genommen. Bei einer 6 Volt-Anlage wäre die optimale Spannung bei 6,5 Volt.“
Schmierfilz-Kontrolle
Da die Ducati eine Kontaktzündung besitzt (moderne Autos und Motorräder haben elektronische Zündung) prüft Bert am Motorgehäuse, ob der Schmierzfilz mit etwas Öl benetzt ist (Foto). „Bei klassischen Fahrzeugen mit Kontaktzündung verstellt sich die Zündung mit der Zeit.“
Bei Kontaktzündungen muss der Schmierfilz mit Öl benetzt sein, damit sich Zündung sonst zu schnell verstellt.
Richtiges Öl wichtig
An seiner MZ BK 350 öffnet Bert mit einem Maulschlüssel die Getrieböl-Einfüllschraube. Der Ölmessstab zeigt: Hier muss etwas nachgefüllt werden.
Bert: „Ich nehme Getriebe-Öl GL 3. Neueres Öl kann aggressiv auf die früher verwendeten Werkstoffe wie Messing oder Dichtungen aus Papier oder altem Gummi reagieren und sie beschädigen.“
Bloß kein Kondenswasser im Wassersack
Unter dem Tank der MZ BK 350 sitzt am Benzinhahn der sogenannte Wassersack mit Benzinfilter. Dort entdeckt Bert schwarze Partikel, aber kein Wasser. „Das ist nicht weiter wild. Nicht so gut wären größere Mengen Kondenswasser. Wenn das in die Vergaserdüsen eindringt, springt die Maschine nicht an. Das macht sich unter Umständen erst bemerkbar, wenn Druck aufgebaut ist.“ Bei Opel Olympia Rekord und Ponton Mercedes schaut Bert unter die Fahrzeuge, ob sie Flüssigkeiten verloren haben: „Alles trocken Gott sei Dank.“ Beim Opel Olympia Rekord prüft er den Ölstand (Foto).
Vorsichtig bremsen
Auch für Kfz-Meisterin Tanja Trautmann (Foto), Chefin und Mitinhaberin der Emilia Auto Service GmbH, ist das gute Auge am Anfang wichtig: „Ich schaue natürlich, ob der Wagen über Winter zum Auslaufmodell geworden ist. Der Blick unter die Haube ist wichtig. Ich habe selbst schon erlebt, dass mir ein Marder die Reste eines Huhns in den Lüfter gestopft hat. In Luftfiltern sah ich, wie es sich Mäuse bequem gemacht haben. Also Haube auf, in alle Ecken und Winkel schauen – nicht, dass noch Wintergäste da sind.“ Sie warnt davor, mit dem Oldtimer nach dem erfolgreichen Anlassen gleich loszubrausen. „Ich fahre nie gleich los. Sondern starten, laufen lassen und dann den zweiten Blick unters Auto. Da kann dann doch noch eine böse Überraschung warten: Benzinundichtigkeit, Kühlwasser… Das macht sich alles erst bemerkbar, wenn Druck auf den Systemen ist. Beim Losfahren sollte man in paar Mal vorsichtig bremsen, um Flugrost von den Bremsen zu bekommen. Bei ganz alten Stücken schiebt man vor der Losfahrt den Leerlauf rein und prüft, ob man das Fahrzeug leicht vor- und zurück schieben kann. Falls nicht, sitzt die Bremse fest! Das passiert gern bei Trommelbremsen, dass der Radbremszylinder festsitzt, gerade, wenn Wagen ein paar Jahren standen.“
Sechspunkteplan bei Sebastian
OCC-Fachmann Sebastian Hansen schwört beim Frühjahrscheck an seinem W124er-230 CE Coupé (Foto) auf seinen bewährten Sechspunkteplan: „1. Batterie, 2. Reifen, 3. Flüssigkeiten (Öl, Wasser), 4. Scheibenwischer, 5. Beleuchtung, 6. elektrische Helfer im Auto.“
Wenn alles rund läuft und ist der Oldtimer fit für die Saison und den Start in den Frühling, bekommt er natürlich noch Pflege für die Außenhaut. Ehrensache, dass man sich nur mit blitzblankem Oldie auf der Straße zeigen will. Frisch geduscht, duftend und mit sauberem Kleid geht es dann los: Gute Fahrt! (dr)
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